Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung in Leipzig, Dresden und Magdeburg Keine Komik ohne Tragik. Rainald Grebe im Interview

Kabarettist, Schauspieler, Musiker und Regisseur – Es gibt fast nichts, was dieser Rainald Grebe nicht ist. Vor 14 Jahren knallte sein Brandenburg-Lied durch die Decke. Und heute so?

Kabarettist, Schauspieler, Musiker und Regisseur – Es gibt fast nichts, was dieser Rainald Grebe nicht ist. Vor 14 Jahren knallte sein Brandenburg-Lied durch die Decke. Und auch Thüringen und der Prenzlauer Berg in Berlin blieben vor seiner spitzen Zunge nicht verschont. Klar ist: Dieser Mann eckt zwar an, überzeugt jedoch mit Texten, die aus dem Bauch heraus kommen. Wir haben mit ihm über die Bühnenfigur Rainald Grebe, Erfolgslogik und seine kommende Konzert in Dresden und Leipzig gesprochen und durften einiges erfahren über seinen Umgang mit dem Erfolg. Gleichzeitig sorgten wir uns um seine Gesundheit nach dem Schlaganfall 2017 und bekamen einen Einblick in den normal-stressigen Berufsalltag des Künstlers als „Umweltpumpe“. Sicher ist – dieser Mann hat Power und absolut kein Bock auf Langeweile.

Heimat

Sie kommen aus der Nähe von Köln, waren zeitweise in Jena und sind jetzt in Berlin. Was hält Sie heute in der Hauptstadt?

© Gesa Simons
Berlin hat so gar keinen Vergleich. Man wird nicht satt von dieser Stadt. Es ist wie eine große Benutzeroberfläche. Berlin vereint alles – tausend Menschen und Nationen. Man kann alles antippen, man bekommt das dann auch oder kann dort hinfahren. Und auf der anderen Seite findet man auch das Ländliche. Ich mag dort die Einsamkeit. Ich habe das Stadt-Land-Ding für mich ent-deckt. Das Zusammenspiel von beidem!

Sie sagten im Tagesspiegel damals, dass Sie sich wünschen, mit 40 Familie und Haus auf dem Land zu besitzen. Konnten Sie sich den Traum in Berlin verwirklichen?

(lacht) Ja das ist so. Wir pendeln eben. Aber ich will jetzt nicht aufs Land ziehen. Der erste Wohnsitz ist in der Stadt und das andere ist ganz klassisch eine Ferienwohnung auf dem Land. Wenn man mal Zeit hat, fährt man eben raus. Das ist sehr schön.

Finden Sie dafür überhaupt Zeit?

(lacht wieder) Jein!

Rainald Grebe als Künstler

Wie würden Sie selbst Ihr Handwerk beschreiben? 

Ich habe immer gesagt: Ich bin wie eine Umweltpumpe. Ich sauge das an, was mich umgibt, und kann das dann in bestimmte Formen bringen. Früher hätte man wahrscheinlich Universal-Dilettant gesagt – ich habe das dann für mich als Beruf gemacht.

Auf der Bühne sind Sie als buntes Überraschungsei bekannt: Man weiß nie, was man bekommt! Was reizt Sie daran?

Naja, ich weiß ja schon, was ich mache. Zumindest meistens. Ich nutze sehr gern verschiedene Formen, sodass es für mich nie langweilig wird. Das ist sehr reizvoll. Mal im Orchester, mal als Solist oder mal mit einer Band – oder eben am Theater.

Grauen Sie sich vor langer Weile?

Naja, das passiert ja schnell. Es gibt sicherlich auch eine positive Routine. Wenn man zum Beispiel Dinge gut kann oder irgendwo hin zurückkommt, wo man schon war. Aber ich mache eben immer wieder gern etwas Neues, um keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Was unterscheidet die Bühnenfigur vom privaten Rainald Grebe?

Die Kunst ist, alles sagen zu können und nicht so viel zu verschweigen. Und trotzdem gibt es natürlich auch einen Filter. Ich bringe es dann einfach nur in eine höhere Form, sodass das auf der Bühne zum übersteigerten Ich wird. Nicht alles. Ich habe jetzt keine Figur, die einen Dialekt spricht oder komische Anzüge anzieht. Das bin schon trotzdem ich. Vielleicht ist das auch das Besondere.

Sie sind auf der Bühne sehr präsent. Sind Sie das im Privaten auch? 

Ich kann schon auch zurückhaltender sein. Das ist ja auch anstrengend, drei Stunden lang manisch rumzulaufen. Deshalb sage ich auch: Es ist eine Kunstfigur. Auch wenn es nicht so aussieht. Manche denken, ich bin immer so. 

Was unterscheidet die Bühnenfigur vom privaten Rainald Grebe?

Die Kunst ist, alles sagen zu können und nicht so viel zu verschweigen. Und trotzdem gibt es natürlich auch einen Filter. Ich bringe es dann in eine höhere Form, sodass das auf der Bühne zum übersteigerten Ich wird. Aber das bin schon trotzdem ich. Vielleicht ist das auch das Besondere.

Tragik und Komik gehören für Sie auf der Bühne zusammen. Warum?

Das interessiert mich und das bin ich. Das ist meine Weltsicht und das möchte ich auch erzeugen. Es ist das, was ich unter Bühne verstehe. 

Ist das Ihre Herausforderung auf der Bühne?

Ja, es ist eine ständige Herausforderung. Natürlich auch beim Schreiben. Dass man eine Welt erschafft, in der man nicht mal richtig merkt, dass Komik und Tragik miteinander verschwimmen.

Musik

1993 sind Sie als Straßenkünstler nach Berlin gekommen. Stimmt das?

© Gesa Simons
Ja das steht da im Netz drin. Das war so eine vergurkte Sache. Ich war zwar erfolgreich, aber ich habe nichts eingenommen. In dem Sinne also wiederum nicht erfolgreich. Dann habe ich das schnell wieder aufgegeben. Das Benzingeld gab es nicht dafür.

2011 scharrten sich 22.000 Zuschauer in der Waldbühne um Sie. Was hat sich in Bezug auf das Musikmachen verändert?

Es ist unwesentlich, wie viele Leute dort sitzen. Ob ich alleine bin, wir zu dritt sind oder mal mit Orchester – egal. Ich mache die gleiche Musik. Da hat sich nichts verändert. Da gibt es keinen qualitativen Unterscheid.

Gibt es etwas, das Sie am Ruhm stört?

Das stört mich gar nicht. Es ist im erträglichen Rahmen, möchte ich sagen. Ich bin jetzt nicht Helene Fischer, ich fühle mich nicht vom Erfolg gehetzt und kann noch alles machen was ich möchte. Ich kann mir meine Ruhe nehmen. Das ist eigentlich sehr schön. Der schmale Erfolg erlaubt mir zum Beispiel, einfach etwas am Theater zu machen. Es ist sehr angenehm, diese Möglichkeit noch zu besitzen.

Warum, denken Sie, ist der Titel „Brandenburg“ so gut im Gedächtnis geblieben?

Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Weil er vielleicht sehr konkret ist. Berlin als Hauptstadt spielt ja eigentlich auch eine Rolle. Der Song entstand zu einer Zeit, da war es eben noch unbesungen. Zu diesem neuen Ost-deutschland gab es noch keine Lieder. Auf jeden Fall nicht in dieser Form, die Leere zu beschreiben. Aber das ist ja jetzt auch schon zehn Jahre her.

Und trotzdem verbindet man den Titel sehr stark mit Ihnen.

Naja das ist vielleicht manchmal so eine Logik. Viele Lieder werden so hochgespült, dass sie bald schon zum Synonym für jemanden werden. Wie bei mir dann eben „Grebe Brandenburg“. Ich habe ja durchaus auch noch andere Lieder. Erfolgslogik: Da ist ein Mensch, der hat einen Hit. So ein Synonym, das man dann immer anklickt. In diesem Fall dann Brandenburg. Da habe ich eigentlich keinen Einfluss drauf. Das läuft im Netz so vor sich hin. (lacht) „Atemlos durch die Nacht“ – Helene Fischer, (singt) „Ein bißchen Spaß muss sein“ – Roberto Blanco. Das sind eben Dinge, die man miteinander verbindet.

YouTube

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Bühnenprogramm

Worauf darf der Gast sich freuen, wenn Sie uns im Sommer beehren?

Das frag ich mich auch. Wir werden natürlich wieder alles geben, lange spielen. Wir haben aber auch ganz viele neue Sachen im Gepäck, einige neue Songs und dann natürlich auch ein paar alte. Wir arbeiten gerade an neuem Material, wie es so schön heißt. 

Es wird berichtet, dass Sie auf der Bühne etwas müde wirken. Bedeuten die Elfenbein-Tour, die Wigwamkonzerte und zugleich die Vorbereitungen auf das Fontane-Jubiläum nächstes Jahr Stress für Sie?

Nein, gar nicht. Das ist das normale Leben. Natürlich kann es immer mal sein, dass ich einen schlechten Abend habe. Aber eigentlich bin ich halbwegs fit im Moment. Das wird schon irgendwie.

Halbwegs? Müssen wir uns Sorgen machen?

Nee.

Wie vereinbaren Sie so viel Arbeitsalltag mit Familie und Erholung?

(prustet los) Naja, also ich sag mal so. Für die Leute im Theater ist das ganz normal. So ein normaler Schauspieler spielt in der Regel sechs Stücke im Jahr. Deshalb will ich gar nicht sagen, dass ich da mehr oder weniger mache. Das ist das normale Pensum. Das ist natürlich stressig und manchmal kriecht man auf dem Zahnfleisch. Da ist dann eben einfach die Frage: Was will man denn eigentlich? Im Prinzip ist das Hochleistungssport. Und das ist auch gut so. In gewisser Weise normal und ich will es auch eigentlich gar nicht anders haben.

Zukunft

Sie sagten, Sie möchten mit 50 noch einmal so ein Konzert erleben dürfen wie zu Ihrem 40. auf der Waldbühne. Wie stehen die Chancen auf ein Revival?

© Gesa Simons
Sehr gut. Falls ich das 50. Lebensjahr erreichen sollte, wird es 2021 wahrscheinlich ein Konzert in der Waldbühne geben. Momentan habe ich gehört, dass da eine Bühne frei wäre und dass es von Veranstaltungsseite grünes Licht gäbe. Darauf bereite ich mich aber erstmal nur innerlich vor.

Sind ein Pferd und ein Kamel auf der Bühne noch zu toppen?

Och Gott. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich habe mich erstmal gefreut, dass ich noch lebe. Da könnte man also auf jeden Fall noch einmal was machen.

Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?

(lacht) Ich hoffe noch auf dieser Welt. Das wage ich irgendwie nicht zu sagen. Mich zieht es ein wenig ins Ausland. Ich merke, dass mich die weite Welt lockt. Ich möchte nicht nur die Region abfahren auf der A2 und der A9. Es wäre schön, wenn es auch mal weiter weg geht. Andere Kulturen würden mich interessieren. Die Theatersachen hier sind eben sehr an die Sprache gebunden, scheinbar. Als neue Option würde ich auf jeden Fall gern mal schauen, wie es in anderen Kulturen funktionieren kann. Ob ich dort Arbeit finden könnte.

Ist die weite Welt zu kurz gekommen in der Vergangenheit?

Ja, eigentlich immer schon. Ich war manchmal weiter weg und habe dort immer direkt Programme geschrieben. Das war eigentlich sehr gut.

RAINALD GREBE LIVE

• am 2. August 2018, 19:30 Uhr auf der Parkbühne GeyserHaus

• am 3. August 2018, 19:30 Uhr auf der Festung Mark

• am 22. Juli 2018, 17 Uhr bei den Filmnächten am Elbufer