Kinder gehören in die Schule, nicht in die Küche! Filmkritik: Urmila – Für die Freiheit

Mit 6 Jahren wurde sie als Haushaltssklavin verkauft, heute kämpft die junge Nepalesin Urmila für die Freiheit anderer Sklavenmädchen.

Urmila Chaudary ist 6 Jahre alt, als sie von ihren Eltern als eine Kamalari, eine Haushaltssklavin, verkauft wird. Das kleine Mädchen muss seine Heimat im Süden Nepals verlassen, um in der Hauptstadt in dem hermetisch abgeschotteten Haus einer Politikerin zu schuften. Nachdem ihr 12 Jahre später die Befreiung gelingt, setzt sie sich kompromisslos für andere Sklavenmädchen ein. Die Deutsche Regisseurin Susan Gluth hat die junge Nepalesin bei ihrem Kampf gegen die zementierten Strukturen einer sturen Gesellschaft begleitet.

© Susan Gluth

  Mehr Hoffnung als Tragik 

Trotz seines bedrückenden Themas ist „Urmila“ eigentlich ein Film der Hoffnung und des Aufbruchs. Über 13.000 Mädchen hat Urmila Chaudary bisher befreien können. Dabei muss sie gegen ein Gesellschaftssystem antreten, dessen Wurzeln sich durch alle sozialen Schichten ziehen: vom einfachen Bauern bis zum angesehenen Politiker. Die in Nepal offiziell abgeschaffte Sklaverei ist ein flächendeckendes Problem. Die Zusammenhänge sind dabei oft tragisch. Arme Familien verkaufen ihre Töchter für einige Jahre in die Sklaverei, um bspw. an Geld für lebenswichtige Medikamente zu kommen. Die Schlepper locken mit leeren Versprechungen: Nur ein paar Stunden leichte Arbeit hätten die Mädchen zu erledigen. Vielleicht könnten sie auch zur Schule gehen. Umso beeindruckender ist der Kampfgeist der damals 23-jährigen Nepalesin, die sich so entschlossen gegen diese Verhältnisse auflehnt.

© Susan Gluth
Der Film geht dramaturgisch einen zunächst ungewohnten Weg. Ohne einleitende Worte werden dem Zuschauer Szenen vorgesetzt, deren Kontext sich erst nach und nach erschließt. Diese teils nur mit einer Handkamera und verdeckt, ohne Drehgenehmigung aufgenommenen Bilder zeigen Urmila in ihrem Alltag. Ob bei der Rettung verschleppter Mädchen, beim Besuch im Haus für ehemalige Kamalaris oder dem Lernen für das Jurastudium – in Urmilas Gesicht spiegelt sich dabei stets eine traurige Entschlossenheit wieder. Die Kamera ist dabei hautnah am Geschehen und zeigt auch Rückschläge und Krisen im Leben der Widerstandskämpferin.

 Popcorn weg und mitgedacht!  

© Susan Gluth
Der Film verlangt dem Kinobesucher von heute so einiges ab. Wo andere Dokumentationen den Zuschauer an die Hand nehmen und mit charismatischen Sprechern von Szene zu Szene leiten, bekommt ihr bei „Urmila“ rohes, unkommentiertes Filmmaterial in durchmischter Qualität vorgesetzt. Das führt teilweise zu Orientierungsschwierigkeiten und hinterlässt oft mehr Fragen als Antworten. Wer es dennoch schafft, das Popcorn beiseite zu stellen und die grauen Zellen anzuschmeißen, bekommt einen absolut authentischen Eindruck des fernen Landes und seiner Einwohner. Viele Details, wie etwa die Lebensumstände in der Sklaverei, liegen quasi zwischen den Bildern und erschließen sich dem Zuschauer nur durch aufmerksames Beobachten. Ist man einmal eingetaucht, regt der Film zur Reflektion über das eigene Leben an. Was ist eigentlich tatsächlich wichtig? Was ist uns unsere Freiheit wert? Angesichts des Einblicks in dieses fremde Leben fernab unserer Realität verkneift man sich vielleicht den einen oder anderen Seufzer anlässlich einer verspäteten S-Bahn oder wenn das W-LAN mal wieder streikt. Diese wertvollen Gedanken sind allerdings hart erkämpft. Eine Erwähnung ist auch die Filmmusik von Dominic Miller wert. Die meist nur mit ein, zwei Gitarren instrumentieren Stücke fügen sich hervorragend in die organische Atmosphäre Nepals ein und schlagen auch mal angenehm fröhliche Töne an.

Fazit: Kein Film zum Abschalten. Wer aber ausreichend Motivation und Hirnkapazität mitbringt, bekommt die Chance, seinen Horizont zu erweitern.

Kinostart: 26. Mai 2016