Interview mit 90elf-Pressesprecher Nico Nickel Fußball-Radio 90elf wird eingestellt – trotz bestem Konzept

90elf muss offline gehen. Trotz bestem Konzept konnte sich Deutschlands einziges Fußball-Radio bei der Ausschreibung der Audio-Verwertungsrechte an den Bundesliga-Spielen nicht durchsetzen. Wir sprachen mit 90elf-Pressesprecher Nico Nickel über mögliche Gründe und ob noch eine Chance für eine Wiederaufnahme von 90elf bei der nächsten Lizenzvergabe besteht.

90elf muss offline gehen. Das einzige Fußball-Radio Deutschlands konnte sich bei der Ausschreibung der Audio-Verwertungsrechte an den Bundesliga-Spielen für die kommenden vier Spielzeiten ab der Saison 2013/2014 überraschend nicht durchsetzen. Die Lizenzrechte liegen nun bei Sport1. Wir sprachen mit dem 90elf-Pressesprecher Nico Nickel über mögliche Gründe und ob noch eine Chance für eine Wiederaufnahme von 90elf bei der nächsten Lizenzvergabe besteht.

© 90elf
Wie ist gerade die Stimmung bei euch in der Redaktion?
Kann man eigentlich mit einem Wort beschreiben: Beschissen! Die Enttäuschung ist natürlich riesengroß. Wie das eben so ist bei solchen Themen, wenn so ein Projekt langfristig aufgebaut wird – mit viel Herzblut und ein sehr junges Team, das viel von sich in dieses Projekt eingebracht hat. Wenn so etwas dann abrupt zu Ende ist, kann sich jeder vorstellen, dass das wenig Vergnügen bereitet. Aus vielerlei Gründen ist die Enttäuschung groß, weil das Team natürlich auch auseinander gerissen wird. Das ist nicht einfach.

Wie kann man sich so eine Lizenzbewerbung vorstellen?
Es ist ein relativ umfangreiches System. Mit einfachen Worten: Man wird von der Ausschreibung informiert und bekommt die entsprechenden Unterlagen von der DFL (Deutsche Fußball Liga, Anm.d.Red.), die man ausfüllen muss. Innerhalb einer Frist muss man ein entsprechendes Gesamtkonzept abgeben, was sowohl inhaltlich, redaktionell und technisch aufgestellt ist, und dann natürlich auch das entsprechende Finanzangebot für diese Rechte abgeben.

90elf lebt vom Fußballcontent. War es denn nicht gefährlich darauf zu setzen, immer die Lizenz für Übertragungen zu bekommen? Oder hatte man 90elf im Vornherein diese einmal zugesichert?
Natürlich bestand immer die Gefahr, dass man im Ausschreibungsverfahren am Ende nicht den Zuschlag bekommt, sondern andere – und dessen waren wir uns auch bewusst. Wir haben natürlich in den vergangenen Jahren sehr gut mit der DFL zusammengearbeitet, was aber keine Garantie für eine Fortführung der Zusammenarbeit war, die wir auch nie bekommen haben. Es ist auch kein böses Blut geflossen – im Gegenteil: Es war von Anfang an klar, bei einem Ausschreibungsverfahren besteht die Möglichkeit, dass wir die Rechte für die nächsten 4 Jahre nicht bekommen werden.  

Ist bei dieser Lizenzbewerbung am Ende „nur“ Geld ausschlaggebend oder auch andere Kriterien?
Das müssen Sie die DFL fragen.

Es gab keine Begründung, warum der Zuschlag nicht noch einmal an 90elf ging?
Also wir wissen – und da haben wir auch eine ganz breite Brust – weil wir auch die Erfahrung von 5 Jahren haben, dass wir mit Sicherheit das beste inhaltliche Konzept abgegeben haben. Wir kennen zwar die anderen Konzepte nicht, die kennt nur die DFL, wir wissen aber, dass unser Konzept sehr, sehr gut war. Insofern müssen wir davon ausgehen, dass letztendlich in dem Fall das Geld tatsächlich eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat. Wobei ich das natürlich nicht 100%ig wissen kann.

Gibt es eine geringe Chance, dass sich das Projekt wiederholt und bei der nächsten Lizenzvergabe ab 2017/2018 wieder bewirbt?
Diese Chance geht gen Null.

90elf steht also vor dem endgültigen Aus?
Sie müssen sich vorstellen, wir haben in den letzten Jahren, neben Arbeit und Kraft, auch viel Geld in dieses Projekt investiert. Nun müssen wir das einstellen. Das ganze Team wird in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Wir würden de Facto in vier Jahren wieder bei Null anfangen. Ich glaube nicht, dass unsere Gesellschafter und Geschäftsführung sagen würden: ’Yo, einmal Pech gehabt, jetzt versuchen wir es wieder’. Das werden sie nicht tun.

Wie viele Mitarbeiter gibt es, und was passiert nun mit ihnen?
Das Team an sich hatte 15 Festangestellte. Und nochmal so viele freie Kommentatoren, die am Wochenende die Spiele mitkommentiert haben. Direkt betroffen sind jetzt 12 festangestellte Mitarbeiter, für die bei 90elf keine weitere Mitarbeit möglich ist. Es werden natürlich Gespräche geführt, was es eventuell noch für Möglichkeiten im Haus (Regiocast Digital, Anm.d.Red.) gibt.

Die bundesweiten DAB+-Kapazitäten sollen für ein neues Radioprogramm weiter genutzt werden. Gibt’s da schon Ideen?
Nein. Wie gesagt, wir sind ja mit breiter Brust in diese Ausschreibung reingegangen. Wir sind fest davon ausgegangen, dass wir mit unserer Bewerbung die Rechte auch zukünftig wieder ergattern werden. Insofern hatten wir keinen fertigen Plan B im Schrank. Wir werden uns jetzt die nötige Zeit nehmen und in den nächsten Wochen und Monaten ein neues Konzept entwickeln.

Seit 1. August 2008 war 90elf auf Sendung. Ab wann hatte es sich wirtschaftlich rentiert?
Wirtschaftlich rentiert hat es sich bislang überhaupt noch nicht. Dieses Jahr war das erste Jahr, wo wir mit unserem Business-Plan am Jahresanfang davon ausgehen konnten, dass wir dieses Jahr zum ersten Mal den Break Even schaffen, also operativ schwarze Zahlen schreiben werden. Das heißt, in den vergangenen 4 Jahren war es ein reines Investitions-Projekt, zwar mit immer besser werdenden Kennzahlen, aber Wirtschaftlichkeit hätten wir tatsächlich dieses Jahr zum ersten Mal erreicht – wenn es weiter gegangen wäre. Was die Hörerzahl anbelangt, die sind stetig gewachsen, da haben wir wirklich überhaupt keine Sorge gehabt.

Was können die Hörer bei der letzten Übertragung erwarten, wird es eine besondere Abschiedssendung geben?
Ich kann dazu noch nichts Besonderes sagen. Ich habe von der Redaktion noch nichts gehört diesbezüglich. Es kann durchaus sein, dass dann nochmal ein Dankeschön und Auf Wiedersehen zu hören ist. Aber grundsätzlich wird es eine ganz normale Fußballübertragung sein.

Live-Fußball auf 90elf – die letzten Übertragungen:

 

90elf wird am 1. Juni 2013 das DFB Pokalfinale Bayern München gegen VfB Stuttgart ab 20 Uhr live kommentieren.
Die letzte Live-Übertragung ist ein Tag danach, am 2. Juni 2013 das Relegationsrückspiel Hessen Kassel gegen Holstein Kiel um 14 Uhr.

Info: Regiocast Digital ist ein Tochterunternehmen des deutschen Radiounternehmens Regiocast, das an zahlreichen Radiosendern wie apollo Radio und Radio SAW beteiligt ist. Die Sender Radio PSR, R.SA, Radio Schleswig-Holstein und Radio BOB! sind im kompletten Eigentum der Regiocast.