Irgendwas ist immer Leipziger Bands im Fokus #101: Die Art

Wir möchten euch die Leipziger Musiker von Die Art vorstellen, die auf eine lange Bandgeschichte voller Höhen und Tiefen zurückblicken.

Ursprünglich im April, jetzt verschoben auf Anfang nächsten Jahres erwartet euch im Täubchenthal ein Konzert der ganz besonderen Art. Die Art und Freunde der Italienischen Oper, die am 17. April vor genau 16 Jahren in Dresden bereits gemeinsam auftraten, haben die Idee wieder aufgegriffen und werden nun Leipzig mit ihrer geballten musikalischen Kraft beglücken. Wir von urbanite präsentieren dieses Ereignis und möchten euch Die Art vorstellen, die auf eine lange Bandgeschichte voller Höhen und Tiefen zurückblicken.

 

Plagwitz, es ist Mittwoch. Erst Regen, dann Sonne und dann wieder Regen. Der April lässt grüßen. Wir sind mit Makarios von Die Art zum Interview verabredet und genießen bei einer heißen Tasse Kaffee die Geborgenheit des verrauchten Zimmers. Vor uns sitzt eine Größe der Leipziger Musikszene. Doch keine Spur von irgendwelchem Stargehabe. Das hat er auch nicht nötig. Seine charmante und entspannte Art ist echt und mit Geschichten rund um die Band zieht er uns sofort in seinen Bann. Genauso, wie seine Texte es auch vermögen. Doch eins nach dem anderen.

© Michael Raadts

35 Jahre Die Art (mit Unterbrechung), das bedeutet 35 Jahre harte Arbeit. Angefangen hatte die Band  in der DDR, Mitte der 80er unter dem Namen Die Zucht. Doch dieser Name war den DDR-Funktionären zu subversiv. Die Mauer stand noch, ihr Fall war nicht absehbar und die SED hatte überall ihre Finger im Spiel. Die Band sah sich also gezwungen ihren Namen zu ändern, da ihr ansonsten Restriktionen seitens des Staates drohten. Aus Ermangelung an Ideen sollte ihr Drummer zum Kulturamt hin und dort mitteilen, dass sie ihren Namen behalten würden. Im Fahrstuhl fiel ihm dann der Name Die Art ein und ließ diesen kurzum als neuen eintragen. Bei der ersten Probe nach seinem Alleingang war die restliche Band zwar nicht begeistert davon, aber an den neuen Titel gewöhnten sie sich schnell. Schließlich wollte man Musik machen und da schien der Name schon fast egal zu sein. Doch es dauerte seine Zeit, bis sich diese Änderung unter den Fans herumsprach und die Besucherzahlen wieder stiegen.

Bereit für die Welt

Doch dies sollte nicht die letzte Hürde gewesen sein, die der Band seitens des Staates auferlegt wurde. Eigentlich wollten sie ein Album aufnehmen, doch ihre Musik wurde als nicht radiotauglich eingestuft und somit blieben die Türen der Amigastudios ihnen vorerst verwehrt. Eigentlich ist das verwunderlich. Ihr Sound ist dem Postpunk und New Wave (z.B. Joy Division oder Fehlfarben) entlehnt und war somit eigentlich auf der Höhe der Zeit. Doch abkupfern galt nicht, man wollte etwas Eigenes kreieren. Der Sound ist auf gewisse Art melancholisch und dennoch mitreißend. Dazu die mal auf deutsch, mal auf englisch vorgetragenen Texte sind sehr eingängig. Dennoch oder gerade deswegen verbreitete sich ihre Musik auch: Bootlegs von Live-Shows und eigene Tapes brachten ihre Songs in Umlauf und nach dem Mauerfall war es dann endlich soweit. Das Amiga-Nachfolgelabel „Zong“ brachte Die Arts erstes Album „Fear“ raus. Songs wie I love you (Marian) und Wide Wide World waren ihr Beitrag zum Sound der sogenannten Wendezeit und
bescherten ihnen zwei Hits. Bei diesem Album sollte es natürlich nicht bleiben und es folgten etliche weitere. Auch heute noch ist Makarios weiterhin umtriebig und bezeichnet 2020 als „das Jahr der Ideensammlung“ für ein kommendes Die Art Album. Doch damit nicht genug. Auch im März ist er im Studio, um Songs aus der Die Zucht-Ära einzusingen. „Die Zeit dafür war reif. Die Zucht-Tondokumente sind leider in keiner guten Qualität, soundtechnisch wie musikalisch. Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, die Songs neu einzuspielen“, verriet uns der Sänger. Wer beim Heldenstadt Anders Festival letztes Jahr dabei war, konnte sich bereits ein Bild von den Songs machen. Doch die Band lässt sich nicht auf ihre Vergangenheit reduzieren. Während andere Urgesteine mit ihrer alten Setlist durch das Land reisen, sehen Die Art es schon fast als Pflicht an, neues Material zu schreiben: „Natürlich besteht da eine gewisse Nostalgie, die auch gepflegt werden will. Viele verbinden mit den frühen Songs Gefühle ihrer Jugend und wollen die deswegen hören, wenn sie unsere Konzerte besuchen. Doch relevant bleibt man nur, wenn man auch neue Musik anzubieten hat. Das Publikum ist mit der Band erwachsener geworden, aber auch das freut sich, wenn wir mal neue Songs spielen.“

Stigmatisierung und andere Herausforderungen

Als in den 90ern noch keine Spur von Nostalgie zu spüren war, schickte sich die Band an, auch im Westen des Landes auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings war die Ernüchterung groß, als man auf ein Publikum traf, das ihre Songs und den Spielstil nicht verstand und sie mit anderen Ostbands verglich. „Wir waren ja eigentlich nie eine richtige Ostband. Unsere Musik klang doch ganz anders als all jene, mit denen wir in einen Topf geworfen wurden. Die Leute verstanden nicht, dass wir anders waren als diese Ostrock-Vertreter. Aber es gab auch im Westen Leute, die uns gut fanden und zu unseren Konzerten kamen.“

Die größten Herausforderungen der Band in den 2000ern waren allerings intern. 2007 kam die Reunion, nachdem die Band Wissmut – mehrheitlich bestehend aus Die Art-Musikern – Makarios dazu überredete, die ursprüngliche Formation wieder ins Leben zu rufen „Das bedurfte einer Menge Gespräche, mich dahin zu bewegen, denn eigentlich erachte ich beendete Dinge als beendet“, gibt er mit einem Lächeln zu. Doch es hat zum Glück funktioniert. Jahre später – kurz vor einer Tour – musste Ersatz für den Drummer Sven Löbert gefunden werden. Mit Jens „Jeans“ Halbauer – der auch in zwei weiteren Bands aktiv ist – wurde kurzerhand ein geeigneter Trommler ausfindig gemacht. Auch vor Schreibblockaden ist Makarios nicht gefeit und stand unter mächtigem Durck, als die Platte „Success“ gemacht wurde: „Wir waren schon im Studio und ich hatte absolut keinen Plan, was ich an Texten einbringen konnte. Das war kurz vor knapp! Dabei ziehe ich es vor, ohne Druck zu arbeiten. Eigentlich würde ich sogar am liebsten auf Vorrat schreiben!“

Wie ihr seht, kann auch nach über 30 Jahren Banderfahrung eine Menge passieren und dennoch hält die Gruppe weiter Kurs und schickt sich an, unter dem Motto „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ gemeinsam mit FIO die Leute zum Tanzen zu bringen. Wenn wir euer Interesse geweckt haben, dann nutzt diese Gelegenheit dieses seltenen Spektakels und erlebt Die Art live.

  

Live erleben könnt ihr Die Art am 12.02.2021 ab 21 Uhr im Täubchenthal | VVK 27,50 €

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