„Mein Herz schlägt im Offbeat“ Leipziger Musiker im Fokus #103: JPattersson

Im Juli hat der Leipziger Trompeter, Sänger und Produzent JPattersson sein neues Album Mood veröffentlicht: Die Hörreise führt den Downtempo-Liebhaber über goldene Straßen, vorbei an der Affeninsel bis hoch hinauf zum Mars.

Im Juli hat der Leipziger Trompeter, Sänger und Produzent JPattersson sein neues Album Mood veröffentlicht: Die Hörreise führt den Downtempo-Liebhaber über goldene Straßen, vorbei an der Affeninsel bis hoch hinauf zum Mars. Wie das klingt? JPattersson – bürgerlich Johann Beger – hat uns kurzerhand zu sich nach Hause eingeladen, um uns in die perfekte (Interview-) Stimmung zu bringen.

© Richard Bohn
Vorab: Vielen Dank für den Kaffee, Johann. Prost!

Wenn ich jetzt ’nen Kaffee trinken würde, würde ich hibbelig werden. Ich mag das Aroma und den Duft von Kaffee, bin aber schon von Natur aus sehr energetisch und beschränke meinen Konsum aber auf Sonntagskaffees und Momente, in denen ich von seinem anregenden Effekt profitieren will. Zigaretten genieße ich allerdings täglich. Ich versuche aber aktuell, auch das herunterzufahren. Gerade im Rahmen von Auftritten und wenn ich unterwegs bin, wird doch recht viel geraucht.

Nur Zigaretten?

(Lacht) Hin und wieder ist auch mal eine lange Zigarette dabei. Aber Rauchen generell finde ich vor allem bei gemütlichen Unterhaltungen angenehm. Hier zum Beispiel. Siehst du das Fenster da drüben? Das spielt eine zentrale Rolle auf meinem neuen Album Mood. Ich habe mir hier so einen kleinen Indoor-Balkon gebaut. Da genieße ich solche kleinen Momente.

Wir gehen in Richtung Fenster, wo Johann eine Sperrholzplatte so auf das danebenliegende Treppengeländer fixiert hat, dass eine Ebene entstanden ist, auf die man mit Hilfe zweier kleiner Stufen steigen kann, um den Kopf aus dem schrägen Dachfenster zu strecken.

Merkst du diesen Effekt, wenn du deinen Kopf hier raus streckst? Du hast sofort frische Luft um die Ohren und es ist zumindest ein bisschen wie Draußensein. Das ist für mich ein Teil des kreativen Schaffensprozesses – gerade bei diesem Album. Hier kommen mir viele Ideen, hier checke ich den Mix noch mal durch und schaue mit Kopfhörern in die Weite.

Wenn du möchtest, können wir gern hier stehen bleiben und das Interview machen. Zuerst die Fakten: Wie kam eigentlich dein Künstlername JPattersson zustande?

Der kommt tatsächlich von Pettersson und Findus. Sagt dir das was? Als Kind habe ich die Bücher von Sven Nordqvist sehr geliebt. Auch die Illustrationen dazu.

© Richard Bohn
Bist du eher Pettersson oder eher Findus?

(Lacht) Tendenziell wohl eher Findus, aber als ich begonnen habe, in den Kosmos der Musikproduktion einzutauchen, habe ich mich oft wie Pettersson gefühlt, der ja auch immer irgendwelche Sachen erfindet, die zwar zunächst etwas chaotisch wirken, am Ende aber funktionieren. Genauso hab’ ich mich anfangs gefühlt! Bei der Audioproduktion hat man ja Tausende von Möglichkeiten. Am Ende entscheidet man sich dann für eine Version und wenn die Leute dann auch noch dazu tanzen und schöne Momente teilen, ergibt das für mich Sinn. Weil ich mit Klangpattern arbeite, habe ich dann bei Pettersson aus dem e ein a gemacht. Ein kleines zusätzliches Wortspiel quasi.

Wie ist eigentlich der Produktionsstil auf dem aktuellen Album Mood entstanden? Es klingt ja sehr modern, luftig und transparent. Man hört die Basslines deutlich raus, du hast oft diesen Reggae-Vibe drin und modifizierst ja teilweise die Trompete recht elektronisch, oder? Zumindest hatte ich den Eindruck, dass die Grenze zwischen Trompete und Synthies fließend ist.

Findest du? Die Trompete lasse ich eigentlich immer recht clean. Wahrscheinlich war das, was du da gehört hast, dann tatsächlich ein Synth. Ich habe viel mit dem Trompetensound rumprobiert. Harmonizer und so weiter. Es klingt auch geil, aber ich finde, dass sich die Trompete mit ihrem natürlich organischen Klang sehr gut mit den elektronischen Instrumenten verbindet und daran muss man nicht viel ändern. Das gibt dem Ganzen eine Lebendigkeit und ich kann Melodien spielen, die mir durch den Kopf gehen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mich als Kind dafür entschieden habe, dieses Instrument zu lernen.

Nach der Schulzeit habe ich Musiklehramt studiert, während des Studiums ist JPattersson entstanden. Als es nach dem Staatsexamen ans Referendariat ging, habe ich mich erst mal fürs Musikmachen entschieden, da es zu diesem Zeitpunkt anfing, richtig gut zu laufen. Nicht zuletzt bin ich überzeugt, dass es von Vorteil ist, wenn man als Lehrer die Welt gesehen und aktiv Musik gemacht hat, falls man sich irgendwann doch mal fürs Unterrichten entscheidet.

Der Titel Mood, also Stimmung, bringt ja ganz grundsätzlich sehr viel mit. Vom Titeltrack bis zum Soul Soundsystem strahlen deine Songs alle diese Sommermelancholie aus.

Genau aus dieser Richtung komme ich auch. Mein Herz schlägt im Offbeat. Anfangs habe ich eigentlich nur Digital Reggae und Dub produziert und dadurch, dass ich dann zum Label 3000Grad gekommen bin, habe ich immer öfter auf Electro- und Techno-Festivals gespielt. Dadurch kam dann auch der Downtempo Einfluss, der mir schon immer zugesagt hat. Bei meinem ersten Album war mir Downtempo noch gar nicht so ein Begriff. Ein Track ist aber definitiv langsamer, grooviger und organischer Techno. Mittlerweile mag ich es sehr, das zu mischen. Auch live: Ein Set spielen zu können, die Tracks miteinander zu verbinden und dazwischen aber auch mal das Mikro in die Hand nehmen, singen und zum Publikum sprechen zu können gefällt mir sehr.

Die Stimmung des Albums hast du eigentlich sehr gut mit „Sommermelancholie“ beschrieben. Der Titeltrack ist letztes Jahr nach einer ziemlich turbulenten und abenteuerlichen Festivalsaison entstanden. Danach herrschte für mich diese Stimmung angenehmer, positiver Erschöpfung – wie an einem Sonntag nach einer fetten Party. Wo alle noch zusammen sind und man alles fröhlich verkatert ausklingen lässt. Ich singe „And it feels like …“ und dann spricht die Trompete das Gefühl aus. Ich muss das nicht in Worte fassen. Die Trompete klingt … (überlegt kurz)

… smooth?

Smooth! Es gibt aber auch noch weitere Stimmungen auf dem Album. Zum Beispiel bei „Good Bye Monkey Island“. Da erzähle ich von einem verrückten Traum, in dem ich mit meiner Trompete auf einer Insel aufwache. Die tanzenden Affen dort laden mich zum Feiern ein und wir haben zusammen eine geile Zeit. Wie schön alles auch ist, freue ich mich dann aber doch auch wieder darauf, nach Hause zurückzukehren. Das ist metaphorisch zu verstehen.

Als ich den Titel gelesen habe, hatte ich direkt den Song „El Mañana“ der Gorillaz samt Musikvideo im Kopf. Kennst du den Song? Ist dein eigener vielleicht davon inspiriert?

Das Video kenne ich nicht. Aber den Song schon! Auch „On Melancholy Hill“ fand ich immer cool. Die stellen sich in ihren Videos ja oft in einer dystopischen, fast apokalyptischen Szene dar, das hat mir schon immer gefallen.

Von „Good Bye Monkey Island“ gibt’s übrigens auch einen Remix von Kermesse auf meinem Album. Das Künstlerduo kommt aus Buenos Aires in Argentinien. Es wird noch eine komplette Remix-EP mit fünf Tracks vom Album geben, die am 19. September rauskommt. Dieser hier war aber schon fertig und hat einfach super mit zum Sound des Albums gepasst. Generell hab ich auf meinen Alben ja immer noch ein, zwei Remixe von Leuten mit drauf, mit denen ich kollaboriere. Kermesse hatte ich das komplette Album geschickt und gesagt, sie können sich was zum Remixen aussuchen. Ich war dann überrascht, dass sie sich ausgerechnet für diesen Song entschieden haben.

© Presse JPattersson
Würdest du unterschreiben, dass sich solche Kontakte und neu öffnenden Türen einfach fügen, indem ein Schritt zum nächsten führt? Indem man quasi einfach loslegt?

Ja, definitiv. Ich bin froh, in einer Szene unterwegs zu sein, in der die Leute nicht so abgehoben sind. Ich spreche von der Downtempo-Szene. Dadurch, dass es nicht so eine mega gehypte Geschichte ist und die Leute entspannt sind, kommen auch gute Kollaborationen zustande. Wenn man international unterwegs ist, ergeben sich dann vor oder nach Auftritten immer wieder interessante Gespräche und Möglichkeiten, sich auch mit Leuten aus anderen Ländern zu vernetzen und mit ihnen musikalisch zusammenzuarbeiten.

Schade, dass die diesjährige Festivalsaison dann leider untergegangen ist.

Ja, das ist super schade. Eigentlich hatte ich es konzipiert wie bei meinen vorherigen Releases: Das Album im Frühling raus hauen und dann im Sommer auf Tour gehen und die neuen Songs zu spielen. Das hat leider durch Corona nicht geklappt. Aber ich denke, die Musik wird trotzdem in den Köpfen der Leute sein, sodass ich dann nächstes Jahr noch Songs aus dem Album live spielen kann.

Warum hast du dich dann entscheiden, das Album trotzdem schon jetzt zu veröffentlichen?

Ich sehe das Ganze einfach als Gelegenheit für die Leute, sich gerade jetzt Zeit zu nehmen, sich mit den Sachen zu beschäftigen. Zum anderen hat sich daraus der Zufall gegeben, dass der Titel „Mood“ und das Fenster im Zusammenhang mit der häuslichen Quarantäne auch im symbolischen Sinne wirken: Trotz allem nach draußen schauen zu können und die Verbindung zur Außenwelt nicht zu verlieren. Gedanklich frei bleiben, auch wenn das nicht immer leicht fällt. Laut Feedback der Leute hat das auch schon funktioniert!

Bei mir auch. Ich finde, dass deine Produktion sehr frisch klingt und du in Verbindung mit modernen Pop-Produktionstechniken eine sehr transparente Dreidimensionalität an Sound erreichst. Produzierst du eigentlich komplett selbst?

Vielen Dank für das Kompliment! Die Produktion stammt komplett von mir. Außer das Mastern. Da find ich’s einfach clever, das abzugeben, damit noch mal jemand funktional mit anderem Gehör ran geht. Aber ansonsten: das Songwriting, Komposition und Mixing mach ich selbst. Natürlich hole ich mir dabei auch immer gerne Meinungen und Ideen von Freunden ein. Ich hab da weniger Bock auf Tutorials, sondern bin mehr der Try-and-Error-Typ. Ich mach das jetzt seit sechs Jahren. Bei der Percussion auf meinem neuen Album habe ich mich zum ersten Mal an Drumloop-Samples probiert. Zum Beispiel bei „The Run“: Den Shuffle-Beat, den du da hörst, habe ich umgekehrt und ein bisschen damit rumgespielt. Das Sounddesign ist bei mir Teil des kreativen Schaffensprozesses und fließt mit der Komposition zusammen. Das Unterwegssein und das Auftreten brauche ich auch als Inspirationsquelle, um im Studio aktiv zu werden.

© Mario Hartwig
Und wie inszenierst du dich dann live am liebsten?

Mein Setup besteht aus ein paar Controllern, Trompete, Mikro und Laptop. Ich habe Live-Versionen, in denen ich auf der Bühne noch die Länge beeinflussen und zusätzliche Effekte hinzufügen kann. Ansonsten mische ich mich selbst mit Effekten ab, singe, spiele Trompete und verwende hier und da kurze Samples. Für jeden Auftritt stelle ich ein neues Set je nach Gefühlslage zusammen. Vor Ort kann ich das noch ein bisschen anpassen – zum Beispiel wenn ich sehe, wer gerade vor mit steht, welche Stimmung herrscht, welche Uhrzeit ist oder was für Musik vor meinem Set läuft.

Und diese stimmungstechnischen Momentaufnahmen hältst du dann direkt fest und teilst sie mit deinen Fans über Social Media, oder?

Genau. Wo mein Label sich um Pressung und Vertrieb kümmert, ist es mir bei Social Media wichtig, dass ich das einfach selbst mache und setze dabei auf Authentizität mit Blick für Lustiges und Sachen, die mir einfach ins Auge fallen. Gerade wenn ich unterwegs bin – auf Reisen, im Ausland – ist es für mich eine ziemlich coole Beschäftigung, das Geschehen mit Freunden, Familie, Bekannten und natürlich auch Fans zu teilen und sie dadurch mit auf die Reise zu nehmen. Viele Follower bei Instagram habe ich auch durchs Rumkommen, durch Konzerte, Releases und Videos bekommen. Aber ich muss nicht auf Zwang Content bringen. Genauso wie ich auch meine Texte schreibe: Leicht, intuitiv und frech. Kein Bullshit und kein bla bla auf Zwang. Dann macht’s auch Spaß und die Leute interessieren sich wirklich dafür.

Hast du noch ein abschließendes Statement für deine Hörer?

Ich kann einfach nur sagen, dass ich hoffe, dass es in naher Zukunft wieder losgehen kann mit Konzerten und Auftritten. Ich möchte wieder das machen, wovon und wofür ich lebe. Dazu freue ich mich darauf, Freunde wiedersehen zu dürfen und mit Menschen eine gute Zeit teilen zu können – ohne Abstandspflicht. 

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