"Kabarett muss bloßstellen und kritisieren – aber mit Respekt" Je suis Charlie??? Leipziger Pfeffermühle über Satire

Wir haben den Inhaber des Leipziger Kabaretts Pfeffermühle, Dieter Richter, gefragt, ob Satire wirklich alles darf. Ein Gespräch über Meinungsfreiheit, Satire, Angst und Respekt.

© urbanite Leipzig
Wie oft konnte man in den vergangenen Monaten Kurt Tucholskys Zitat „Satire darf alles!“ lesen? Schätzungsweise so häufig wie die „Je suis Charlie“-Bekundungen, die die Solidarität mit den im Januar 2015 getöteten Mitarbeitern der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo demonstrieren sollten. 

Zwölf Menschen, darunter fünf Karikaturisten, wurden von islamistisch motivierten Fanatikern mit Sturmgewehren ermordet. Grund für den Terroranschlag: Die Zeitschrift veröffentlichte seit jeher religionskritische Zeichnungen wie u.a. Mohammed-Karikaturen. Am 7. Januar 2015 wurden die ständigen Drohungen gegen die Redakteure und dem Herausgeber mit dem grausamen Anschlag in die Tat umgesetzt.

Damit ist auch eine Diskussion neu entflammt. In der geht es um Begriffe wie Zensur, Angst, Provokation, Meinungsfreiheit, Kunst, Fanatismus … Es sind sich alle einig, dass es eine schreckliche Tragödie ist, die in Paris geschah – unmenschlich und falsch. Doch auseinander gehen die Meinungen über das Umgehen und Ausführen von Satire. Wie soll man von nun an den Beruf ausüben, wenn dieser beinhaltet, Kritik zu üben und Missstände anzusprechen.
Nach den ersten Tagen des Schocks wurde verständlicherweise fast schon wie aus Trotz Tucholskys berühmtes Zitat gesagt, geteilt, geschrieben … Doch mittlerweile gibt es auch zahlreiche Kritiker dieser Maxime. Denn so einfach lässt sich die Welt nun einmal nicht immer einteilen: in gut und böse, schwarz und weiß, richtig und falsch.

Es ist eine besonders feine Klinge der Satire gefragt

© Geli Megyesi
So sieht das auch einer, der von Berufs wegen die Satire als wesentliches Instrument seiner Arbeit nutzt. Für den Inhaber und Kabarettist der Leipziger Pfeffermühle Dieter Richter ist es weit weniger simpel und eindeutig als dies einige Tucholsky-Zitierer gerne sehen.

Sind solche Attentate der Grund, dass sich der Satiriker mal auf die Zunge beißen muss und weniger kritisch und humorvoll mit einem Thema wie beispielsweise Religion umgeht? Richter antwortet mit einem überlegten „Jein“. Den Gedanken, dass z.B. bei einer islamkritischen Szene Probleme auftreten können – „nicht müssen“ –, habe er: „Ich habe eine Verantwortung für viele Leute hier. Es geht um ein riesen Ensemble und Mitarbeiter, die ich schützen muss. Wenn wir zu weit gehen, dann tun wir uns keinen Gefallen. Hier ist die besonders feine Klinge der Satire gefragt. Nicht Holzhammer, sondern Florett.“

Aber heißt das im Umkehrschluss, dass es Fanatiker tatsächlich geschafft haben, das uns so wichtige Gut Meinungsfreiheit einzuschränken, indem Satiriker ständig darüber nachdenken müssen, ob sie dieses oder jenes zeichnen, aufführen, schreiben … dürfen? „Solche Menschen haben es zwar geschafft, dass wir darüber nachdenken. Sie haben es aber nicht geschafft, die Kritik zu verhindern. Die wird es nach wie vor geben.“ Allerdings müsse man wissen, wie weit man geht. „Das sehe ich wahrscheinlich auch anders als andere Satiriker, die hemmungslos einfach drauf losrennen. Man kann das gleiche mit anderen Worten sagen – das ist mein Hauptziel.
Ich sage nicht, das wäre ein Tabuthema – das gibt es nicht. Aber ich muss wissen, wie ich etwas formuliere!“ Zumal es sowieso nicht der Sinn von Satire sei, wild um sich zu schlagen, so Richter. „Man muss auch einen gewissen Respekt wahren.“ So gebe es auch im Kabarett eine Grenze. Das Kabarett sei schließlich nicht dazu da, Menschen auf der Bühne zu vernichten. 

„Jetzt erst recht. Aber nicht: Und jetzt erst recht noch schlimmer“

© Geli Megyesi
Dass das mit dieser Grenze eine sehr sensible Angelegenheit ist, gerade in der Satire – selbstredend. Doch wo zieht man die? Gibt es bestimmte Themen, die ausgeklammert werden? „Man muss ein Problem natürlich auch mal ins Lächerliche ziehen können, aber niveauvoll. Für mich gibt es zwar Grenzen – allerdings kann man die nicht einfach festlegen, die sind variabel und man muss es einfach im Gefühl haben. Man kann über alle Dinge reden, man muss bloß die richtige Form finden.“
Hätten die Mohammed-Bilder also nicht noch einmal gezeichnet werden sollen? „Doch, das ist ja die Freiheit eines jeden Satirikers. Ich hätte nur an dieser Stelle eher gesagt: Jetzt erst recht. Aber nicht: Und jetzt erst recht noch schlimmer.“ Für Richter ist Satire immer ein schmaler Grat. Selbstverständlich könne, ja müsse, man kritisieren. Aber eine ganze Religion zu beleidigen, und nicht die Menschen, die die Gräueltaten verüben, sei nicht richtig – und auch nicht klug. Oder auch wenn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in ausländischen Zeitungen mit Hitlerbart oder in SS-Uniform gezeigt werde, dann geht das für Richter zu weit. „Wenn das Satire ist, dann braucht es eine neue Definition.“ 

FAZIT: Kabarett muss bloßstellen und kritisieren  aber mit Respekt

Richter ist wichtig, dass es bei der Satire keine Tabuthemen gibt. Denn er sieht es auch als Pflicht eines Kabaretts an, mit Themen wie diesen umzugehen. „Das was passiert ist, muss man behandeln. Man muss aber aufpassen, dass man nicht moralisch mit dem erhobenen Zeigefinger kommt.“ Kabarett muss bloßstellen und kritisieren. „Aber: Man muss auch vor bestimmten Dingen Respekt haben – nicht Angst! Schlussendlich darf man den Humor nicht verlieren, sonst hat man verloren!“ 

© Geli Megyesi

Kabarett Leipziger Pfeffermühle

Katharinenstraße 17, 04109 Leipzig
Kartentelefon: 0341-960 3196
Öffnungszeiten: Mo-Fr: 11-20 Uhr, Sa: 15-20 Uhr, So- und Feiertage: 2h vor Vorstellungsbeginn
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