Story of my life Mensch, Hund! Episode 7: Aus schwierigen Verhältnissen

Unkas’ rührende Herkunftsgeschichte.

Wir alle haben die Wahl.

Wir können uns aussuchen, wo wir leben wollen, wie wir leben wollen, mit wem wir leben wollen.

Nur eins lässt sich, ob Mensch, ob Hund, nie mehr ändern: wo wir herkommen.

 

Unkas Edward von Schleck, mein heutiger Begleiter auf vier Pfoten, hat als leiblicher Sohn
Waldemars von Schleck das Licht der Welt erblickt. Die von Schlecks, das höchste Dachshund-Adelsgeschlecht Sardiniens, hatten sich am Lago del Coghinas am Fuße des Monte Limbara, dem höchsten Gebirgsmassiv im Norden Sardiniens, niedergelassen. Jedoch zählten sie die gesamte Provinz Sassari zu ihrem Revier.

© Bianca Rositzka

Unkas’ Vater, von konkurrierenden Königsrudeln gern „Dagobert Dackel“ genannt, war Rudelführer in der 28. Generation. Er galt gemeinhin als großzügig, loyal und auf dem Boden geblieben. So rein wie seine Rasse war jedoch sein Gemüt nicht: Gern streunerte er mit seinen Cousins Rudolph und Balthasar, nicht selten tagelang, durch die Wälder des Monte-Limbara-Massivs und manchmal bis rein nach Oschiri, eine Gemeinde südöstlich des Lagos del Coghinas, in der auch Menschen lebten. Beim Streunern und Jagen vergaß Waldemar die Zeit, manchmal buddelte er sich stundenlang durch die trockenen Böden der Pinien oder ging verlockenden Gerüchen der sardischen Straßen nach und verpasste den Anschluss an seine Kompagnons. Es war eine Leidenschaft, die ihn sein Leben lang nicht losließ. Böse Zungen behaupten, es habe sich in den 500 Jahren der von-Schleck-Regierung doch mal ein Straßenköter unter die reinrassige Kurzhaar-Dackelgemeinschaft gemischt, weswegen Waldemar auch den Spitznamen „Wilder Waldi“ bekam. Doch das ist nur Hörensagen. 

Nicht von schlechten Eltern

In Oschiri waren Hunde nicht besonders willkommen, sie lebten zurückgezogen in dunklen Gassen oder verlassenen Gebäuden. Oft gab es Ärger mit den Zweibeinern, wenn sich ein bunt zusammengewürfeltes Hunderudel irgendwo etwas zu essen ergattern wollte. Zu einem solchen Rudel zählte sich mehr oder weniger auch Unkas’ Mutter, der man aufgrund ihrer markanten weißen Schwanzspitze irgendwann den Namen „Pennella“ (ital. pennello = Pinsel) gegeben hatte. Nella hatte schon ihr ganzes Hundeleben auf den sardischen Straßen verbracht, mal in Porto Torres am Golf von Asinara im Norden, mal weiter südlich in Mamoiada. Sie wusste sich durchzubeißen. Seit einer Weile nun war sie mit Stacys Rudel unterwegs. Stacy war eine besonnene Rottweiler-Dame, der als „Reine” unter den Straßenhunden eine besondere Kraft zugeschrieben wurde und die eine hohe Akzeptanz innerhalb des eigenen und anderen Rudels genoss.

Auch Nella schnüffelte gern mal abseits der Wege und verließ das Rudel, wenn sich eine inte-
ressante Spur auftat. So kam es, dass sie eines milden Morgens im April auf Waldemar traf, der seine Nase gerade in vielleicht noch essbare Dinge steckte, die ihn eigentlich nichts angingen. Waldemar sah die schöne Mischlingshündin mit den langen Beinen, Nella blickte in die treuen Augen des Dackelführers Waldemar – und die Geschichte nahm ihren Lauf … 

Das Schicksal der Straße

Leider war diese nur von kurzer Dauer. Als Nella bemerkte, dass sie trächtig ist, brach in ihr eine kleine Welt zusammen. Sie war klug genug, um zu wissen, dass ein Hund wie Waldemar, selbst wenn er wollte, niemals Mischlingshundekinder annehmen konnte. Und ihr war ebenso bewusst, dass sie es nicht schaffen würde, zusätzlich mehrere Junghunde zu versorgen. Als Unkas und seine fünf Geschwister auf die Welt kamen, gab sie allen Doppelnamen zum Zeichen ihrer Herkunft und versorgte sie noch ein paar Wochen unter dem Schutze ihrer Rottweiler-Freundin Stacy. Schließlich aber überließ sie das junge Geschwisterrudel seinem eigenen Schicksal auf der Straße.

Man weiß nicht mehr, was dann geschah. Man weiß nur noch, dass Unkas rannte. Er sprintete, er flog regelrecht immer weiter gen Osten, getrieben von einer unsichtbaren Energie, die es ihm ermöglichte, am Ende seiner Kräfte im fast 80 Kilometer entfernten San Teodoro an der Ostküste Sardiniens meiner Hundevermittlerin Claudia Frongia in die Arme zu laufen, die ihn in die Auffangstation „Hope“
mitnahm. Der Rest ist Geschichte.

Okay okay.

Manchmal ändert sich doch, woher man kommt. Zumindest für einen Hund, dessen Besitzerin am Ende eines verrückten Jahres ein bisschen durchdreht und sich eine kleine (Weihnachts-) Geschichte ausdenkt. Ich habe natürlich keine Ahnung, wer Unkas‘ Eltern waren, was ihm als Welpe zugestoßen ist oder wie genau er in Deutschland gelandet ist. Was mir aber bekannt ist, ist seine sardische Herkunft, die „Hope“-Hundestation des Saving Dogs e. V. und die Frau, die ihn aus einer sicherlich misslichen Lage gerettet hat.

Ich werde mich immer fragen, was seine Geschichte ist – seine intensiven Träume scheinen manchmal von einer tiefsitzenden Vergangenheit zu erzählen.  Aber im Grunde ist es nicht wichtig, woher er kommt und was mal war. Heute, hier und jetzt ist Unkas ein temperamentvoller, neugieriger, geduldiger, liebevoller, eher unsicherer und buddelfreudiger Leipziger Couchhund – mit dem Körperbau seines Dackelvaters und der weißen Schwanzspitze seiner Mutter.

Ihr wollt mehr über Unkes Hundeleben erfahren?

Dann schnppert mal in die Beiträge Mensch, Hund! „Spezial: Der Tickless Mini“ oder „Episode 5: Frühlingsgewühle“ hinein …