Interview mit Michael Mittermeier über Comedy, Donald Trump und Fußball Mittermeier: „Kaufbremse beim Fußball wäre wie Orgasmusbremse beim Pornofilm“

Wir sprachen mit Michael Mittermeier über die Entwicklung der Stand-up Comedy und warum Donald Trump und das Fußballgeschäft Realsatire par excellence sind.

© Jan Frankl
Nach 20 Jahren ist Michael Mittermeier am 21. Oktober 2017 im Schauspiel Leipzig wieder Gast der Lachmesse. Wir sprachen mit dem 51-Jährigen über die Entwicklung der Stand-up Comedy und warum Donald Trump und das Fußballgeschäft Realsatire par excellence sind.   

Du bist Stand-up Comedian der ersten Stunde. Was hat sich in der Comedy-Szene in den letzten 30 Jahren so getan? 

Am meisten verändert hat sich, dass es vor 30 Jahren überhaupt keine Comedy-Szene gab. Es gab eine Kabarett- und eine Kleinkunst-Szene. Leider hat sich das Ganze irgendwann in diesen Begriffen schubladisiert. Es gab dann Comedy oder Kabarett – und das sollte etwas ganz anderes sein, was ich so nicht empfinde. 

Es war sehr vieles anders. In den 80ern war es eine wilde Zeit, in der man auf der Bühne einfach alles machen konnte. Deswegen mochte ich auch die Kleinkunst-Szene immer sehr gern. Als ich angefangen habe, war die vor allem in Bayern sehr stark und groß. Es gab viele offene Bühnen. Das ist in den 90ern ein bisschen untergegangen. Jetzt aktuell tut sich in diesem Bereich wieder was. Die Menschen probieren sich aus, egal ob Gedichte lesen, Sketche, Musik. Der Begriff des Stand-up Comedian ist erst spät entstanden. Damals kannte ich zwar das Wort, aber hierzulande konnte man damit nichts anfangen. 

Du wirst als Pionier der Stand-up Comedy bezeichnet. Das ist ein großes Wort. 

© Manfred Baumann
Es ist ein sehr großes Wort. Es ehrt mich, wenn Leute mir das zugestehen. Anfang, Mitte der 90er waren Menschen wie ich die ersten, die diese Szene beackert und die Formen von Kabarett, Kleinkunst und Comedy miteinander verquickt haben. Für mich fasst das auch Stand-up Comedy zusammen. In meine Programme habe ich deutsche, bayerische und internationale Einflüsse gebracht. Deswegen war ich anders als andere. 

Das ist ja immer so, als neue Generation waren wir natürlich anders als die Kabarettisten, die schon 50, 60 Jahre alt waren. Die hatten eine völlig andere Erfahrung und im Grunde genommen auch eine andere Welt in ihrer Jugend erlebt. Deswegen war das dann einfach etwas völlig anderes. Und wenn man sich heute die Szene anschaut, ist es auch wieder ganz anders. Und das ist gut so. Ich finde es toll, dass sich die Jungen selbst organisieren mit z.B. Open Mic Nights. 

Dein aktuelles Bühnenprogramm heißt „Wild“. Um was geht es da? 

Das ist ein zweieinhalbstündiger wilder Ritt durch die Welt, durch den Alltag, durch unser Hirn. Im Grunde über alles, was da stattfindet, was uns nervt, was wir lieben, was wir schön finden, was wir hassen. Ich glaube, deswegen macht es den Leuten so Spaß. . Das Programm läuft auch schon eine Zeit, ich habe es aber immer wieder upgedatet. 

Laut Programm geht es „nach 2.000 Jahren widerspenstiger Zähmung der Menschheit um die Frage: Wo warst Du das letzte Mal wirklich wild?“ Und? 

Ich kann die wilde Seite immer auf der Bühne sauber rauslassen. In der Oper ginge das nicht. Wenn ich mich dort hinstellen würde und eineinhalb Stunden meinen Laberflash abgäbe, dann hätte ich sicherlich Probleme (lacht). Aber so gehe ich auf die Bühne und kriege noch Geld dafür. Ich muss nicht mal den Hut hinhalten. Das ist schon schön. 

Wild kann ja auch sein, wenn man wilde Gedanken hat. Lass es einfach zu, solange andere nicht verletzt oder diskriminiert werden. Das ist z.B. das Coole an Kindern, die sind wild, weil sie nicht darüber nachdenken, ob sie z.B. diplomatisch sein müssten. Die sagen einfach: Du bist ein Blödi. Da gibt es keine Schattierung. 

Du engagierst dich abseits der Bühne politisch. Findest du, dass Prominente in der Verantwortung stehen? 

Nicht in der Verantwortung. Ich bin immer gegen Regeln, in denen es heißt, alle prominenten Menschen müssten bspw. sagen, was sie wählen. Müssen sie nicht. Es muss keiner was. Ich bin ein politischer Mensch, auch unabhängig von dem, was man auf der Bühne sieht. Es umgibt uns ja auch in unserem Alltag, es bestimmt unser Leben. Und da geht es nicht nur um nationale Politik.  

Spielst du auf etwas Bestimmtes an?

Ja, es umgibt uns auch, wenn sich Donald Trump mit Kim Jong-un Wortgefechte liefert. Lass irgendwann doch ein falsches Wort zu viel gesagt werden und wir wissen nicht, was passiert. Ich habe keine Angst davor, dass Nordkorea Deutschland mit einer Atombombe angreift – das wird nicht passieren. Aber genauso wenig möchte ich sehen, dass Seoul plötzlich weg ist. Da leben schließlich auch ein paar Millionen Menschen. Das wäre ja das Ende vom Lied: Man könnte Kim Jong-un bombardieren – dann wird er alles losschicken, was er hat und es werden Millionen Menschen sterben. Das ist eine Schwachsinns-Option.  

Eine der nächsten Fragen wäre gewesen, was dich wütend macht … 

Es ist einfach absurd, dass wir so einen Präsidenten in Amerika haben. Es ist wie eine Sitcom. Die Serie „House of Cards“ ist mittlerweile wie so ein Tätigkeitsbericht. Wenn du etwas wirklich Lustig-Schreckliches und Tragisches erleben willst, dann guck dir mal das Weiße Haus an. Schau dir mal eine Pressekonferenz an und du fragst dich nur noch: Really, really? Das hat er wirklich gesagt? Es ist völlig absurd und eine schräge Welt. Das Gute daran ist, als Comedian kann ich das antriggern. Da geht es auch nicht darum, Leute zu belehren. Ich will das Absurde darstellen. So, dass die Leute auch darüber lachen können. Ich bin in erster Linie ein Unterhalter. Und ich glaube, in der heutigen Zeit brauchen die Menschen das besonders. Wenn wir über die Dinge lachen können, können wir auch mal von einem anderen Blickwinkel aus draufschauen. 

Ich will niemanden belehren – das wird eh nicht passieren. Weil die, die anderer Meinung sind, hassen mich sowieso und beschimpfen mich für die Satire. Aber trotzdem, mir als politischer Mensch ist schon wichtig zu zeigen, wo ich stehe. Genau wie es auch andere Millionen Menschen machen, die vor ihrem Freundeskreis oder woanders sagen, für was sie einstehen.  

Die Macher von „House of Cards“ wissen auch nicht mehr, wie sie die Dramaturgie noch steigern sollen, weil die Realität mit Trump absurder ist als die Serie. 

Wenn ich Produzent von „House of Cards“ wäre, würde ich sagen: We are fucked. Du musst dir mal vorstellen, dass zwischen den Drehbüchern und dem Ausstrahlen der Staffel mindestens anderthalb Jahre liegen. Wenn du jetzt etwas schreibst, kann diese Welt in fünf Monaten eine ganz andere sein. 

Wir haben einen kranken Narzissten als amerikanischen Präsidenten. Das hat nichts mit politischer Einstellung zu tun. Der liebt nur eines: sich selbst. Er hat kein Programm, nur einen Spiegel. Da guckt er rein, findet sich super geil, geht in den Keller, macht es sich selber und twittert nebenbei. Wir leben in einer Welt, die sehr gefährlich ist. Kleinste Dinge können Krisen und Kriege auslösen. Insofern wäre es mir ganz recht, wenn da einer stehen würde, der wenigstens etwas in der Birne hat. Und das hat Trump nicht. Die ganz Rechten in den USA lieben ihn, weil er das Weißeste sein wird, was jemals im Weißen Haus sitzen wird. 

© GEPA pictures/ Roger Petzsche

Neben Politik ist Fußball auch ein sehr emotionales Thema. Du bist Bayern München-Fan. Derzeit rumort es kräftig im Verein, sei es wegen des Trainers Ancelotti oder mannschaftsintern. Wie siehst du das? 

Die Frage ist: Was passiert in dem Verein? Und das schon seit langer Zeit. Die müssen das auf die Reihe kriegen. Und mit der Strategie, dass man sich noch ein paar Spieler einkauft, ist es nicht getan. Irgendwas läuft nicht rund. 

Das Problem beim FC Bayern ist aber auch immer: Kaum gewinnen sie ein Spiel, heißt es, es ist die beste Mannschaft Europas. Spielen sie mal unentschieden oder verlieren, heißt es: Oh mein Gott, der FC Bayern auf Zweitliganiveau. Auch dieser Spagat ist absurd. Ich bin es ja gewohnt, als Bayernfan beschimpft zu werden … Im Grunde ist es egal. Ich war schon als Kind Bayernfan – du wechselst deinen Fußballverein nicht, genau wie du deine Lieblingsband nicht wechselst. 

Robert Lewandowski hat in dem vieldiskutierten Interview im „Spiegel“ Aussagen getätigt, die widerspiegeln, wie sich der moderne Fußball entwickelt hat: Dass es vorwiegend um Geld und nicht um Treue zum Verein geht. Wie hast du das wahrgenommen? 

Jeder von den Spielern gibt das wieder, was er sieht und seine eigene Wahrheit ist. Und ich finde, dass sie das auch gerne sagen dürfen. Wo ist das Problem? Damit müssen der Verein und die Rummenigges und Hoeneße dieser Welt umgehen. Aber dass Fußballer auch mal was sagen, ist doch ok. Warum sollte man ihnen das verbieten? 

Aber es ist auch einfach eine Welt, die schräg ist. Da läuft Paris Saint-Germain auf, die gerade für 450 Millionen Euro Spieler gekauft haben. Man denkt sich: Oho, die haben 50 neue Spieler verpflichtet. Nee. Drei. Das ist per se schon fast Satire. 

Aber so ist der Fußball eben. Ich rege mich darüber gar nicht auf. Das ist freie Marktwirtschaft. Du kannst niemandem verbieten, dieses oder jenes zu tun. Wie soll denn eine Kaufbremse funktionieren? Beim Fußball?! Das wäre so, als wenn du sagst: Lass mal eine Orgasmusbremse beim Pornofilm reinbauen. Daher: Entspannt euch, lasst die machen, geht ins Stadion und freut euch, wenn eure Mannschaft gewinnt. Ich finde, man sollte sich eher auf Themen wie Doping stürzen. Ob der Verein nun 50 Millionen mehr zahlt … 

In ihren Fußballgremien sollten sich die Funktionäre klarwerden, ob das der Sport ist, den sie wollten. Wenn nicht, dann können sie sich zusammenhocken und nach Lösungen suchen. Das ist nicht unser Job. Ich will ein schönes Spiel sehen.  

Auch RB Leipzig polarisiert und war vergangene Saison das einzige Team, das sich anfangs tabellarisch in der Nähe der Bayern aufgehalten hat. Hast du die Leipziger verfolgt? 

Ja. Und auch da verstehe ich den ganzen Drumherum-Wahnsinn nicht. Die haben einfach einen geilen Job gemacht. Leipzig hat letztes Jahr als „No Name“ das Feld von hinten aufgeräumt. Das fand ich toll. Die haben einen wahnsinnig guten Fußball gespielt. Und wenn das jemand tut, kriegt er auch seinen Erfolg. Das ist wunderbar. Mir ist es ja lieber so, als wenn immer dieselben vier Mannschaften oben stehen. 

  

Lachmesse 2017 

Zum 27. Mal findet vom 15. bis 22. Oktober 2017 Deutschlands großes internationales Kabarett- und Kleinkunstfestival auf den Bühnen Leipzigs statt. Euch erwartet ein Mix an politischer Satire, Kabarett, Musik und Comedy.

Wir verlosen 2×2 Tickets für Michael Mittermeier. Hier geht’s zum Gewinnspiel.

Mittermeier live:

• am 17. November 2017 im Theater am Kurfürstendamm in Berlin 

• am 24. Januar 2017 im Alten Schlachthof in Dresden