"Ich war nie ein Mainstreamtyp" Funny van Dannen über unerwünschte Prominenz und vergessene Liedtexte

Wir sprechen mit Funny van Dannen u.a. über seine Lieder, die er nicht auswendig kann, den Schlendrian bei rechten Tendenzen und unerwünschter Prominenz.

© Amelie Losier
Funny van Dannen lebt seit 1978 in der Hauptstadt, war aber als Musiker und Autor schon des Öfteren in Leipzig zugegen. Bevor er wieder hier auftritt, sprachen wir mit dem Liedermacher u.a. über seine Lieder, die er nicht auswendig kann, den Schlendrian bei rechten Tendenzen und nicht erwünschte Prominenz.

Funny, kannst du dich an deine letzten Aufenthalte in Leipzig erinnern?

In bin immer besonders gern in der Schaubühne aufgetreten und habe es sehr bedauert, dass es dort irgendwann nicht weiterging. Das Werk 2 ist natürlich auch ok, aber ich fand die Schaubühne schon sehr einladend. Ansonsten besuche ich echt selten andere Städte und kenne mich daher in Leipzig gar nicht aus. Ich fand es trotzdem immer sehr angenehm, hier zu spielen und war nach meinem letzten Auftritt sogar mit einem Kollegen in so einer Kneipe. Das hatte was: Junge Leute und ein bisschen hat es mich tatsächlich auch an Berlin erinnert. Ursprünglich komme ich aber aus Tüddern, einem ganz kleinen Dorf an der Grenze zu Holland. Berlin wurde es damals, weil der Bruder meiner damaligen Freundin dort wohnte. Köln oder Düsseldorf wären rückblickend naheliegender gewesen, vor allem wegen der Kunst. Aber ich fand Berlin so toll, dass ich da nicht groß nachgedacht habe. Nichtsdestotrotz bin ich nach wie vor sehr mit meiner Heimat verbunden, allein schon wegen des Dialektes und der Muttersprache. Wenn man ein Junge vom Dorf ist, bleibt man im Herzen ein Dorfkind. 

Seit du in Berlin lebst , hast du sage und schreibe 14 Alben herausgegeben. Wie legst du bei so vielen Songs fest, welche du zusätzlich zur aktuellen Platte auf der Bühne vorträgst? 

Ach, das spielt sich über die Jahre ein. Man bekommt ein Gefühl dafür, welche Lieder von dem Publikum gehört werden wollen – besonders durch Zurufe. Ich tue den Leuten gern den Gefallen Lieder zu spielen, die sie hören wollen. Zum Beispiel: „Eurythmieschuhe“, „Rottweiler“, „Menschenverachtende Untergrundmusik“ oder „Kapitalismus“. Es gibt zwar manche Songs, die man zeitweilig nicht so gerne spielt oder die in Vergessenheit geraten sind, aber ansonsten erfülle ich dem Publikum gerne Musikwünsche. Manchmal ist es aber leider unmöglich, da ich die Texte nicht im Kopf habe. Ich muss sie immer vor mir auf einem Blatt Papier stehen haben. Wenn ich einen Text nicht im Gepäck habe, kann ich dem Publikum den Gefallen nicht tun. Ich kann leider nicht jedes Lieblingslied spielen.

Bei vielen Künstlern lässt sich beobachten, dass sich der Klang ihrer Musik im Laufe der Jahre verändert. Bei dir ist das gar nicht der Fall, dabei bist du jetzt schon so lange in diesem Genre aktiv. Hast du jemals darüber nachgedacht, etwas an deiner Musik zu verändern?

In meiner Jugend habe ich natürlich schon verschiedene Musikrichtungen durchprobiert. Es hat sich aber immer wieder gezeigt, dass das Zusammenspiel mit anderen Künstlern meine Musik nicht bereichert. Bei der vorletzten Platte habe ich Songs mit Sascha Hörold aufgenommen – das war ein gutes Gefühl, passte aber auch gut zusammen. Meist hatte ich dieses Gefühl in der Vergangenheit nicht und dann bleibe ich lieber alleine. Es hängt aber auch von den Künstlern ab, die man trifft. Grundsätzlich bin ich für alles offen. Wenn ich auf dem Dorf geblieben wäre, hätte ich vielleicht dort mit Freunden Musik gemacht, aber in Berlin war alles anders. Man traf Leute, die wieder verschwanden und dann lernte man eben wieder neue kennen. Das war damals eine irre Fluktuation, sehr turbulent. Daher finde ich es bewundernswert, wenn so eine lang andauernde Verbindung von Künstlern entsteht, wie bei den Toten Hosen oder den Ärzten beispielsweise. Dass ich mir am Ende selber treu geblieben bin, wird wohl an der Art von Musik liegen, die ich mache. Meine Folkmusik ist nun mal relativ einfach und wiederholt sich in ihren Mustern. Daher kann ich nachvollziehen, dass manche meine Lieder auf Dauer eintönig finden. Ich habe Verständnis dafür, dass sie nicht jede Platte von mir haben wollen.

Umso vielseitiger bist du, was deine Liedthemen anbelangt. Manchmal hat es den Anschein, du kannst über alles singen, sei es über soziale Missstände, Politik, die Liebe oder eben über Fußball. Du bildest dir gerne eine Meinung und hast kein Problem damit, sie in deinen Liedern künstlerisch zum Ausdruck zu bringen. Aber dann gibt es wieder Songs, in denen singst du einfach nur über ein Hochhaus mit wehendem Haar oder einen Plastikball. Was inspiriert dich?

Ach da stecken keine Überlegungen dahinter, das kommt mir einfach so in den Sinn. Manchmal ufert das halt aus. Oft komme ich auch über eine Zeichnung zu einer Idee. Womöglich habe ich mal ein Hochhaus mit wehendem Haar gezeichnet und hab dann ein Lied darüber geschrieben. Grundsätzlich lege ich keinen Wert auf übergreifende Themen – ich habe nur den Song im Blick. Gottfried Benn hat mal gesagt: „Versuche nicht deine Persönlichkeit zu vervollkommnen, sondern jedes Einzelne deiner Werke.“ Auf diese Weise konzentriere ich mich auch in meinen Liedern auf die Einzelheit. Meinem Album liegt kein Konzept zu Grunde. Ich sehe zu, das jeder einzelne Song gut wird und das Thema dreht sich dann um das Gefühl, wie es mir als Mensch in unserer Zeit ergeht. 

Funny, du bist ein Künstler mit einer klaren politischen Haltung. In Sachsen, generell in Deutschland haben wir zunehmend Probleme mit Fremdenhass. Auch in Berlin zog die AFD kürzlich in den Landtag ein. Wie verarbeitest du diese Entwicklungen in deinen Liedern? 

Speziell über die AFD habe ich noch keinen Song geschrieben. Aber ein Lied meines ersten Albums enthält die Textzeile „mit Nazis diskutieren“ und das war schon damals ironisch gemeint. Ich war schon immer der Auffassung, dass es keinen Sinn macht, eine gewisse rechte Haltung zu akzeptieren beziehungsweise mit Vertretern dieser Haltung zu diskutieren. Man hätte von Anfang an sagen müssen: Das geht so nicht. Stattdessen wurde Schlendrian getrieben. Mittlerweile ist der Song über 20 Jahre her. Die Versäumnisse habe ich auch zu Hauf angesprochen. In dem Song „Vaterland“ singe ich davon, dass der Mensch lieber mit dem Nazidreck aufhören soll als sich über Graffitis aufzuregen. So ein Thema nervt den Deutschen, aber leider mehr als rechte Tendenzen. Was Fremdenhass anbelangt, habe ich also eine klare Haltung, die ich im Leben genauso vertrete wie in meiner Kunst. Gerade in Deutschland finde ich es skandalös, dass Menschen immer noch Sympathien für rechtes Gedankengut haben können – das ist menschenverachtend. Doch leider scheint es auch momentan wieder „Mode“ zu sein. Mir war klar, dass in unserem Land ein großer Anteil an Menschen mit bedenklichen Ansichten lebt und habe daher noch nie eine hohe Meinung vom Volk oder dem Volksinstinkt gehabt. Es gibt schlichtweg Menschen, die so dumm sind und auf die rechten Rattenfänger reinfallen. Man darf die Augen vor der Realität nicht verschließen und muss verstehen, dass nicht alle Menschen einsichtig und mitfühlend genug sind, um eine friedliche Gesellschaft zu gewährleisten. Ich empfinde nicht den geringsten Anflug von Sympathie oder Verständnis für diese Verbrecherbanden. Mit meinen Liedern will ich die Gedanken und die Diskussionen der Menschen anregen, möchte ein Umdenken bewirken und zwar in die richtige Richtung.

Du bist ein unglaublich kreativer Mensch, du schreibst, singst und zeichnest. Trotzdem gibt es so viele Menschen, die noch nie etwas von dir oder deiner Kunst gehört haben. Es wird behauptet, dass du dich selbst als „widerwilliger Prominenter“ bezeichnest. Wolltest du wirklich nie berühmt werden?

Naja, es war schon irgendwie gewollt, aber ist vor allem so gekommen. Meine ersten Platten, die ich produziert habe, waren so dürftig – das war nicht von mir gewollt. (lacht) Das hing einfach damit zusammen, dass meine Plattenfirma nicht so viel Geld hatte und wir nur Live-Aufnahmen machen konnten. Mir war das schnuppe! Mir war damals wichtig, ein Lied fertig zu bekommen und vor dem Publikum zu singen. Der ganze Rest wie Plattenproduktion hat mich nicht interessiert. Damals dachte ich, meine Lieder können ja trotzdem im Radio gespielt werden. Ich war völlig weltfremd. Mir war nicht bewusst, dass die Songs dafür trotzdem eine bestimmte Aufnahmequalität und ein spezielles Hörformat aufweisen müssen. So sind meine Lieder nie im Hörfunk aufgetaucht, was zur Folge hatte, dass ich auch kein großes Publikum erreicht habe. Wer weiß, vielleicht wären meine Lieder sonst populärer – ich hätte nichts dagegen gehabt. Trotzdem scheue ich mich davor jeden Mist mitzumachen. Ich bin nicht Künstler geworden, um berühmt zu werden, sondern um meine Kunst zu machen. Das ist bis heute so. Der Spaß steht bei meiner Arbeit im Vordergrund. Das Gefühl, dass ich mit meinem Kunstwerk über den Menschen in der heutigen Zeit aussage, sei es ein Bild, ein Lied oder eine Geschichte, das ist mir wichtig. Ich war nie ein Mainstreamtyp! Mehr als 1.000 Zuschauer ist zu viel Publikum, tut meiner Kunst nicht gut und zerstört die gewisse Intimität auf meinen Konzerten.

Info: Am 17.11.2016 ist Funny van Dannen wieder in Leipzig zu Besuch. Im Schlepptau hat er seine brandneuen Songs des aktuellen Albums „come on – Live im Lido“ und weitere lustige Anekdoten aus seinem Leben. Ab 20 Uhr könnt ihr den Liedermacher auf der Bühne des Werk 2 erleben.