"Reading the crowd is the most powerful tool u can use as a DJ" Leipziger Musiker im Fokus: Sven Tasnadi

13 erfolgreiche Jahre DJ-Dasein verbucht der Leipziger Klangkünstler Sven Tasnadi bereits auf seinem Soundcloud-Konto – seither hat sich viel getan in der Musiklandschaft. Im Interview verriet uns der DJ wie er sich vom Konsumenten zum professionellen Produzenten der Elektroszene mauserte.

Was haben Nivea, Commerzbank und Always gemeinsam? Sie alle machen sich die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft zunutze und holen sich für die erfolgreiche Vermarktung ihrer Produkte hiesige DJ-Ikonen ins Boot. Warum auch nicht? Schließlich verleiht die elektronische Musik den Konzernen nicht nur deutlich mehr Schwung, sondern auch ein rar gewordenes jüngeres Publikum. Im Alltag sieht das dann so aus: E-Klänge in der Werbung, E-Musik im Radio und ein DJ-Überfluss, der den Deep- und Tech-House-Künstler Sven Tasnadi etwas beunruhigt, aber nicht entmutigt.  

 

© Mario Hausmann

„Jede Generation hatte ihre Musik“, erzählt uns der Leipziger Klangkünstler, der den unaufhörlichen DJ-Boom seit geraumer Zeit mit sorgenvoller Miene beobachtet. „Früher war es die Rockmusik, die hoch und runter lief und ich war froh, wenn ich in den 90ern anstatt eines Gitarren-Sounds einen Elektro-Song im Radio zu hören bekam. Momentan glaubt jeder Zweite, als DJ arbeiten zu können und Song für Song neu elektronisch interpretieren zu müssen. Niemand sieht sich dazu veranlasst, etwas Neues zu erschaffen.“ Dabei ist er selber DJ und als Produzent irgendwie auch ein Teil dieser Welle; dieses Trends oder ganz allgemein formuliert dieses Genres – allerdings nicht erst seit „gestern“. Seinen ersten offiziellen Auftritt im heute nicht mehr existierenden „Shootclub“ in Delitzsch wird er nämlich nie vergessen. Der Gig, dem er damals komplett aufgeregt entgegenfieberte, war eine kleine Privatparty mit maximal 50 Leuten. „Trotzdem war ich so nervös, dass ich dachte mich übergeben zu müssen.“ Erste „richtige“ DJ-Schritte machte Tasnadi dann 2005 gemeinsam mit Steffen Bennemann, heute Kurator der Nachtdigital-Crew, über ein Digital-Label. Weitere zwei Jahre später folgte mit „Collected Works“ die erste offizielle Vinyl-Release. „Ich bin manchmal etwas erstaunt, was ich seitdem alles veröffentlicht habe.“ Zum Glück erinnert ihn seine eigene Soundcloud-Historie daran, dass er allein in den letzten zehn Jahren über 125 Tracks und Remixe produzierte.

„Als DJ muss man ein Gefühl für Raum und Zeit entwickeln“

13 Jahre professionelle DJ-Erfahrung lassen vermuten, dass elektronische Tanzmusik für Sven Tasnadi weitaus mehr als ein moderner Publikums- und Produktmagnet ist. Es ist eine Leidenschaft und vor allem eine Kunstform, dessen wahrer Erfolg nicht in der Technik liegt. „Das Handwerk lässt sich aneignen, das Gehör trainieren, aber was sich nicht so einfach erlernen lässt, ist schlichtweg die Erfahrung. Als DJ muss man ein Gefühl für Raum und Zeit entwickeln und das geht nur über eine gewisse Sensibilität für das Publikum.“ DJ Sven Väth oder Laurent Garnier sind Meister ihres Fachs und für Sven Vorbilder, die jene Philosophie verkörpern, die über jeden seiner Auftritte schwebt: „Reading the crowd is the most powerful tool u can use as a DJ.“ Trotzdem erlebt er nach wie vor Situationen, in denen er sich über die Wirkung eines Tracks unschlüssig ist. Grund dafür sind unkalkulierbare Aspekte wie spezielle Uhrzeiten, touristisches Publikum oder der alles entscheidende Stimmungsfunke, der manchmal einfach nicht überspringen will. „Aber das gehört zum Geschäft!“ Im Notfall kann Sven auf ein stolzes Repertoire an Tracks und natürlich auf seine jahrelange Erfahrung zurückgreifen. „So schließt sich der Kreis“ lacht er und fügt an, „dass das neue Album zweifellos nach vorne geht!“

© Mario Hausmann
„Bridges“ nennt sich das gute Stück, das, wie der Name vermuten lässt, vor allem Brücken zwischen den unterschiedlichen Stilrichtungen, insbesondere House, Tech House, Deep House und Downbeat, schlägt – aber längst nicht nur. Insgesamt zwölf Tracks enthält das neue Werk, bei denen der Leipziger DJ und Produzent auch viel Unterstützung von außerhalb bekommt. Mit dabei sind Künstler wie David Jach, Huxley, Supernova, Filburt, Mac-Kee und Moses Mehdi: Ein klares Statement für Austausch und Zusammenarbeit – international und lokal! Ausgangspunkt seiner Arbeit – der sympathische Dialekt des Musikers verrät es – bleibt aber Leipzig. Er ist ein großer Fan der Distillery, regelmäßig im Eli anzutreffen und bleibt auf diese Weise mit seiner Heimat vernetzt. „Ich fand es schön, wie sich zuletzt vor allem die jungen Leute der Szene für die Abschaffung der Sperrstunde eingesetzt haben.“ Als Einheimischer ist Sven Tasnadi eben nicht nur ein DJ, der die Szene entscheidend mitgeprägt hat, sondern auch ein Konsument eben dieser. „Ich habe die Stadt noch erlebt, als hier „nur“ 450.000 Menschen wohnten. Durch den starken Zuzug ist alles viel lebendiger geworden. Das merkt man u.a. an den vielen kleine Cafés, die überall aus dem Boden sprießen. So etwas hätte es vor zehn Jahren nicht gegeben. Leider bin ich zu viel unterwegs, um all das auszutesten!“

Happy Release!

Bei all dem Wandel, betont Sven, habe sich aber vor allem eine Sache verändert – und das ist nicht die Ausdauer des Tanzvolks. „Bis neun oder zehn Uhr morgens habe ich schon immer auflegt, aber in den 90ern bin ich nicht nur mit Laptop bei den Veranstaltern aufgekreuzt.“ Die Schallplatten kosteten ihn damals im Schnitt 18DM. „Wenn du in einer Nacht hundert brauchst, weißt du, was du investieren musst, damit du zumindest ein Basis-Equipment zusammen hast.“ Wobei Sven eingesteht, dass der finanzielle Aspekt für ihn nie ein Hindernis darstellte. Ganz im Gegenteil: „Die Musik hat mich zu sehr gereizt, als dass ich diese Investitionen als Verzicht empfunden hätte. Wenn du etwas aus Leidenschaft machst, ist es eher ein Zugewinn.“ Heute steht die Musik zum Teil kostenlos im Internet-Regal. Sicher auch ein Grund dafür, weshalb gefühlt jeder Zweite DJ werden kann. Unentbehrlich bleiben das Gefühl, die Erfahrung und die Sounds, die Sven vor allem während seiner Live-Auftritte mit seinem Publikum erlebt und immer wieder ein bisschen anders interpretiert. Früher hatte er Bammel vor solchen Momenten, heute ist er froh, dass das Lampenfieber der ersten DJ-Stunden der Vergangenheit angehört. „Manche brauchen diesen Adrenalin-Kick, aber ich mag das Gefühl überhaupt nicht.“ Für den Fall der Fälle hilft ihm ein kleiner Schnaps, von dem es in der „Tille“ bekanntermaßen reichlich gibt. Am 2. November 2018 wird Sven Tasnadi dort sein neues Album „Bridges“ präsentieren. In diesem Sinne: „Happy Release!“

Web: soundcloud.com/sven-tasnadi

Am 2.November 2018 findet die Record Release-Party gemeinsam mit den Leipziger Kollaborateuren auf der Platte, David Jach und Filburt, in der Leipziger Distillery statt.

© Mario Hausmann