Charakterstark Made in Leipzig: Käse Lehmann

Seit vier Generationen stellt die Familie Lehmann in liebevoller Handarbeit den „Blauen“ Sauermilchkäse her: Wir warfen einen Blick hinter die Leipziger Käsetheke.

Sauermilchquark, der. Das ist die Grundzutat des „Blauen“, den wir wohl ruhigen Gewissens als die berühmteste Leipziger Käsespezialität bezeichnen können. Seinen farbigen Kosenamen verdankt das Milcherzeugnis seinem typisch grau-blauen Schimmelanstrich, welcher der leckeren Brotbeilage hier und da auch den Spitznamen Leichenfinger verleiht. Doch Aussehen hin oder her: die Produktion des „Blauen“ hat mittlerweile einen bitteren Beigeschmack für den kleinen Familienbetrieb Lehmann. 

© Anne Gahlbeck

Tüte aufreißen und schon kommt sie uns entgegen gepurzelt, die berühmte blaugraue Käserolle mit weißem Quarkkern, die wir am liebsten auf einer kräftigen Bauernstulle mit etwas Schmalz und einer sauren Scheibe Gurke genießen. Seit 1931 liegt die Produktion dieser Leipziger Käsespezialität in festen Händen der Familie Lehmann. Damals brachte Albert Lehmann den Sauermilchkäse noch mit Hilfe einer großen Eisenzange in die richtige Form. Daher rührt auch der Name: Handkäse. Heute erledigt diese Arbeit eine Maschine. Wichtigster Rohstoff bleibt aber der Sauermilchquark, der allerdings immer schwerer zu beschaffen ist. Grund dafür: Die Herstellung dieser Grundzutat ist ein Handwerk für sich, das leider wenig Geld einbringt und daher zusehends ausstirbt. Hinzu kommt, dass zahlungskräftigere Großbetriebe nach und nach die übrigen Molkereien, die dieses Handwerk noch beherrschen, aufkaufen und damit vom Markt nehmen. Unter dieser Entwicklung leiden vor allem kleine Käsereien, wie die der Familie Lehmann, denen die flächendeckende Vereinnahmung der ehemaligen Handwerksbetriebe regelrecht die Existenzgrundlage raubt. Die Großbetriebe produzieren derweil kostengünstig und vor allem autark ihren eigenen Quark. Im Unterschied zu Speisequark wird dem Sauermilchquark übrigens kein Lab untergemischt. Allein zugesetzte Milchsäurebakterien sorgen dafür, dass die Kuhmilch gerinnt.

Wie gewonnen so geronnen

Immerhin 80.000 Liter werden benötigt, um ausreichend Sauermilchquark für eine Ladung „Blauen“ herzustellen, verrät uns Bernd Lehmann, der den Betrieb immerhin 43 Jahre lang – von 1967 bis 2010 – leitete. Mittlerweile führt Tochter Beate die Tradition der Käseherstellung in Gohlis fort, während Sohn Erik in Markkleeberg die Produktion der leckeren Käsesalate und verschiedenen Aufschnittplatten obliegt. Seit vier Generationen wahrt die Familie jetzt schon ihre Käserezepte und hofft, den Betrieb – auch in schwierigen Zeiten – weiterzuführen.

Einen Eindruck von diesem beachtlichen Käsestammbaum, von den Höhen und Tiefen des Handwerks sowie den alten und neuen Produktionsmethoden, erhalten wir im Lehmann’schen Käsehaus, das direkt an die Produktions- und Reiferäume in der Breitenfelder Straße 39 anschließt. Auf einem großen Fernseher und urigen Holzbänken können wir uns nicht nur durch die vielseitige Käselandschaft kosten, sondern auch Ur-Ur-Käsevater Hermann beim Formen des „Blauen“ zusehen. Unsere Neugier zieht uns allerdings hinter die Kulissen der Käsetheke: Im Einwegoverall erkunden wir gemeinsam mit Beate Lehmann die heiligen Käseräume. Die Arbeit hier ist nichts für sonnenverwöhnte Sommerkinder: Käse mag es kühl – konstant versteht sich. Während uns acht Grad Raumtemperatur nicht gerade zum Verweilen einladen, gönnt sich der mit Kümmel und verschiedenen Salzen verfeinerte Sauermilchkäse hinter der nächsten Wand eine Woche Ruhepause. 

© Christian Hüller | Anne Gahlbeck

Auf stählernen Horten reifen die Rollen streng bewacht (von außen nach innen) vor sich hin, bis sie von fleißigen Händen vorsichtig „abgenommen“ und für den Weitertransport vorbereitet werden. Die wahren Abnehmer des „Blauen“ Sauermilchkäses sind aber hauptsächlich die Leipziger selbst – ob in Reinform oder in der Schmalz-Gurken-Kombination ist ungewiss. So oder so spricht viel für die Rolle, die nicht nur wegen ihrer Bekömmlichkeit, sondern auch aufgrund ihres geringen Fett- und hohen Eiweißgehalts so beliebt ist. Und da die auch in der Verpackung weiterreift, kann am Ende jeder selbst entscheiden, wie schimmelig er seinen Käse mag. Mit zunehmendem Reifestadium verwandelt sich der anfangs helle Sauermilchkäse mit großem quarkigen Kern jedenfalls in den berühmten blau-grauen Leichenfinger, den auch Frau Lehmann aufgrund des kräftigen Geschmacks bevorzugt.

Fein(e)kost: Neben dem berühmten Klassiker gibt es im Gohliser Käsehaus viele weitere Leckereien zu entdecken: Durch ein Schaufenster neben dem Geschäft lassen sich (meist mittwochs) die Käsekünstler bei der Produktion der „Sheepka“-Röllchen über die Schulter schauen. Aus der Maschine purzeln kleine weiße Frischkäseröllchen direkt auf einen Tisch mit Kräuterbett und werden dort liebevoll mit einem Kleid aus Dill und Knoblauch versehen – lecker!

Käse Lehmann

Leipziger Käsehaus, Breitenfelder Straße 39

geöffnet Mo bis Fr 9-18 Uhr, Sa 9-12 Uhr

Web: www.kaese-lehmann.com