Joris über das Einsingen unter der Dusche und spontanen Sommerregen. Joris im Interview: „Es ist wichtig, Haltung zu zeigen in dieser heutigen Zeit“

Nach 300 Konzerten, drei Echos und einer Auszeit in Spanien und Italien verwöhnt Joris seine Leipziger Fans am 14. September 2019 mit einem Freilichtkonzert auf der Parkbühne GeyserHaus.

Nach 300 Konzerten, drei Echos und einer Auszeit in Spanien und Italien sandte der deutsche Popsänger Joris vergangenes Jahr sein bereits lang herbeigesehntes „Signal“. „Kann mich irgendjemand hörn?“ ertönt die Stimme des 29-Jährigen nach wie vor aus den Radios der Republik. Antwort auf seine Frage liefern ihm die Leipziger Fans am 14. September aus den Rängen der Parkbühne GeyserHaus. 

© Klaus Sahm

Bis zum letzten Jahr mussten sich deine Fans ein wenig gedulden, ehe es wieder was von dir zu hören gab. Wieso die Pause?

Pause klingt immer so romantisch. Wenn man sich das aber mal wirklich so anschaut oder drin gesteckt hat, dann merkt man, das war gar keine Pause, sondern wir haben drei Jahre lang gespielt mit dem ersten Album; das heißt ich war immer unterwegs und danach ging‘s ans Songwriting und dann habe ich viel Zeit im Studio verbracht und an den neuen Songs gearbeitet. Mir war es sehr wichtig, dass da auch eine Weiterentwicklung stattfindet und wir haben uns bewusst viel Zeit dafür gelassen. 

Du bist auf jeden Fall zurück: Das Album heißt „Schrei es raus“ – Das Cover aber zeigt dich mit verdecktem Mund. Widerspricht sich das nicht?

Sehr gut erkannt, Sherlock (lacht). Es ist natürlich eine Übersetzung der etwas einfachen Metaphorik. Quasi dass eben die Augen schreien, denn nicht unbedingt der, der am lautesten schreit, hat dann auch Recht. Es ist wichtig, Haltung zu zeigen in dieser heutigen Zeit. Das alles steckt da so ein bisschen in dieser Metapher drin.

Bist du auf einen Song ganz besonders stolz?

Da gibt es 13 Songs von, ja (lacht). 

Das Musikvideo zur Single „Du“ ist noch ganz frisch. Was man zunächst als Liebeserklärung an die Eine vermutet, entpuppt sich als Lied an das Leben. Was hat dich das Leben bisher gelehrt?

Viel! Viele Dinge. Also das Leben war bis jetzt in den meisten Fällen sehr, sehr gut zu mir. Ich bin natürlich auch sehr privilegiert in meinem Zuhause aufgewachsen und habe wenig Steine in den Weg gelegt bekommen. Das heißt ich kann mich da glaube ich auch nur glücklich schätzen. Ansonsten hat es mich gelehrt, dass es wichtig ist, füreinander da zu sein und dass viele Dinge einfach kommen, wie sie kommen. Das heißt nicht, dass man nicht trotzdem viel dafür machen sollte, dass die Zukunft so schön und gut gestaltet wird wie nur möglich – es ist aber trotzdem oft so, dass überraschende Dinge einfach passieren.

Was hat beim Dreh des Videos besonders Spaß gemacht?

Ja also, um ganz ehrlich zu sein, das war so eine richtige Low-Budget-Produktion. Mein Social-Media-Freund und ich, wir haben uns gemeinsam was überlegt; hatten noch einen tollen Kameramann und Regisseur mit dabei und haben uns einfach nur Flüge gebucht – nach Portugal und sind dann rumgefahren in einem Van. Wir haben einfach geguckt, dass wir das Video genauso drehen, worum es eben auch im Song geht, nämlich was das Leben so für Überraschungen bringt. Und eben genauso war halt auch der Videodreh. Heißt: Wir wussten überhaupt nicht was, wie, wo, wann irgendwas passiert und haben einfach nur die Kamera mit dabeigehabt. Und Portugal, naja, der Song hat für mich so etwas Sommerliches. Gedreht haben wir im März. Da war es in Deutschland zwar auch zwischenzeitlich echt warm, aber Portugal hat für mich einfach noch mehr diese Lebensfreude ausgedrückt. 

Du hast nicht immer auf Deutsch gesungen. Wie kam dieser Sinneswandel?

Ich sing eigentlich immer noch auf Englisch, wenn ich anfange Songs zu schreiben. Ich bin früher ein Jahr in den USA zur High School gegangen – da hat sich das Englische in mir verankert. Es gab bei mir ein sehr einschneidendes Erlebnis, als zwei Familienmitglieder von mir gestorben sind. Darüber habe ich dann den Song „Im Schneckenhaus“, geschrieben. Und auf einmal waren da Zeilen auf Deutsch und ich hab zu mir gesagt: „Ok, fuck it, dann mach ich halt diesen Song mal fertig und guck, wo es mich hintreibt.“ Und ich war danach extrem glücklich, als ich Leuten diesen Song vorgestellt hab, dass eben eine Ebene dazu kam und dass jeder meiner Freundinnen und Freunde tatsächlich den Text verstehen konnte. Das ist oft genug bei englischer Musik nicht so. Im Übrigen: Leute, die selbst Englisch sprechen und eben in englischsprachigen Ländern leben, hören allgemein viel viel weniger auf Texte, als wir es in Deutschland machen. Das hat sehr beflügelt – also habe ich noch mehr Songs auf Deutsch geschrieben. Passiert ist das alles erst sehr spät, ich glaube mit 23 war das.

Singst du unter der Dusche?

Ich singe mich oft unter der Dusche ein, weil ich meistens ein bisschen zu spät aufstehe. Ich habe einen sehr unterschiedlichen Schlafrhythmus (lacht). Also bei mir geht’s manchmal morgens um 5 Uhr zum Bahnhof und dann weiter, manchmal kann ich auch bis 10 Uhr auspennen und es ist ganz wichtig, wenn ich zum Beispiel jetzt morgens ein Interview habe, dass ich zumindest schon einmal ein bisschen meine Stimmbänder betätigt habe – das passiert dann halt oft unter der Dusche (lacht).

Du tourst dieses Jahr nicht von Club zu Club, sondern deine Konzerte finden alle open air statt. Worauf freust du dich dabei am meisten?

Also ich freue mich jetzt am meisten auf einen Festivalsommer – mit großen Festivals und natürlich auch kleinen – gemischt mit eigenen Konzerten, die auch open air stattfinden. So die perfekte Mischung aus allem. Darüber freue ich mich sehr. Und ich freue mich in erster Linie natürlich einfach auf Sommer, weil es eine wunderschöne Atmosphäre hat, oft zum Teil auch eine unfassbare Kulisse und man draußen zusammen mit vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern ist. Sommer ist schon so ein bisschen die schönste Zeit im Jahr. Ich bin zwar im Winter geboren, aber bin auf jeden Fall ein totaler Sommermensch. 

© Klaus Sahm | Tim Kramer

Und wie gehst du da mit spontanem „Sommerregen“ um?

Den hatte ich in Jena zum Beispiel. Muss man mitnehmen, sag ich mal (lacht). Ich glaube genau bei dem Song (Anm. d. Red. „Sommerregen“) hat es damals voll angefangen so mega zu schütten. Ist natürlich manchmal ein bisschen blöd, weil man sich irgendwie denkt: „Ja schade, hätte es jetzt nicht einfach so ein lauer Sommerabend sein können?“, aber das gehört halt mit dazu. Die ganze Open-Air-Thematik ist natürlich immer beeinflusst vom Wetter. Ich erinnere mich zum Beispiel an Rock am Ring, wo ich bei Coldplay im strömenden Regen auf dem Gelände gestanden habe. Gerade das hat das Konzert am Ende irgendwie besonders gemacht. 

Zum Schluss: Was würdest du heute machen, wenn du kein Musiker wärst?

Dann wäre ich hoffentlich genauso glücklich und würde wahrscheinlich bei irgendeiner guten Hilfsorganisation arbeiten. Trotzdem schön, dass wir dich auf der Bühne haben, lieber Joris. 

JORIS – „Schrei es raus“ – Open Air 2019

14. September 2019, 20 Uhr | Parkbühne GeyserHaus

Karten ab 33 € zzgl. Gebühren