Jan Delay: „Jetzt krieg ich halt ’n paar aufs Maul“ Interview mit Jan Delay über Facebook, RB Leipzig und Verrisse

Nasalkoryphäe Jan Delay hat wieder mal keine Lust mehr auf Altbewährtes, was Erfolg garantiert. Wir sprachen mit dem 38-Jährigen über Verrisse, das Kommentieren über Bands, die man eh scheiße findet und Zweitliga-Neuling RB Leipzig.

Nasalkoryphäe Jan Delay hat wieder mal keine Lust mehr auf Altbewährtes, was Erfolg garantiert. Den Hamburger langweilt das. Deshalb liest sich seine Musikvita auch ein wenig wie der Genre-Lebenslauf eines ADHS-Patienten: von Hip Hop zu Reggae zu Funk – und nun zu Rock. Mit „Hammer & Michel“ betritt Delay Gitarren-Territorium und wurde erstmals von Musik-Kritikern abgestraft, was den Erfolg des Albums nicht verhinderte. Wir sprachen mit dem 38-Jährigen über Verrisse, das Kommentieren über Bands, die man eh scheiße findet und Zweitliga-Neuling RB Leipzig. 

© NIls Mueller

Bei „Hammer und Michel“ gab es zum ersten Mal schlechte Rezensionen. Juckt dich das?

Überrascht war ich natürlich. Weil ich finde, dass das Album super derbe ist und ich feier „Hammer & Michel“ vollkommen ab. Das einzige, was mich daran nur genervt hat, war dass die meisten von denen das auf eine persönliche Ebene gebracht haben. Die meisten Verrisse kamen von Leuten, denen ich eh schon immer auf den Sack gegangen bin und die nie Bock auf mich hatten. Bei Rap, Reggae und Funk konnten sie halt nichts sagen, weil sie ja nicht von da kommen. Aber jetzt habe ich die Dreistigkeit begangen, mich in ihr Territorium zu wagen und jetzt krieg ich halt ’n paar aufs Maul. Dadurch dass alles so gut läuft, ich auf den Festivals spiele und die Leute das abfeiern, ist mir das jetzt inzwischen auch egal. Es sind halt Schreiber und die Menschen auf der Straße sind etwas ganz anderes. Aber ich glaube nach vor, dass diese Verrisse eher dem geschuldet sind, dass die mich einfach scheiße finden. Und das ist ja völlig ok, ich finde sie ja auch scheiße (lacht).

Du äußerst dich oft politisch auf Facebook. Siehst du das als deine Pflicht als Künstler?
Bei mir ist es so, dass ich selber von den Künstlern mit großen Idealen und Haltungen beeinflusst wurde. Bands wie Public Enemy, Udo, Rage Against the Machine oder Beastie Boys. Das hat mir sehr viel gegeben und den Jan aus mir gemacht, der ich bin. Vielleicht kann ich damit auch jemanden ein paar gute Gedanken, Ideen oder Ideale mitgeben. Das wäre aber bescheuert und vermessen zu sagen, dass jeder das machen sollte.

Deine Kommentarleisten bei Facebook sind dadurch immer voll – auch negative Kommentare.
Ich frage mich oft: Woher haben die Leute überhaupt die Zeit für das ganze kommentieren? Sich dahin zu setzen und dann irgendwelche Sachen zu schreiben, und dann noch bei Bands, die sie bestenfalls sowieso scheiße finden. Mal abgesehen davon, dass sie denken durch ihre blöden Posts, Shitstorms und Kommentare irgendwelchen Einfluss auf die Künstler nehmen zu können – das ist doch schlimm. Letztendlich sind doch die Künstler die Künstler, weil sie ihr eigenes Ding machen. Sie können sie ja dann einfach abstrafen, indem sie sagen: ‚Nö, das finde ich alles doof und deswegen höre ich nicht mehr die Mucke an und gehe nicht mehr zum Konzert’. Aber bitte nicht im Internet die ganze Zeit immer rumphilosophieren und rumkommentieren.

Du hast ja auch einen ziemlichen Shitstorm ertragen müssen, weil du als Hamburger Werder-Fan bist.
Ach, da stehe ich sowas von drüber. Das ist für mich kein Shitstorm, das ist für mich … keine Ahnung … (lacht) ein Mückenshit. Damit bin ich hier großgeworden. Ich bin Hamburger, bin hier geboren und aufgewachsen, bin aber Werder-Fan, seitdem ich mich für Fußball interessiere.

Wie kommt es, dass du Werder-Fan bist?
Als ich anfing, mich für Fußball zu interessieren, bin ich mit meinem Onkel ins Fußball-Stadion hier in Hamburg gegangen, um auch die anderen Vereine zu sehen – auch die Bayern – ich war großer Karl-Heinz-Rummenigge-Fan. Und dann stand ich in der Westkurve plötzlich zwischen den ganzen Hitlergrüßen – zum Anpfiff gab’s schön Hitlergrüße von HSV-Hools. Und das fand ich eklig. Ich wusste damals schon, was das bedeutet. Mein Papa kommt aus Oldenburg und wie das so als Kind ist, man ist viel bei seiner Oma. Deshalb bin ich dann immer in Bremen am Start gewesen. Es war auch die Zeit von Rudi Völler. Und ich war krasser Völler-Fan, außerdem fand ich auch Puma-Schuhe immer cooler als Adidas. Und das alles zusammen genommen hat dazu geführt, dass ich Werder-Fan geworden bin (lacht). Und wenn man sich einmal dafür entscheidet, ist man das ein Leben lang. Und das ist auch gut so.

RB Leipzig spielt diese Saison auch gegen den St. Pauli. Was sagst du zum neuen ostdeutschen Verein?
Naja, das was ihn so polarisierend macht, ist ja nicht dass er ostdeutsch, sondern das er ein Retortenverein ist – mit Geld gemacht. Ich weiß nicht, ich bin da zwiegespalten. Ich will auf keinen Fall in diese Schmähgesänge einstimmen.
Am Ende des Tages wollen alle guten Fußball sehen. Wir haben uns alle erst die WM angeguckt und da geht’s auch um viel Geld und viel Macht. Aber ich kenne auch nicht die Geschichte und weiß nicht, ob sie dafür einen alten Traditionsclub verdrängt haben, um dieses Ding ranzuzüchten. Ich war neulich in dem Leipziger Stadion, als Udo gespielt hat und fand das toll. Ich fand auch den goldumrandeten Zidane-Fußabdruck ganz toll. Ich habe einfach gemerkt: Man, hier hat einer Humor, ich finde das gut (lacht).
Ich bin schon mal gespannt. Ich gucke mir das dann mal an. Vielleicht kann ich in ein, zwei Jahren was dazu sagen, was ich davon halte, aber bisher war das noch nicht auf meinem Radar. Ich finde es natürlich schade, wenn sich Wolfsburg irgendwie bald in Werder Bremen umbenennen kann, weil sie uns seit 10 Jahren konstant alles wegkaufen, weil die natürlich das Geld haben – und als Werder-Fan nervt mich das, aber ich weiß trotzdem: wir sind das Original, und den Style und die tollen Fans können sie sich nicht kaufen. Nur die Spieler. Und ich bin natürlich traurig, wenn unsere Spieler alle abwandern – aber das ist dann halt so. Und wenn ich mit dem Herz rede, dann bin ich natürlich skeptisch, was so einen Verein wie RB Leipzig angeht. Klar, Geld schießt Tore – ist halt so.

Du bist absoluter Lokalpatriot – gefällt dir denn noch eine andere Stadt außer Hamburg?
Das ist überhaupt nicht schleimig gemeint, aber ich mag Leipzig wirklich sehr gerne, weil ich schon oft in Leipzig aufgetreten bin – aber eher so im Conne Island. Es ist so krass schön geworden bei euch und so geil restauriert – diese alten wunderschönen Wohnungen habe ich sehr gerne. Meine zweite Lieblingsstadt nach Hamburg ist München. Ich mag einfach Städte, die Tradition, einen eigenen Stil, einen eigenen Schlag Mensch und die auch einen eigenen Slang haben und eine eigene Mentalität.

Also bist du nicht so der Berliner Typ.
Nö. Ich liebe das alte Berlin, das hat auch eine eigenen Mentalität und einen eigenen Slang, aber seitdem es dieses Touri-Berghain-Berlin gibt, das kappt halt diese Wurzeln weg – auf einmal reden alle englisch oder spanisch. Da ist nichts mehr mit: ‚Wat? Jeh mir mal ausm Licht hier“. Das ist schade. 

Jan Delay tritt am 25. September 2014 im Haus Auensee live auf.