urbanite präsentiert Montreal im Conne Island So unpompös wie möglich – Montreal im Interview

urbanite im Interview mit Bassist Hirsch von Montreal über Politik, Lampenfieber, Nahtoderfahrungen und das neue Album „Hier und Heute Nicht“.

Die drei Jungs der Band Montreal halten es schon seit über 15 Jahren gemeinsam miteinander aus und machen Musik. Alltagsbeobachtungen, politische Themen oder persönliche Erlebnisse werden in Punkrock eingepackt. Im November könnt ihr euch im Conne Island selbst von den Jungs überzeugen. Vorab haben wir mit Bassist Hirsch schon mal über Politik, Lampenfieber, Nahtoderfahrungen und natürlich über das neue Album „Hier und Heute Nicht“ geplaudert.

 

© Presse Landstreicher Konzerte

Euer siebtes Studioalbum ist seit August dieses Jahres draußen – wird es mit der Zeit einfacher oder schwerer, neue Musik zu machen?

Das ist immer ein Auf und Ab. Bei diesem Album war es tatsächlich erschreckend einfach, das ging sehr schnell von der Hand, aber es gab auch Alben, bei denen das etwas zäher war. Es ist jetzt nicht so, dass ich sage: Ab jetzt wird es jedes Mal einfach. Für jedes Album braucht man meist so zwölf Lieder und das heißt, vor jedem Album hat man zwölf leere Seiten vor sich und die muss man füllen. Das klappt mal schneller und mal langsamer. Und da gehört auch jedes Mal eine große Portion Demut dazu, wenn man anfängt. Denn selbst wenn man ein Lied hat, fehlen noch elf. Also erst ab Song Zehn werde ich meist etwas entspannter und denke, das könnte was werden diesmal. Gerade wenn ein Album fertig ist, kann man sich nie vorstellen, sich jemals wieder zwölf Themen und Texte auszudenken, es ist mehr: Wir haben jetzt alles gesagt und das ist das Ende. Aber jetzt nach sieben Alben weiß man, da kommt irgendwann doch wieder eine Phase, in der einem etwas einfällt.

Ei oder Huhn – was war zuerst da? Habt ihr erst ein Lied und erarbeitet dann das Album drum herum oder sagt ihr, jetzt gibt es ein neues Album und fangt dann an?

Wir haben eigentlich so einen relativ guten Rhythmus über die letzten 15 1/2 Jahre entwickelt. So alle zwei Jahre bringen wir eine neue Platte raus. Und dann gibt es immer ein Jahr dazwischen, wo wir nicht schreiben und auch nicht schreiben müssen, aber irgendwann hat man dann wieder Ideen. Ich mach die ganzen Texte und Yonas, unser Gitarrist und Sänger, die ganze Musik. Der sammelt dann in dieser Zeit schon immer neue Ideen und irgendwann hat man dann auch wieder Bock, neue Musik zu machen. Gleichzeitig spielt man ja das ganze alte Material auf Festival und Touren und hat da auch für sich Lust, wieder was Neues zu haben, um nicht irgendwann in dieser Falle zu landen, dass man sich langweilt. So lange da immer wieder was Frisches dazu kommt, ist alles wunderbar (lacht).

Seid ihr noch aufgeregt, bevor ihr auf die Bühne geht oder habt ihr einen Trick dagegen?

Nee, so eine peinliche Routine gibt es bei uns nicht. Das beobachten wir immer argwöhnisch auf Festivals, so einen Kreis bilden oder einen Schnaps trinken – das machen wir nicht, das ersparen wir uns. Dafür kennen wir uns auch viel zu lange. Jeder baut seine Sachen auf und irgendwann ist jeder fertig und einer von der Technik oder der Chef von der Bühne sagt uns „Jetzt wird gespielt“, und dann spielen wir. Wir haben auch kein Intro oder so, wir gehen einfach raus und los geht’s. Das versuchen wir so unpompös wie möglich aufzuziehen, aber wissen auch, dass wir da allein auf weiter Flur sind und die Kollegen das gerne viel pathetischer haben. Und aufgeregt, ich war noch nie wirklich aufgeregt und bin es auch heute nicht. Die anderen schon ein bisschen, glaube ich, mal hier und da. Oft hängt das aber auch mit neuer Technik zusammen, ein neues Fußpedal oder jemand Neues ist am Mischpult. Aber nicht der Gedanke, da stehen jetzt 200 oder 500 oder 2.000 Leute vor mir und mal gucken wie das jetzt finden. Das ist eher eine Ablauf-
aufgeregtheit.

„Hier und Heute Nicht“ ist der Titel eures aktuellen Albums – ist das eine Ansage an aktuelle Geschehnisse oder einfach nur eine Feststellung?

Das finde ich ganz interessant immer bei Zeilen, Liedtiteln oder eben auch Alben, dass da jeder selbst deuten kann. Mein alter Zivichef hat immer gesagt: Der Empfänger bestimmt die Botschaft. Nee, ganz stumpf ist es ja einfach nur Lied Nummer 4 und da geht es darum, wie Yonas, Costa von Sondaschule und ich haarscharf diesem todbringenden Blumenkübel von Amsterdam entgangen sind, der da einfach durch einen Sturm aus dem 3. Stock gefallen ist und den Stuhl neben uns zerschmettert hat. Und in dem Lied ist die Aussage, irgendwann ist es halt vorbei und das war jetzt schon ganz schön knapp, aber hier und heute ist es eben noch nicht und darum auch der kaputte Blumenkübel auf dem Cover, der sagt: Der Moment war schon sehr knapp, aber an dem Ort ist es eben noch nicht passiert.

Ihr schreibt ab und zu über politische Themen. Streitet ihr da manchmal drüber?

Wir reißen uns nicht unbedingt darum, politische Themen anzugehen und nehmen die auch nur dann auf, wenn wirklich eine gute Idee kommt. Nichts ist schlimmer als ein politisches Lied, das ohne brauchbare Idee oder Story daherkommt. Einfach jetzt nur die eigene politische Meinung raushauen, solche Parolenlieder, das ist überhaupt nicht unseres. Sondern da muss dann schon ein netter Aufmacher dahinter sein und dann wagen wir uns da auch mal ran. Und deshalb gibt es auch wenig Streit, wenn ich da so einen Text anpacke und mache, dann ist der auch so, dass da alle von uns mit leben können, und wir sind politisch auch alle im selben Orbit angesiedelt.

Politische Themen werden bei euch oft mit Humor und Ironie behandelt. Ist das der beste Weg, um solche Themen anzusprechen?

Das weiß ich nicht, aber ich kann keinen anderen Weg. Und jetzt nur so biedere, ernste Themen – ich finde allgemein, dass das Medium, in dem wir uns bewegen, also so zwei bis drei Minuten lange Lieder, eher ungeeignet sind für Aufarbeitungen von sehr komplexen politischen Zusammenhängen. Von daher: Wenn es durch Ironie und Spaß nicht geht, dann müssen das eher andere machen (lacht).

Habt ihr einen Lieblingssong auf dem neuen Album?

Wir alle sind uns da recht einig – seit einem Jahr gibt es ja das Lied „15 Jahre für die Punchline“ und das ist eigentlich so das Lied, womit wir gerade am glücklichsten sind. Das ist halt sehr spontan entstanden und wir haben auch sehr kurzfristig damals diese ganzen Gäste angehauen und das hat auch so schnell geklappt. Und wie das dann so geworden ist und die ersten fünfzehn Jahre unserer Bandgeschichte zusammengefasst worden sind, auch mit diesem ganzen Video, wo wir auch richtig tief sehr schlimmes Zeug aus dem Archiv rausgekramt haben, das ist schon unser Favorit. Aber das ist natürlich nicht wirklich ein Lied von diesem Album, weil es ein Jahr vorher schon aufgenommen wurde. Von den anderen ist es „Schon wieder zweiter Februar“. Der und „Malaria und Heimweh“ sind meine Favoriten. Aber das ändert sich immer wieder, die Platte ist ja für uns schon relativ alt, die ist ja bereits eine Weile fertig, aber es gibt noch keinen Song, den ich skippe, und das ist immer ein gutes Zeichen.

Wie ist es, wenn ihr im Ausland auftretet, können da Fans ebenfalls eure deutschen Texte mitgrölen/mitsingen?

Können ist vielleicht übertrieben, aber sie versuchen es zumindest. Man muss ja auch fairerweise sagen, wenn eine englische Band irgendwo spielt, ist es ja auch nicht immer so, dass man jedes Wort aus dem Text versteht. Man singt ja trotzdem einfach das, was man so ungefähr meint zu hören. Da geht es ja dann mehr um die Musik und die Energie, die vermittelt wird, als jetzt jede Silbe zu verstehen. Klar singen die vielleicht etwas ungenauer mit, aber die Kernzeilen passen. Daran merkt man auch immer wieder, wie gut so ein Song oder eine Hook geschrieben sind. Wenn das alle relativ schnell hinkriegen, dann hat man da was richtig gemacht.

Ihr engagiert euch viel sozial, wie beeinflusst das denn eure Musik?

Ich würde fast sagen gar nicht. Wir waren ja 2016 zum Beispiel mit Viva con Agua in Äthiopien, weil sie schon lange bei den Konzerten sind und sammeln, und da haben sie uns eingeladen mal mitzukommen, eine Projektreise zu machen und sich das alles mal anzugucken. Aber es ist dann nicht so, dass wir zurückkommen und dann denken, jetzt muss ich ein Lied über die Brunnen Äthiopiens schreiben. Das ist vielleicht so im Hintergrund und flimmert da mit, aber so eins-zu-eins-umsetzen lassen sich solche Themen eher nicht. Bis jetzt zumindest noch nicht.

Am 22. November kommt ihr nach Leipzig, was verbindet ihr mit der Stadt?

Tatsächlich bisher nur Gutes. Leipzig ist glaube ich von den Städten im Osten die Stadt, die als erstes Interesse an uns gezeigt hat. Wir haben im Werk 2 zum Beispiel gespielt und waren ein paar Mal, bevor wir eigene Konzerte gegeben haben, Support. Und das letzte Konzert in Leipzig war im Conne Island und da war vielleicht die Hälfte an Leuten als in anderen Städten, aber die Energie stand denen in nichts nach. Das heißt, dieses Mal wird das Conne Island wahrscheinlich ausverkauft sein oder es ist kurz davor und das heißt, das wird ein Hexenkessel und da freuen wir uns sehr drauf. Da kann ich jetzt schon sagen, das wird eins der Highlights der Tour werden.

  

MONTREAL „Hier und Heute Nicht“-Tour | 22. November 2019 | Conne Island | Einlass: 19 Uhr | Beginn: 20 Uhr | Tickets 23 € / zzgl. Geb.