(K)eine Band für eine Nacht „Fehler sind erlaubt“ – Madsen im Interview

Wir sprachen mit Schlagzeuger Sascha Madsen über Mosh-Pits für Frauen, biergeschwängerte Aufnahmen und weitere Schnapsideen.

Madsen-Fans wissen: die Brüder Sebastian, Johannes und Sascha sowie „Adoptivsohn“ Nico sind alles andere als perfekt. Und doch schreiben sie „nicht zu alt, nicht zu jung, nicht zu schlau und nicht zu dumm, völlig normal, exakt neutral“ seit mittlerweile 15 Jahren (Musik-)Geschichte. Ihr Debütalbum „Madsen“, das das Quartett 2015, ein Jahr nach Bandgründung, veröffentlichte, steht beispielhaft für sechs weitere Studioalben und den einzigartigen,  unverkrampften Madsen-Mix aus griffigen deutschen Texten und hymnischen Melodien – bis heute, wie die Jungs erst kürzlich mit ihrer Live-DVD „Lichtjahre“ unter Beweis stellten. Bevor aber die Sirenen und kollektiven Ohrwürmer à la  „Perfektion“, „Nachtbaden“, „Du Schreibst Geschichte“ und „Lass Die Musik An“ auf ihrer perfekten Jubiläumstour im Haus Auensee ertönen, sprachen wir mit Schlagzeuger Sascha Madsen über Mosh-Pits für Frauen, biergeschwängerte Aufnahmen und weitere Schnapsideen.

Willkommen zurück in Deutschland, Sascha! Ich hoffe du bist wieder gut gelandet, nachdem sich dein letzter London-Aufenthalt wegen des Sturms verlängerte.

(lacht) Ja, ich bin heute tatsächlich erst wieder gelandet. Wir wollten eigentlich schon vor drei Tagen zurückfliegen.

© Dennis Dirksen

Dann lass uns über die Live-DVD sprechen, die ihr kürzlich veröffentlicht habt. Beim Sichten bekommt man ja direkt Bock auf ein Madsen-Konzert. Aber warum habt ihr ausgerechnet die Lichtjahre-Tour verfilmt? Hätte sich die kommende „Die Perfektion“-Tour anlässlich eures 15-jährigen Bandjubiläums nicht besser geeignet?

Liegt einfach daran, dass wir jetzt Bock drauf hatten. Als wir 2018 die „Lichtjahre“-Tour geplant haben, wussten wir noch nicht, was jetzt passiert – also, dass es anschließend noch eine „Die Perfektion“-Tour geben würde. Und wir fanden damals einfach die Idee unseres Kameramanns gut: Dass man eben nicht hergeht und sagt, wir nehmen nur ein Konzert auf, sondern einfach alles und daraus dann das Beste vom Besten heraussucht. Wir haben so viele Aufnahmen gesammelt wie es nur ging und uns dann alles sehr gewissenhaft angesehen – jedes einzelne Konzert, jeden einzelnen Ton. Das macht übrigens mehr Arbeit als man denkt. Wir haben das wahnsinnig unterschätzt. Ein Konzert wurde zum Beispiel von sieben Leuten gleichzeitig gefilmt und wir haben dann versucht, aus den tonnenweise Terabyte an Daten das geilste Live-Feeling auszuwählen. Es war Wahnsinn, man kam zu nix anderem mehr. Wir mussten die Arbeit dann aufteilen – hat sich aber am Ende total gelohnt.

Zumal Madsen ein Live-Phänomen ist. Eure Songs sind auf der Bühne noch dynamischer als auf den Studioalben. Wie erklärt ihr euch das?

Naja, schwer zu sagen, aber da ist auf jeden Fall was dran. Auf Tour merken wir manchmal, dass wir die Alben letztendlich machen, um sie live so zu präsentieren wie wir sie eigentlich meinen. Für das Video hatten wir die Hilfe des großartigen Dennis Dirksen, der bei fast jedem unserer Konzerte dabei war und mittlerweile auch ein richtig guter Freund der Band ist. Er kann dieses Feeling einfangen wie kein anderer. Und dafür filmt er auch gar nicht so gerne von der Bühne aus. Der schmeißt sich mit seiner Kamera lieber in die Menge rein. Und das ist eben auch die Energie, die das Live-Video transportiert – das Gefühl, mittendrin zu sein. Man sieht Schweiß fliegen, man sieht Freude, Euphorie, Tränen und Anstrengung – eben so, wie es auf einem Madsen-Konzert ist.

  

Nach 15 Jahren kennt ihr eure Stärken.

Mittlerweile, ja. (lacht) Wir haben unsere Alben natürlich auf unterschiedliche Art und Weise aufgenommen, aber am geilsten wurden sie immer dann, wenn wir uns zu viert in einen Raum gestellt, alles auf Tonband aufgenommen und die Aufnahme dann so wenig wie möglich bearbeitet haben. Ganz einfach, weil das Live-Feeling dann am ehesten eingefangen wurde. Auf diese Weise ist ja auch „Nachtbaden“ entstanden: An diesem Tag haben Sebastian und ich zu zweit Demos gemacht und ich war eigentlich schon im Bett, als ihm unter der Dusche der Song einfiel. Wir haben dann noch ein Bier getrunken und innerhalb von eineinhalb Stunden diese Demo reingekloppt. Und der Gesang von dieser Stimmung, dieser biergeschwängerten Aufnahme, den konnten wir nie reproduzieren. Am Ende ist das, was wir nachts zu Hause ins Mikro gebrüllt haben, das gewesen, was es auf die Platte geschafft hat.

  

Ist der Mosh-Pit für Frauen auch so eine spontane biergeschwängerte Idee gewesen? 

Ja, da schimpfe ich immer mit Sebastian, wenn er das nicht macht. Weil ich die Idee echt mega toll finde und weil wir da von den Ladys auch echt viel positives Feedback für bekommen. Sie sagen, dass sie es eben sonst oft nicht machen können. Im Frauen-Mosh-Pit können sie sich ganz anders gehen lassen, weil sie wissen, dass da kein Typ mit Ellenbogen rumwütet. Die Idee kam uns wie häufig spontan – ja, spontan entstehen immer die besten Sachen. Übrigens auch so eine Sache, die Madsen-Konzerte ausmacht: Es ist ja keine durchprogrammierte Show:  Jedes Lied gleich spielen, das wäre für uns nicht vorstellbar. Das Tempo muss mal schwanken, die Songs müssen mal wackeln. Fehler sind erlaubt. Wir sind nur Menschen. Da kann man sich auch mal furchtbar verholzen. Das gehört zu einem Madsen-Konzert absolut dazu! Wir spielen ohne Click auf dem Ohr und ziehen Lieder auch gerne mal in die Länge. Wir treffen manchmal Rockbands, die uns dann fragen, wie wir das machen. „Na, wir machen das dann halt einfach.“

Du verlässt deinen Platz am Schlagzeug ja auch gerne spontan, um die erste Strophe von Nachtbaden zu singen. Auf eurem Instagram-Account wurde zuletzt eine Anspielung auf ein Soloalbum gemacht – nur ein Scherz, oder?

(lacht) Ja, nee, das war, weil ich jetzt in London über die Abbey Road gegangen bin. Sebastian betreut unseren Instagram Account und hat sich da einen Spaß erlaubt. Ich gehöre hinter die Schießbude! Aber ich find’s auch mal gut, da für ein halbes Lied vorne rumzutanzen.

„Nachtbaden“ selbst, ein Song vom dritten Studioalbum „Krieg und Frieden“ 2008, ist ja mittlerweile ein Klassiker. Kennt ihr diese zwanghafte Samstagabend-Ausgehpflicht, die ihr da besungen habt, überhaupt noch?

Ich denke oft, dass ich es nicht mehr kenne und dann erwische ich mich doch manchmal dabei. Es wird natürlich immer seltener, weil ich ja mittlerweile auch Kinder habe. So ganz verschwinden will das Gefühl aber dann doch nicht. 

Aber auf Konzerte gehst du schon noch, oder?

Ich liebe es auf Konzerte zu gehen. Mein letztes war Heather Nova in Wien im Porgy & Bess – das ist so ein Jazz-Laden.

  

Und dein erstes?

Mein erstes Konzert war 1995 – eigentlich ein Festival, das es bei uns im Wendland für den Widerstand veranstaltet wurde. Damals waren die Toten Hosen Headliner – ein mega Highlight für einen Elfjährigen. 

Stehst du dann eigentlich in der ersten Reihe, tanzt und pogst oder entspannst du lieber ganz gemütlich am FOH?
Entspannt am FOH mit Bier in der Hand und der Kopf wippt – das ist mein Style. Aber natürlich war ich auch schon bei den Deftones in der ersten Reihe und habe bis zur völligen Erschöpfung auf Festivals gepogt – Das macht man so, wenn’s das erste mal vom Dorf nach Hamburg oder Berlin auf ein Konzert geht. Wir wollen ja auch, dass die Leute, wenn sie wollen, auf unseren Konzerten ausrasten und eskalieren. Und wenn man diese Phase nicht selbst mal gehabt hat, dann ist es schwer dem eigenen Publikum das zu ermöglichen.

Live kämpft ihr immer wieder offen gegen Rassismus, insbesondere gegen die AfD. Hast du eine Meinung zu den Vorkommnissen in Thüringen?

Ja, ich finde, das ist eine absolute Schande. Mich macht es traurig und wütend, dass sich ’ne Partei von der AfD, oder den Nazis, was man ja mittlerweile einfach sagen kann, so instrumentalisieren lässt. Ich habe mir das teilweise erlesen und auch erklären lassen müssen, um zu verstehen, was da passiert ist und wie es sein kann, dass eine Partei, die gerade einmal die 5%-Hürde geschafft hat, auf einmal den Ministerpräsidenten stellt und wer diesen gewählt hat. Und das da die komplette AfD-Fraktion dahintersteht – das ist unglaublich. Es ist so wahnsinnig  dumm, sich auf so einen gefährlichen Deal einzulassen. Also wirklich dumm, dumm, dumm. Das darf eigentlich nicht gehen.

© Dennis Dirksen
 

Zeigt aber, wie wichtig eure Statements sind – auch nach 15 Jahren Madsen . Was ist eigentlich dein Lieblingssong?
Wir sind ja schon wieder fleißig am Demos schreiben für die neue Platte und es wäre ja jetzt wohl gemein, eines von diesen Liedern zu nehmen. Also sage ich, weil ich bei dem Song auch mal vorne ans Mikro darf: „Nachtbaden“. Und ansonsten liebe ich es nach wie vor „Sirenen“ zu spielen, weil das vom Schlagzeug her so mit am anspruchsvollsten ist.

  

Witzigerweise habt ihr neben euren sieben Alben auch schon zwei Kochbücher veröffentlicht. Zuletzt habt ihr dem Spaghetti-Carbonara-Rezept sogar ein Band-Shirt gewidmet. Wessen Lieblingsessen ist das?

Das ist Sebastians Lieblingsessen. Und das Rezept hat sich angeboten, weil wir die Idee hatten, dieses Shirt von Joy Division zu kopieren – also diese Wellen, die auf dem Original dargestellt sind, durch Spagetti zu ersetzen. Eigentlich wieder so eine völlige Schnapsidee, in diesem Fall von unserem Manager, als er mal Schnaps getrunken hat. Und dann ist es aber auch lustig, solche Sachen in die Tat umzusetzen.

  

Mit Madsen-Shirt auf eurer Konzert – ja oder nö?

Auf jeden Fall. Ich habe auf Slayer-Konzerten immer ein Slayer-Shirt getragen. Zum einen, weil man sich als Shirt-Träger mit der Band verbunden fühlt und aus Bandsicht kann ich sagen, freut man sich auch, wenn man viele Madsen-Shirts im Publikum sieht. Was wir nicht so verstehen ist diese Faszination Tour-Shirt. Der Grund muss ja sein, dass die Leute eine Erinnerung an den Abend haben wollen, aber irgendwie … ja, irgendwie sehen die ja doch immer recht gleich aus. Ich selber habe sehr wenig Tour-Shirts – außer eins von Slayer. (lacht)

Am 16. Januar 2021 dürfen die Leipziger auch endlich wieder in ihre Madsen-Shirts schlüpfen, um euch zum ersten Mal im Haus Auensee zu erleben. Das Werk 2 weint.

Wir lieben das Werk 2 – überhaupt keine Frage. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie oft wir da schon gespielt haben. Aber das Haus Auensee war trotzdem immer auch so ein Ziel von uns, der nächste Schritt quasi. Deswegen finden wir das ziemlich geil.

Wobei viele Bands Probleme mit dem Hall haben!
Das kenne ich. Ich habe auch schon Konzerte verlassen, weil ich nichts gehört habe und da nur Brei von der Bühne kam. Aber da haben wir absolutes Vertrauen in unseren Ton-Mann. Erstens ist er auch alt und zweitens hat er so viel Erfahrung – er hat auch schon Sporthallen gut klingen lassen. Und der weiß uns auch anzupacken. Der weiß haargenau wie das Schlagzeug dann in diesem Raum klingen muss.

Und wenn keiner Zugabe ruft, spielt ihr dann trotzdem eine?

Nö. Wenn keiner Zugabe ruft, dann nicht. Haben wir auch schon gemacht, ist aber lange her. Wir schreiben unsere Set-Listen und wenn’s keiner ruft, gibt’s keine.

  

Und was genau wird sich auf der Jubiläumstour verändern? Alte Klassiker spielt ihr ja immer gerne!

Der Schwerpunkt liegt einfach noch mehr auf den kompletten 15 Jahren. Auf der „Lichtjahre“-Tour haben wir den Fokus schon mehr auf die neuen Sachen gelegt, also drei, vier Lieder mehr vom letzten Album gespielt. Und normalerweise geht ein Madsen-Konzert so 90 bis 100 Minuten. Aber auf der Jubiläumstour werden wir die zwei Stunden jeden Abend schon voll kriegen, denke ich.

  

Nach Konzerten greifst du gerne zu regionalen Bier-Spezialitäten. Gibt’s in Leipzig Sterni?

Das trinke ich, wenn es nix anderes mehr gibt. (lacht) In Sachsen trinke ich häufig Helles. Was dort natürlich nicht gebraut wird, aber was es da viel gibt. In London habe ich jetzt tatsächlich mal Pale Ale getrunken. Was mir hier nicht schmeckt, aber da lustigerweise schon.

© Madsen
 

In der ersten Reihe stehen, mit dem Kopf wippen oder vor lauter Freude weinen, dürft ihr am 16. Januar 2021, wenn Madsen ab 20 Uhr das Haus Auensee rocken. 

Tickets gibt es im VVK für ca. 41 € bei eventim.

PS: Die Jubiläumstour wird geil, weil …

wir mega heiß sind! Wir haben ein super Bühnenbild, das auch lustig ist. Und wir haben vor allem Bock, die heißesten Live-Kracher aus 15 Jahren Madsen zu spielen. 

urbanite verlost 3×2 Tickets für das Madsen-Konzert am 16. Januar 2021 im Haus Auensee sowie zwei signierte CD-/DVD-Sets  – LICHTJAHRE LIVE. Mit einem Klick landet ihr unserem Gewinnspiel-Bereich.