Der Fußbus fährt immer Europäische Mobilitätswoche in Leipzig

„Alternative Mobilität“ lautet das Stichwort, unter welchem Vereine und Initiativen der Stadt Leipzig vom 16. bis 22. September 2018 dazu einladen, die Mobilität der Zukunft auszutesten.

Mobilität bedeutet Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung – und jede Menge Probleme für Mensch und Umwelt, insbesondere weil das Thema Fortbewegung nach wie vor bei einem großen Teil der Bevölkerung mit Autofahren assoziiert wird. Dabei kann Mobilität viel mehr bedeuten als Einsteigen, Hinsetzen und Schlüssel Umdrehen.

© Stadt Leipzig
„Alternative Mobilität“ lautet das Stichwort, unter welchem Vereine und Initiativen der Stadt Leipzig vom 16. bis 22. September 2018 auf zahlreichen Veranstaltungen dazu einladen, die Mobilität der Zukunft auszutesten. Ein Thema, das sich europaweit, insbesondere in Frankreich und Österreich, bereits seit Jahren großer Beliebtheit erfreut. Nun finden die Aktionstage auch in Leipzig in großem Rahmen statt. Mitorganisator Volker Holzendorf, der darüber hinaus Mitglied der Partei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und seit 2015 im Stadtbezirksbeirat Leipzig-Altwest tätig ist, verriet uns vorab, welche alternativen Formen des Mobilitätsgebrauchs während der Europäischen Wochen der Mobilität in Leipzig erprobt werden können – bzw. müssen: Neben zahlreichen spannenden Fotoausstellungen, lehrreichen Vorträgen, Radtouren und Spaziergängen durch die Stadt können sich Anwohner nämlich auch auf eine Straßensperrung im Westen, konkret auf der Nordseite des Lindenauer Marktes, freuen. „Wir wollen Fußgängern in Zukunft wieder mehr Raum schenken.“ Für diesen Zweck wird von Dienstag, den 18. September bis Samstag, den 22. September nicht nur der Straßenabschnitt ab der Kuhturmstraße bis Ecke Lindenauer Markt / Demmeringstraße offiziell zur Fußgängerzone erklärt, sondern auch Parkplätze in Freisitzflächen und Straßen in Flaniermeilen verwandelt. Die Idee selbst hat ihren Ursprung in Bürgerforen zum Lindenauer Markt seit 2015, die in einem Stadtratsbeschluss im März 2017 mündete. Dieser soll nun einem Praxistest unterzogen werden.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier

Böse Zungen mögen behaupten, dass Autofahrern das Leben damit bewusst erschwert wird und ja, jene könnten mit ihrer Vermutung gar nicht so falsch liegen. Hintergrund der Idee ist nämlich tatsächlich unser inneres Streben nach maximaler Bequemlichkeit, gesteht Volker Holzendorf, der davon überzeugt ist, dass ein Umdenken erst dann stattfinden kann, wenn die Nutzung des Autos schwieriger wird. „Bislang ist Autofahren einfach und komfortabel. Warum auf das Rad setzen, wenn wir mit dem Auto jederzeit direkt bis vor die Drogerie, den Bäcker, die Wohnung oder den Blumenladen fahren können? Erst in dem Augenblick, in dem die Nutzung des Fahrzeugs unbequem wird, steigen wir freiwillig auf das öffentliche Verkehrsmittel, den Drahtesel oder eben den Fußverkehr um. Bis dato hat sich die Planung auf die Kraftfahrer ausgerichtet und genau das sollte sich in Zukunft ändern!“ Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier und ein faules noch dazu. Außerdem betont der Politiker, dass eine Straßensperrung nicht bedeutet, dass der entsprechende Abschnitt für die Bevölkerung unpassierbar wird. Ganz im Gegenteil: Dank der gewonnenen Fläche am Lindenauer Markt vergrößert sich der Raum für Fußgänger spürbar. Die Befürchtung, dass die Sperrung währenddessen den Autoverkehr verlagert, teilt er genauso wenig wie die Angst vor einer sich weiter zuspitzenden Parkplatz-Situation in den umliegenden Wohnvierteln. „Wir geben den Bürgern bessere Fußverkehrsmöglichkeiten, die sie wiederum dazu ermutigen werden, ihr Auto für eine alternative, nun bequemere Fortbewegungsform aufzugeben.“ Menschen mit einer Behinderung können sich selbstverständlich weiterhin auf entsprechende Parkmöglichkeiten verlassen. 

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Stadt der kurzen Wege

Dass autofreie Zonen am Ende genauso entspannt sein können (wenn nicht sogar entspannter), möchten die Mitglieder des Stadtbezirksbeirats Alt-West nicht nur Anwohnern, sondern auch Gewerbetreibenden beweisen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass eine Fußgängerzone auch aus wirtschaftlicher Sicht viel rentabler sein kann: Der Marktcharme lädt Passanten zum Verweilen und Gastronomen zum Ausbau ihrer Freisitzflächen ein. 

Doch ein nachhaltiges Umdenken der Bevölkerung braucht mehr als ausgebaute Fahrradwege und üppige Flaniermeilen. Aus diesem Grund nimmt die rollende Bürgersprechstunde mit dem Sachgebietsleiter ÖPNV, dem Radverkehrsbeauftragten und dem Fußverkehrsverantwortlichen im Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt Leipzig u.a. auch Verknüpfungspunkte des öffentlichen Nahverkehrs unter die Lupe. Unter dem Motto „Nachhaltig und innovativ unterwegs“ sollen Umsteigewege von Bus auf Bahn nachempfunden werden. Fußgängerunfreundliche Verkehrslösungen wie am Plagwitzer Bürgerbahnhof, an der S-Bahn-Station Lindenau oder an der Endschleife der Straßenbahnlinie 9 sollen auf diesem Wege bald der Vergangenheit angehören. Als Vorbild dienen Verknüpfungspunkte an der Georg-Schwarz-Brücke, die Leipzigern schnelle und kurze Wege zwischen Straßenbahnhaltestelle und S-Bahn ermöglichen.Denn auch hier gilt: Der Mensch ist bequem! 

Kurze Wege und Wartezeiten sowie gute Fußverkehrsmöglichkeiten sind Grundvoraussetzungen des alternativen Mobilitätskonzepts. Daher möchten die Veranstalter auch der leidigen Diskussion über entgeltfreien ÖPNV nicht aus dem Weg gehen. Gemeinsam mit Steffen Lehmann, dem Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrsverbunds, diskutiert Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag das Thema „ÖPNV für alle!“. Gleiches gilt für die Situation mobilitätseingeschränkter Verkehrsteilnehmer: Ein gemeinsamer Ausflug vom Augustusplatz durch den Clara-Zetkin-Park bis zur Etzoldschen Sandgrube sowie zahlreiche Vorträge werden u.a. vom Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen organisiert und sollen die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren. 

Der abschließende Blick in das umfangreiche Programmheft der Europäischen Mobilitätswoche in Leipzig verrät: Es ist vor allem der Ideenanstoß, der an den sieben Aktionstagen im Fokus stehen soll, selbst wenn der Weg für manch eine Mobilitätsvision noch sehr steinern sein mag. Aber wer weiß, vielleicht werden Leipzigs Straßen eines Tages von den Fußgängern zurückerobert – denn der Fußbus fährt immer.

Eine Übersicht über das komplette Veranstaltungsprogramm findet ihr online unter www.leipzig.de/emw