„Ich glaube für viele Außenstehende ist es erst mal nicht nachvollziehbar, wie man sich freiwillig in so ein Handballtor stellen kann“ Im Gespräch mit SC DHfK-Torhüter Jens Vortmann

urbanite spricht mit Jens Vortmann über seine verletzungsbedingte „Auszeit“, die Neuzugänge im Team des SC DHfK Leipzig für die Saison 2019/20 und wie man eigentlich dazu kommen kann, Handball-Torhüter zu werden.

Vor über einem Jahr verletzte sich Handball-Torwart und SC DHfK-Kapitän Jens Vortmann schwer am Knie und bestritt die gesamte letzte Saison kein einziges Pflichtspiel. In dieser Spielzeit greift der 32-jährige gebürtige Berliner wieder neu an und hatte bereits großen Anteil am guten Saisonstart des SC DHfK Leipzig. urbanite spricht mit Jens Vortmann über seine verletzungsbedingte „Auszeit“, die Neuzugänge im Team des SC DHfK Leipzig für die Saison 2019/20 und wie man eigentlich dazu kommen kann, Handball-Torhüter zu werden. 

© Rainer Justen
Jens, was bedeutet es für dich, dass du nun endlich nach deiner langen Verletzung wieder richtig mit dabei sein kannst?

Es ist ein tolles Gefühl, nach so langer Zeit endlich wieder auf der Platte stehen zu können. Natürlich ist man auch während der Reha-Zeit Teil der Mannschaft, aber es ist trotzdem etwas anderes, wenn man auch im Spiel dabei sein kann und nicht nur von außen zuschaut.

Ein Kreuzbandriss im Knie ist für einen Sportler eine der schlimmsten Verletzungen überhaupt. Kannst du sagen, dass du jetzt wieder voll belastbar bist?

Ich fühle mich aktuell gut, kann mein Knie gut bewegen und denke auch während des Sports nicht mehr darüber nach. Das brauchte aber natürlich ein wenig Zeit. Ich arbeite privat schon länger mit einem Sportpsychologen zusammen und der hat mich auch durch die Reha-Zeit begleitet und mir dabei geholfen. Seit der Vorbereitung für diese Saison heißt es nun wieder Vollgas geben!

Erst noch einmal ein kleiner Rückblick zur vergangenen Saison. Wie hast du die von außen erlebt?

Ich glaube, es war für alle, für jeden Spieler und die sportliche Leitung und für den Verein eine schwierige Saison. Zum einen herrschte nach dem frühen Trainerwechsel insgesamt relativ große Unsicherheit und Unruhe. Und wenn natürlich die sportlichen Ergebnisse nicht das widerspiegeln, was man sich vorgenommen hat, trägt das dazu bei. Vor allem die Hinrunde war wirklich schwer für uns. Umso toller ist es, dass die Jungs es in der Rückrunde geschafft haben, wieder auf den Pfad zu kommen, der von Anfang an geplant war. Die Rückrunde hat uns als Mannschaft wieder sehr nach vorne gebracht und ist auch eine gute Ausgangslage für diese Saison.

Wie konntest du die Mannschaft in der schwierigen Phase von außen unterstützen – auch in deiner Rolle als Kapitän?

Natürlich möchte man am liebsten mit auf dem Feld stehen. Bei solch einer langwierigen Verletzung, wie sie bei mir da war, weiß man aber auch, dass es Wochen oder Monate dauern wird, bis man wieder spielen kann. Von daher muss man sich damit arrangieren und anders helfen – einfach mit den Jungs sprechen, wenn einem was auffällt, eine positive Stimmung hochhalten, viel mehr kann man nicht tun. Generell sind wir eine Mannschaft mit eher flachen Hierarchien. Ob ich nun Kapitän bin oder nicht, darum geht es weniger, sondern es geht um die Leistung der Mannschaft.

Kann man aus solch einer schweren Verletzung, in dem Moment, wo man sie überstanden hat, eigentlich auch etwas Positives mitnehmen?

Es ist erst mal eine Situation, die man niemandem wünscht. Es war rein sportlich keine schöne Zeit. Ich hatte eine sehr langwierige und auch anstrengende Reha-Phase. Aber mit ein bisschen Abstand habe ich bemerkt, wie glücklich man sich schätzen kann, verletzungsfrei durch eine Saison oder auch durch eine ganze Karriere zu kommen. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass der Körper immer alles macht, was man gerade leisten möchte. Und ich glaube, da ist man dann nach einer solchen Verletzung etwas sensibilisierter und auch dankbarer.

  

Nach der insgesamt durchwachsenen letzten Saison lief es ja in dieser zu Beginn richtig gut (zum Redaktionsschluss drei Siege, eine Niederlage, Anm. d. Red.). Mit beteiligt daran waren auch eure Neuzugänge. Wie würdest du „die Neuen“ in den Reihen des SC DHfK als Typen beschreiben?

Ich glaube, man kann erst mal sagen, dass alle Neuzugänge gezeigt haben, wie wichtig sie für die Mannschaft sein können. Das ist erst mal etwas sehr Positives. Wir haben Marco Mamic auf Halblinks. Er hilft uns sowohl in der Abwehr als auch im Angriff weiter, vor allem auch, um Max (Maximilian Janke, Anm. d. Red.) und Flippi (Philipp Weber, Anm. d. Red.) zu entlasten. Marco bringt viel internationale Erfahrung von seinem vorherigen Verein Kielce mit. Das ist etwas, wo jeder andere bei uns in der Mannschaft von ihm noch etwas lernen kann. Natürlich muss er sich auch noch weiter ins Team reinfinden, aber bisher hat er das wunderbar gemacht.

Mit Luca Witzke haben wir einen neuen jungen Spieler, der aus Essen kommt und jetzt das erste Mal Bundesliga spielt. Für seine 20 Jahre und seine begrenzte Erfahrung auf dem Niveau macht er das schon sehr gut. Ich bin sehr angetan von dem, was er bisher bei uns gezeigt hat. Er ist spielstark und sein Potenzial, glaube ich, noch nicht im Ansatz ausgeschöpft. An ihm werden wir noch viel Freude haben.

Dann haben wir noch Viggo Kristjansson (spielte zuletzt in Wien, Anm. d. Red.). Er ist nicht der klassische Werfer aus dem Rückraum, aber hat ein tolles Spielverständnis und weiß genau, wie er seine Nebenspieler einsetzen muss. Er kann Spielsituationen sehr gut lesen. Da hilft er uns auf jeden Fall weiter.

© Rainer Justen

Mit Philipp Müller von der MT Melsungen ist ein Spieler neu, der mit seinen 35 Jahren viel Erfahrung mitbringt. Er ist ein emotionaler Typ – er spielt sehr körperlich und lässt sich durch seine vielen Jahre in der Bundesliga natürlich auch nicht so schnell aus der Ruhe bringen. So kann er in der Abwehr auch für jüngere Spieler, wenn sie neben ihm spielen, eine Stütze sein.

Und dann ist da noch mein neuer Torwartkollege Joel Birlehm. Wir bilden ein gutes Gespann. Er ist sehr ehrgeizig und hat gute Anlagen. Er ist mit 22 Jahren noch ein sehr junger, aber schon guter Torwart. Joel arbeitet intensiv an sich. Und er wird noch besser werden und in seiner Karriere, glaube ich, viel erreichen. Torwartspiel hat auch viel mit Erfahrung und Ruhe zu tun. Das kommt über die Jahre, das kann man sich nicht antrainieren.

Wie bist du eigentlich Torwart geworden?

Ich glaube für viele Außenstehende ist es erst mal nicht nachvollziehbar, wie man sich freiwillig in so ein Handballtor stellen kann. Ich mache das aber natürlich nicht erst seit gestern. Ich habe im Kindergarten mit Handballspielen angefangen, bin dann auch relativ schnell im Tor gelandet, glaube mit sieben oder acht Jahren. Damals brauchten wir jemanden fürs Tor. Ich habe mich mal reingestellt und habe mich scheinbar nicht so dumm angestellt. Dann bin ich dabei geblieben, so einfach war das. Als ich angefangen habe im Tor zu stehen, da ist der Ball bei einem Wurf aus sechs Metern noch mindestens einmal aufgekommen, bevor er bei mir ankam. Über die Jahre bin ich dann einfach mitgewachsen. Wenn man das von kleinauf macht, dann gewöhnt man sich daran. Heute macht das auch keinen großen Unterschied mehr, wenn die Bälle teilweise mit 120 km/h angeflogen kommen.

  

Eine weitere Veränderung gab es zu dieser Saison bei euch im Trainerstab. Milos Putera, im letzten Jahr noch selbst als Torwart aktiv, ist nun als Co-Trainer für das Torwarttraining zuständig. Hat sich euer Verhältnis zueinander dadurch verändert?

Wir haben hier drei Jahre zusammen das Torhütergespann gebildet, waren auf Auswärtsfahrten Zimmerpartner und ich bin schon immer sehr gut mit Milos klargekommen. Es ist für mich schön, nun jemanden auf der Trainerposition zu wissen, den man schon länger kennt und den man auch einschätzen kann. Ich finde, er macht das sehr gut. Er hat meiner Meinung nach das richtige Maß an Nähe und Distanz zur Mannschaft. Das, was er im Torwart-Training einbringt, hat für mich alles Hand und Fuß. Milos hat außerdem selbst über zehn Jahre in der Bundesliga gespielt, von daher weiß er auch ganz genau, wie er mit uns Torhütern umzugehen hat und was für Feinheiten zu beachten sind. Da sind wir sehr gut aufgestellt. In der letzten Saison hat André (André Haber, Trainer des SC DHfK Leipzig, Anm. d. Red.) noch das Torwart-Training geleitet. So wie es jetzt ist, ist es, glaube ich, auch für ihn eine Entlastung. Er kann sich nun wieder mehr auf andere Dinge fokussieren.

Momentan kann man den Eindruck gewinnen, dass in der Mannschaft und drumherum wieder alles passt, eine gute Stimmung herrscht. Natürlich hat die Spielzeit gerade erst angefangen. Dennoch schon mal die Frage: Dein Bauchgefühl, was ist diese Saison möglich?

Wir müssen uns jetzt noch in den kommenden Wochen und Monaten die Konstanz erarbeiten, die wir für so eine lange Saison brauchen. Bisher hatten wir in unseren Spielen auch immer Phasen, wo es nicht so gut lief. Unser Ziel für diese Saison ist es erst mal, einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. Im DHB-Pokal sind wir ins Achtelfinale eingezogen. Wir freuen uns, dass wir am 1. Oktober gegen Melsungen ein Heimspiel haben. Das Los hätte uns schwerer treffen können, aber auch bedeutend einfacher, zumindest gefühlt. Wir nehmen es aber ohnehin wie es kommt, freuen uns auf das Spiel und legen da alles rein. Ich glaube, dass es für jeden Spieler ein großer Anreiz ist, einmal nach Hamburg zum Pokalfinale zu fahren. Dahin wollen wir mit einem Sieg gegen Melsungen den nächsten Schritt gehen.

Danke dir an dieser Stelle schon für das Gespräch. Letzte Frage: Was sind für dich persönlich Ziele, die du noch im Handball erreichen möchtest?

Für mich ist es neben dem Sportlichen erst mal wichtig, dass ich auch gut darauf vorbereitet bin, wenn es mal irgendwann kein Handballsport mehr für mich gibt. Ich bin jetzt mit meinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens fast fertig. Es fehlt nur noch eine Prüfung und dann die Masterarbeit. Dann habe ich wieder einen großen Schritt gemacht. Das gibt mir dann auch Sicherheit neben dem Sport.

© Rainer Justen

Zum Sportlichen: Hier im Verein haben wir gesagt, dass es unser mittelfristiges Ziel ist, auch mal im europäischen Wettbewerb mitzuspielen. Dafür müssen wir am Ende mindestens Sechster werden. Das habe ich bisher noch nie mit meinen Vereinen geschafft. Es ist schon auch ein persönliches Ziel, irgendwann noch mal die Hallen außerhalb Deutschlands kennenzulernen.

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