Klinke auf cinch: „Four“ & Trümmer: „Interzone“ Hingehört – Plattenkritik: Klinke auf Cinch und Trümmer

Es gibt wieder was zu lauschen. Diesmal durften sich unsere Ohren den elektronischen Klängen von Klinke auf Cinch und dem Debüt von Trümmer hingeben.

Hingehört I:

Vier gewinnt: Klinke auf Cinch – „Four“

© Grit Hiersemann

Das Thüringer Electronica-Kollektiv Klinke Auf Cinch veröffentlicht nach vier Jahren erstmals wieder vier neue Songs auf seinem insgesamt vierten Vinyl-Release – und das alles im vierten Monat des Jahres. Nach vielen Remixen gibt es also frisches Material des Jenaer Projekts um Mastermind Clemens Kynast. Für jeden Track wurde eine Vocal-Unterstützung ins Studio eingeladen, sodass sich zwar ein homogener Soundteppich über die knapp viertelstündige Spielzeit erstreckt, die Abwechslung am Mikro aber dennoch jeden Titel zu etwas Besonderem macht. Während unaufgeregte Harmonien und langsame, tiefe Bässe die Atmosphäre der Platte entschleunigen, setzt Kynast mit klackerndem Gefrickel immer wieder rhythmische Kontrapunkte, um den Drive der Songs und die Aufmerksamkeit der Hörer zu erhalten. Dies gelingt vor allem in „mini“ und „keen“ vorzüglich. Das zweite Stück „tett“, welches mithilfe der Gesangsleistung von Paula Akinsinde wohl den Glanzpunkt der EP darstellt, und der Abschluss „clsr“ laden mit angedeuteten Jazz-Einflüssen zum träumerischen Verweilen in der Chillout-Lounge ein.

Die volle, warme Produktion und die dazu oppositionell wirkende, kühle Maschinenmusik verstärken sich zudem gegenseitig. „Four“ ist ein leider sehr kurzes Klangerlebnis, Electronica-Fanatiker sollten sich die auf 300 Stück begrenzte Vinyl-Auflage aber keinesfalls entgehen lassen. Alternativ einfach auf dem Soundcloud-Profil von Klinke Auf Cinch vorbeischauen. 

Release: 22. April 2016 digital und in einer auf 300 Stück begrenzten Vinyl-Auflage bei analogsoul inklusive Remixen von Marbert Rocel, Freund der Familie, Duktus u.a.

Hingehört II:

Verkopfter Hedonismus: Trümmer – „Interzone“

 

© Alexandra Kinga Fekete
Musik, Sex, Paranoia und zügelloser Hedonismus – das ist die internationale Zone, getauft Interzone, laut Beat-Poet William S. Burroughs. Die Hamburger Band Trümmer begibt sich auf ihrem zweiten Album in eben jene Gefilde und das klappt trotz nordischer Steife hervorragend, auch weil dadurch die Schattenseiten nicht ausgeklammert werden. Wo sich sperrige Texte und Tanzbarkeit oft ausschließen, ist es genau diese Mischung, die die Trümmer-Musik ausmacht.

Mit Zeilen wie „Im Badezimmer schwimmen wir im Velvet Underground / von dir lass‘ ich mir gern meine Zukunft versauen“ grooven die Hamburger ungelenk Richtung Abgrund und alle planlosen Twentysomethings steigen mit ein. Man will an seiner Ideologie und seinen Prinzipien festhalten, aber irgendwie spielt die Umwelt da nicht mit. Und so sehen auch Trümmer die Idee eines geeinten Europas und die Botschaft „L‘amour toujours, L-O-V-E“ in ihrem „Europa Mega Monster Rave“ als Utopie. Was bleibt, ist die Flucht vor der Unsicherheit in Alkohol („Gin Tonic & Wodka Soda“) und Eintagsliebe („Nitroglyzerin“). Auch wenn er hinkt, es drängt sich der Vergleich mit Bilderbuch auf: Alles groovt, die Jungs haben Swag im Blut („Dandies im Nebel“) und Sänger Paul kratzt lässig Anglizismen von den Stimmbändern. Der typisch österreichische Schmäh und die Lockerheit wurden allerdings durch abgekühlte Emotionalität und verkopfte Lyrics im Stile der Hamburger Schule ausgetauscht. „Grüße aus der Interzone“ könnten aber definitiv beide Bands gemeinsam schicken.

Release: 29. April 2016