„Das ehrlichste Publikum der Welt ist die Straße“ Leipziger Musiker im Fokus: Schraubenyeti

Wo Klavierkünste und eine klanggewaltige Stimme aufeinandertreffen, könnt ihr den Schraubenyeti in seiner gewohnten Umgebung erleben.

Akustisch, authentisch, aufmerksamkeitsstark: Wo Klavierkünste und eine klanggewaltige Stimme aufeinandertreffen, könnt ihr den Schraubenyeti in seiner gewohnten Umgebung erleben. 

© Anne Gahlbeck

Barfuß am Klavier fühlt er sich am wohlsten und so gibt uns Martin kurzerhand am Lindenauer Markt einen kleinen musikalischen Vorgeschmack darauf, worauf wir uns bei seinem Albumrelease „Heute Gestern“ freuen dürfen. Die Geräuschkulisse der Straßenbahnlinie 15 kann seinem kräftigen Stimmorgan nichts anhaben und so zieht er reihenweise Passanten an, die fasziniert vor seinem rollenden Klavier stehen bleiben und zu seinen lebensfrohen bis nachdenklichen Texten mitwippen. „Auf der Straße zu spielen ist einfach abgefahren. Das ist ja jetzt kein Publikum, das gezielt kommt, um dich zu hören, sondern Leute, die einfach nur so vorbeilaufen. Wenn die das cool finden und dir ’nen Euro reinhauen, dann sagen sie dir: Hey, das ist geil!“ Der Impuls zu dem rollenden Piano kam ihm vor zwei Jahren, als er seinem Opa ein Geburtstagsständchen singen wollte. Nach und nach perfektionierte er seine Bus-Klavier-Konstruktion, pinselte sein selbstgezeichnetes Logo darauf und machte sich auf eine einjährige musikalische Reise durch Deutschlands Parks und Bühnen. Als „Ein Tier am Klavier” bezeichnet sich der sympathische Görlitzer nach seinem ersten Jahr als Vollzeit-Straßenmusiker und nahm daraufhin sein gleichnamiges Album auf. „Meine erste professionelle Aufnahme war eine ganz verrückte Nacht- und Nebelaktion”, lacht er, „irgendwie bin ich damals in einem Schloss gelandet und klimperte halbblind einfach drauflos. Das Ergebnis ist die raue, ehrliche Essenz meiner Musik. 

© Anne Gahlbeck

„Mama, ab heute bin ich Musiker!”

Auf seiner viermonatigen Reise nach Australien entstand dann Martins zweites Werk, seine EP „Out of Rooteny“. Rooteny? „Das ist eine Wortkombination aus Root, Routine und Teeny, die als Sinnbild für meine damalige musikalische Findungsphase steht. Bei einer so eingefahrenenen Familiendenke kann es ein ganz schöner Kampf sein, einfach zu sagen: Ab heute bin ich Musiker!“ Aber Martin wuchs nicht nur in seine eigene Rolle als Vollzeitmusiker hinein, sondern rief auch seine Begleitband ins Leben, die er liebevoll als Mammut bezeichnet. Ohne Verzerrer oder Strom erreicht das Mammut einen ehrlichen Folk-Rock-Sound, bestehend aus einem dreistimmigen Satzgesang, Kontrabass, Trommel, Saiteninstrumenten und natürlich dem Klavier. „Mein Anspruch war es, eine akustische Band zu haben, mit der ich mich überall einfach hinstellen und loslegen kann.“ Mit der zusätzlichen musikalischen Klangkraft entstand des Schraubenyetis zweites Album „Heute Gestern“, in dem er gesellschaftliche Dinge offen anspricht und aufrüttelnde Messages über gleichberechtigte Liebe, Sexismus und Depressionen auf der Straße verbreitet. In seinem Lied „Foto“ besingt er das typische Phänomen des unreflektierten Bilder-Knipsens, das über Instagram und soziale Medien gehyped wird. „Ich möchte den Menschen – und mir selbst auch – eine Art Spiegel vorhalten. Aber ich traue mich nicht nur mehr in meinen Texten, auch meine Mukke wird durch das Mammut raffinierter, fetter, breiter. Musik ist eben ein Prozess: Man wächst mit seinen Aufgaben.“ Seine volle musikalische Bandbreite präsentiert der Schraubenyeti am 10. Oktober bei seinem ersten Live-Konzert mit kompletter Band.  „Ich freue mich schon wahnsinnig, bin aber gleichzeitig auch super aufgeregt, so viele Leute zu koordinieren. Das wird auf jeden Fall eine verdammt geile Nummer!“ 

INFO Record Release am 10. Oktober 2018 im Werk 2 

Tickets 10,10 € | www.schraubenyeti.de

© Anne Gahlbeck