"Es gibt viele Dinge, die uns die Augen geöffnet haben." Of Mice & Men über harte Zeiten und das Leben als Musiker

Im Gespräch mit Drummer Valentino Artega reden wir u.a. über harte Zeiten und was er von der anstehenden Wahl in den USA hält.

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Die Kalifornier Of Mice & Men bleiben auch auf ihrem im September erschienenen 4. Studioalbum ihrem Stil zwischen Hardcore und NuMetal treu. Im Gespräch mit Drummer Valentino Artega reden wir u.a. über harte Zeiten und was er von der anstehenden Wahl in den USA hält.

Euer neues Album ist nun seit kurzer Zeit draußen, wie fühlt sich das an?

Wir sind gerade im Hypermode. Jeden Tag Signing-Sessions, wir spielen CD-Release-Shows etc. Aber wir haben lange an dem Album gearbeitet und sind wirklich glücklich, dass wir es jetzt draußen haben. Es ist wie Weihnachten!

Euer neues Album heißt „Cold World“, wofür steht der Titel?

Es geht um die persönliche, interne Welt. Der Titel ist ein allgemeines Statement. Jeder von uns trägt seine eigene Welt in sich, das ist unsere Existenz und bestimmt unsere Wahrnehmung. Es ist ein Kommentar zu unserer Realität und der kann von jedem Hörer anders interpretiert werden.

Wenn man das Album hört und die Videos dazu sieht, scheint es, als hätten die starken gesundheitlichen Probleme eures Sängers Austin Carlile viel Einfluss auf die Atmosphäre und das Songwriting gehabt. Wie hat euch das verändert?

Mit jedem Album versuchen wir, über unsere gegenwärtige Realität zu schreiben. Es ist wie ein Kapitel unserer eigenen Geschichte. Dieses mal waren Gefühle wie Schmerz und Wut ein starker Teil davon. In der Zeit nach dem letzten Album mussten wir aufgrund gesundheitlicher Probleme einige Touren absagen. Bei „Restoring Force“ (2014) waren wir gespannt und hoffnungsvoll. Dieses Mal war es düster. Es sind viele Dinge geschehen, die wir nicht verstanden haben. Der einzige Weg, dem etwas abzugewinnen war, zu schreiben und uns mit Musik ausdrücken. Wir mussten das irgendwie verarbeiten, um diese Gefühle nicht für immer zu behalten.

Im Vergleich zu euren älteren Sachen steckt mehr Rock’n’Roll in „Cold World“. Seid ihr erwachsener geworden?

Ja, da hast du absolut recht! Alle Songs haben damit angefangen, dass wir zu fünft in einem Raum gejammt haben. Wir wollten ein organisches Album machen, wie in den frühen 90ern. Viel aus diesen Zeiten ist nicht so geprägt von Massenproduktion. Es waren oft einfach fünf Typen, die in einem Raum über das, was in der Welt passiert, gejammt haben. Das ist die Art und Weise, wie wir dieses Album angegangen sind. So haben wir das zuvor nie gemacht. Du kannst es daher tatsächlich als Reifeprozess betrachten. Es gibt viele Dinge, die in der Welt passieren, die uns die Augen geöffnet haben. Wir reisen ja überall hin und sehen all die Tragödien. Die Musik reflektiert die Gefühle, die wir hatten. Und die sind nicht positiv. Das ist anders, als bei den anderen Alben und deswegen klingt es auch anders.

Ich schätze, der Sound spielt auch eine wichtige Rolle. Der Drumsound auf „Cold World“ ist ja nicht der typische, digitalisierte Metalsound.

Yeah, absolut! Es ist alles natürlich. Wir haben uns dabei viel an Bands wie Tool, Rage against the Machine und A Perfect Circle orientiert. Da gibt es Alben, auf denen du die Menschlichkeit in der Musik, die Person hinter dem Instrument wirklich hören kannst. Wenn wir ein Album machen, wollen wir genau das, wir wollen diesen Sound wieder zurückbringen! Heute ist alles so oversampled. Wenn du das Radio anmachst, hörst du nur Kick-Trigger. Für uns klingt Musik nicht so.

Was ist deine persönliche Faszination am Schlagzeuger-Dasein?

Ich mag es, mich selbst herauszufordern. Je mehr man in die Musik einsteigt, desto technischer und abgefahrener muss das Drumming sein. Über die letzten paar Jahre habe ich aber realisiert, dass das Schlagzeug mehr ist, als nur ein Instrument für Rhythmen. Es bestimmt das Tempo der Musik und dabei geht es nicht um den ganzen krassen, technischen Kram, den du auf unseren älteren Alben hören kannst. In der letzten Zeit habe ich gemerkt, dass die Drums als Grundlage für die Musik fungieren. Das Schlagzeug muss helfen, den Flow in die Musik zu bringen und den Melodien die Möglichkeit geben, wirken zu können. Es geht vor allem darum, allem den richtigen Raum zu geben. Deswegen mache ich gerne Aufnahmen, da lernt man das.

Ist es so cool, ein Leben als Musiker zu führen, wie man es sich vorstellt?

Ich würde es gegen nichts in der Welt eintauschen. Für mich ist Musiker sein eine sehr erfüllende, außergewöhnliche Erfahrung. Wenn du dich dazu berufen fühlst und es aus den richtigen Gründen machst, fühlt es sich eigentlich nie wie ein richtiger Job an. Es ist vielleicht manchmal stressig und du hast andere Probleme als normale Leute, aber das ist alles relativ. Manchmal wird’s anstrengend, aber dann realisierst du, dass du tust, was du schon immer machen wolltest!

Ich kann mir vorstellen, dass die ein oder andere absurde Situation entsteht, wenn eine Horde Typen für lange Zeit in einem Bus aufeinander hockt. Erzählst du uns eine deiner Lieblingstourgeschichten?

Auf der einen Tour hatte wir eine Busparty. Wir haben die Dachluken aufgemacht und sind mit Leuten auf dem Dach rumgelaufen. Erzähl’s nicht der Busfirma! Das war vielleicht keine besonders schlaue Idee, aber eine gute Party!

Gibt es einen Unterschied zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Publikum?

Ja, absolut! Deutsche Fans sind wild! (lacht) In Deutschland haben wir immer einige der besten Shows gespielt. Wir freuen uns schon darauf, unsere Fans durchdrehen zu sehen. Das macht immer enorm viel Spaß!

Die Wahlen in Amerika rücken ja immer näher. Verrätst du uns deinen favorisierten Präsidentschaftskandidaten?

Nobody for Präsident! Ich verlange eine neue Wahl!

Du bist also nicht zufrieden mit den Kandidaten?

Überhaupt nicht! Es ist echt traurig, aber die Realität ist, dass viele von uns gar nicht zu Wort kommen. Am Ende entscheiden leider nicht wir. Die Politiker machen das alles unter sich aus. Wir sitzen hier herum und sie treffen die Entscheidungen.

Info: Leider musste das Konzert zur „Cold World“-Tour am 21. Oktober 2016 im Täuchenthal aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden.