Wasser marsch! Die Wasserballer vom HSG TH Leipzig e.V.

Ralf Noack schwimmt mit uns durch die wellige Wasserball-Historie Leipzigs.

© HSG TH Leipzig e.V.
Wasserball ist die erste Mannschaftssportart, die, zu jener Zeit in Paris, im olympischen Rahmen bejubelt werden konnte. Der Beginn einer glorreichen Sportgeschichte? Naja, ganz so glatt wie im Jahr 1900 verlief die Wasserlinie dann doch nicht. Das mediale Interesse tendiert heute eher gen Beckengrund. Dabei schwimmt den Athleten der HSG TH Leipzig so schnell niemand davon.

Neben einer traditionsreichen Sportgeschichte, die in der Messestadt übrigens kurz vor Olympia (am 1. März 1900) mit der Gründung des Leipziger Schwimmvereins „Poseidon“ begann, hat Wasserball vor allem eines: Dynamik. Die Schnelligkeit des Sports ist ausschlaggebend dafür, dass sich die Zuschauer am brodelnden Beckenrand auf ein torreiches Spiel einstellen können. Doch auch unter der magischen Wasserlinie ist ordentlich was los. Hier ist alles erlaubt, was der Schiedsrichter nicht sieht – also wirklich alles: treten, kneifen, kratzen, schlagen. Wie anstrengend der Kampf um den Ball dadurch ist, zeigt sich in den Pausen zwischen den 4×8 Minuten Spielzeit, wenn die Männer unter den Badekappen zum Vorschein kommen. Der Vollkontaktsport fordert den Athleten schwimmerisch einiges ab – wobei nicht nur Härte, sondern auch (Ball-)Gefühl gefragt ist. Ein bisschen geht es also zu wie beim Handball. Bodenberührungen im mindestens 1,80 Meter tiefen Wasser sind allerdings nicht gestattet. „Außerdem gibt es keine vergleichbare Fallhöhe und die Kräfte werden durch das Wasser natürlich gebremst“, erklärt uns Ralf Noack, ehemaliger Athlet bei Motor Gohlis-Nord.

Heute spielt sich seine Leidenschaft zum Sport vor allem außerhalb des Beckens ab. Ralf Noack ist nämlich ein wandelndes Wasserballlexikon: Es gibt kaum ein Ereignis, von dem er nicht berichten kann. Auf der Facebook-Seite des Wasserball-Museums archiviert er die Höhen und Tiefen der 120 Jahre andauernden Sportgeschichte in Leipzig.  

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© Sportfreund Freitag

Ebbe und Flut

Ralf Noack ist auch derjenige, der mit uns durch die wellige Wasserball-Historie schwimmt. Es mussten nämlich einige Bahnen absolviert werden, bis im Anschluss an die ersten Leipziger Schwimmerversuche 1900 nennenswerte Erfolge erzielt wurden. 1932 brachte man diese vor allem mit dem Leipziger Johannes „Hans“ Eckstein in Verbindung. Eckstein nahm zu jener Zeit an den Olympischen Spielen in Los Angeles teil, wo er, zusammen mit seinen Mannschaftskollegen, die Silbermedaille gewann – damals übrigens noch im modischen Tiefschutz. Die lustigen Badekappen gehören noch heute zur Startaufstellung. In erster Linie, um Ohren und Trommelfell vor Verletzungen zu schützen und natürlich, um den eigenen Mann anhand der Farbe der Kopfbedeckung vom Gegner zu unterscheiden.

So stranden wir in den goldenen Wasserball-Zeiten – in der frühen DDR. Sieben Mannschaften gab es damals in Leipzig. Trainiert wurde im Schwimmbecken am Zentralstadion. Stolze 14 Leipziger Athleten spielten bis 1990 in den Nationalmannschaften. Zwei Leipziger holten sogar den Vize-Europameistertitel in Utrecht. Ab 1969 kämpfte man in der DDR mit den Folgen der „Umorganisation des Sports“. Diese führte zu einer Fokussierung auf Sportarten, in denen die DDR-Staatsführung Medaillenpotential im internationalen Vergleich sah. Wasserball fiel nicht darunter und somit aus dem Fördersystem. In Leipzig blieb nach 1965 nur noch der SC Leipzig, wortwörtlich als Sammelbecken der Wasserballer, bestehen – Das Ergebnis aus der Konzentration SC DHfK, SC Rotation und SC Leipzig. Künftig organsierten sich die Athleten in den Betriebssportgemeinschaften wie dem BSG Motor Gohlis-Nord. Inzwischen als Motor Leipzig Nord startend gewann man in den 80ern vier Mal den DDR-Meistertitel – zuletzt 1989.

  

Der Traum von der Gleichberechtigung

Die HSG TH Leipzig e.V. gründete sich schließlich vor zehn Jahren aus dem SSV Leipzig-Leutzsch. Früher, um wieder zu glorreicheren Wasserballzeiten zurück zu kraulen, gab es übrigens keine Trennung zwischen Schwimmern und Wasserballern: Wer Interesse am Ballspiel entwickelte, tat einfach beides. Heute ist das eher die Ausnahme – außer im Jugendbereich: „Hier ist sicheres und angstfreies Überwasserhalten die Grundvorrausetzung, um ins Becken zu springen.“ Ralf Noack zählt noch zu der Kategorie Querschwimmer: „Bevor ich zum Wasserball wechselte, war ich vier Jahre lang – von 1971 bis 75 – als Athlet an der Sportschule des SC DHfK aktiv.“

© Ralf Noack
Damals wie heute nahm der Sport viel Zeit in Anspruch: vier mal die Woche wird im Wasser, ein Mal außerhalb des Beckens trainiert. Hinzu kommen die Wettkämpfe an Wochenenden: immer zwei Auswärts- oder Heimspiele. Die sogenannten Doppelspieltage im Punktspielbetrieb sind eine Besonderheit, die Wasserball von anderen Sportarten unterscheidet. Finanziell über Wasser halten können sich die Männer der ersten Mannschaft damit trotzdem nicht. Die Finanzen sind generell ein schwieriges Thema: „Es gibt in Deutschland nur wenige Vereine, die ihre Sportler angemessen bezahlen können“, erklärt uns Nachwuchskoordinator Andreas Burger. „Das ist in Südeuropa beispielsweise anders.“ In Leipzig kommt erschwerend hinzu, dass die Entgeltordnung, insbesondere der Beschluss einer kostenfreien Nutzung von Sportstätten im Kinder-und Jugendbereich, die Nutzung von Schwimmhallen nicht umfasst. Jugendliche in Vereinen des Schwimmsportverbands Leipzig e.V. müssen die Gebühr aus eigener Tasche zahlen. „Das stellt in meinen Augen eine große Ungerechtigkeit dar, weil die hohen Kosten, die dadurch entstehen, natürlich auf die Mitgliedsbeiträge übertragen werden.“ Ralf Noack fragt sich, warum ausgerechnet die Traditionssportarten Schwimmen und Wasserball in Leipzig benachteiligt werden und kämpft dafür, dass die Stadt entsprechende Ausgleichsmaßnahmen anbietet. „Am besten wäre, die kommunale Sportförderrichtlinie würde angepasst. Und noch schöner wäre es, wenn die Wasserballer ihr eigenes Zuhause bekämen.“ Bislang trainieren die Männer in der Schwimmhalle Mitte in einem 25-Meter-Becken, das für den Wettkampfbetrieb nicht den Vorgaben des DSV für Punktspiele entspricht. Wettkämpfe werden deshalb in der Universitätsschwimmhalle ausgetragen. Die Enttäuschung darüber sitzt bei Andreas und Ralf ähnlich tief wie der Verlust des Leipziger Schwimmstadions: „Traurig, dass wir in einer vermeidlichen Sportstadt wie Leipzig nicht einmal auf einen eigenen Vereinsraum in einer Schwimmhalle zurückgreifen können. Was heute fehlt, sind nicht nur die Neugierigen auf Wasserball, sondern auch Flächen zum Training.“

Ein großer Traum würde für die Wasserballer mit der Sanierung des Wackerbads an der Leipziger Max-Liebermann-Straße in Erfüllung gehen – doch noch ist das Schicksal des rund 100 Jahre alten Sommerbads in Gohlis ungeklärt.

  

Wasserfreuden

Nicht meckern möchten die Ex-Wasserballer über die Erfolge der ersten Männer-Mannschaft der HSG TH Leipzig e.V., die sich, trotz der schlechten Rahmenbedingungen, in der 2. Bundesliga Ost hält. Die vergangene Saison beendete die Truppe um Trainer Robin Seemann mit einem erfolgreichen vierten Platz. Neben der großen 120-jährigen Jubiläumsfeier, die im Sommer in der Universitätsschwimmhalle Leipzig ansteht, dürfen sich Sportbegeisterte in Leipzig also auch künftig auf hochklassige Wasserduelle freuen. Das nächste spannende Heimspiel steht bereits am 5. Januar 2020 um 11 Uhr in der Uni-Schwimhalle (Mainzer Str. 4) an. Gegner des HSG TH Leipzig e.V. werden die Wasserballer vom SV Halle sein. Das erste Derby dieser Art fand übrigens 1907 statt. „Einen Sieg konnten die Leipziger allerdings erst im Rückspiel zwölf Jahre später einschwimmen“, lacht Ralf Noack.

Weitere Infos unter leipzig-wasserball.de

© Ralf Noack
 

Kommende Heimspiele in der Universitäts-Schwimmhalle Leipzig:

25.1.2020: HSG TH Leipzig e.V. – Plauen

26.1.2020:  HSG TH Leipzig e.V. – Zwickau

22.03.20, 11 Uhr: HSG TH Leipzig e.V. – Berlin Neukölln