„Ich stelle hier zunächst hohe Ansprüche an mich selbst“ Neuer SC DHfK-Cheftrainer Michael Biegler im Interview

Anfang des Jahres schloss sich Michael Biegler dem SC DHfK an – zum zweiten Mal, denn bereits 2013 arbeitete er für vier Wochen als Interimstrainer in Leipzig.

Michael Biegler, 56 Jahre alt, wurde in Leichlingen geboren. Seit über 30 Jahren arbeitet er als Handballtrainer. Er betreute u.a. Bundesligisten wie den Wilhelmshavener SV, den SC Magdeburg und den HSV Hamburg sowie die polnische Herren-Nationalmannschaft. Für die EM 2016 und die WM 2017 coachte Michael Biegler die Deutsche Damen-Nationalmannschaft. Anfang des Jahres schloss er sich dem SC DHfK an – zum zweiten Mal, denn bereits 2013 arbeitete er für vier Wochen als Interimstrainer in Leipzig.

Sie sind zum zweiten Mal Trainer in Leipzig und waren auch Wunschkandidat des SC DHfK. Warum haben Sie sich erneut für Leipzig entschieden?

Weil ich viele Dinge kenne, weil ich in einer sehr schwierigen Situation hier beim SC DHfK aufgeschlagen bin und damit auch die Menschen in einer extrem schwierigen Situation kennengelernt habe. Es hat damals sehr, sehr gut funktioniert. Man muss ja schon sagen, dass der SC DHfK sich in einem kompletten Flow befindet, siehe der Aufstieg aus den unteren Ligen bis nach oben in die Bundesliga. Aber es gab eben 2013 auch die Phase, wo ein sehr geschätzter Kollege von mir ins Trudeln gekommen ist und wo wir hier was reparieren mussten. Das war eine sehr intensive Zeit und ich habe auch Karsten Günther (Geschäftsführer des SC DHfK, Anm. d. Red.) und André Haber (Trainer des SC DHfK, Anmerkung d. Red.) kennengelernt. Das hat trotz schwieriger Situation sehr gut funktioniert. Ich habe im Nachgang diese vier Wochen als eine spannende und tolle Zeit empfunden. Die Stadt ist sowieso wunderschön. Von daher lag das sehr nah, als die Anfrage noch einmal kam.

© Steffen Landschreiber
Sie haben gesagt, dass Sie die Arbeit als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft kompletter gemacht hat. Was haben Sie dort für Ihre weitere Arbeit mitgenommen?

Natürlich wird man als Trainer kompletter, wenn man in der gleichen Sportart beide Geschlechter unter seinen Fittichen hatte. Obwohl ich da als Trainer nie einen Unterschied gemacht habe. Der ehemalige Sportdirektor des DHB, Wolfgang Sommerfeld, hat das mal gut umschrieben: Wir differenzieren immer sehr stark in Deutschland und machen zwei unterschiedliche Sportarten daraus, obwohl es die gleiche Sportart ist. In den skandinavischen Ländern ist es mehr Gang und Gäbe, dass Trainerkollegen einfach auch zwischen Männer- und Frauenbereich wechseln. Das ist bei uns seltener.

Bei mir ist natürlich in den 20 Monaten Arbeit mit der Frauen-Nationalmannschaft einiges hängen geblieben. Ich habe auch nach wie vor sehr viele Sympathien für das Projekt. Es war nach meiner langen Erfahrung im Männerhandball sehr spannend zu sehen, wie viel sich da bei den Frauen umsetzen lässt. Und es war eine tolle Zusammenarbeit mit den Ladies, die haben über die 20 Monate auch eine überragende Arbeit geleistet. Dass wir am Ende unser Ziel verpasst haben mit dem WM-Halbfinale, ist analysiert und das Kapitel ist abgeschlossen.

Sie waren Nationaltrainer bei den Männern Polens, Co-Trainer der deutschen Herren-Nationalmannschaft, haben aber ebenso einige Handball-Bundesligisten trainiert. Wo sehen Sie Unterschiede?

Diese Gesamterfahrung stellt einen Trainer anders auf. Auswahltrainer zu sein ist eine andere Arbeit. Sie haben nicht den täglichen Kontakt und die Auseinandersetzung mit den Spielern. Man trifft sich nur alle paar Monate und muss genau abwägen: Was kann man in den betreffenden Zeiträumen auch wirklich umsetzen von dem, was man an eigenen Vorstellungen hat? Was kann so eine Mannschaft dann da leisten? Zumal auch die Spieler ja nicht tagtäglich zusammenarbeiten – während das bei einem Bundesligisten ganz anders läuft. Dort sind die Spieler ständig beieinander, da gibt es dann ganz, ganz schnell Entwicklungen. 

Ich persönlich habe mich in meinem Trainerdasein ja sehr damit beschäftigt, neue Trainingsmethodiken zu entwickeln. Ich habe auch noch zwei, drei Punkte, wo ich ganz gerne ein paar Weiterentwicklungen machen würde. Die lassen sich mit einem Bundesligisten weitaus besser umsetzen als mit der Nationalmannschaft, wo der zeitliche Rahmen extrem beschnitten ist. 

Sie sagen von sich selbst, dass Sie kein „Systemtrainer“ sind; d.h. Sie arbeiten mit den Spielern, die eben da sind, in einer Mannschaft …

So bin ich groß geworden. Meine Ausbildung, die sehr langfristig war als Co-Trainer unter namhaften Trainern, ist eine andere. Und eines muss man berücksichtigen: Es hat hier einen Trainer gegeben, dem der Verein sehr vertraut hat. Sie haben eine ganz langfristige Planung gemacht. Für dieses System, was der Trainer spielen wollte, wurden die Spieler verpflichtet, und leider hat sich der Trainer für einen anderen Job entschieden. Die erste Frage der Offiziellen an mich war natürlich: Wenn ich jetzt komme, brauche ich dann zehn neue Spieler? Und da konnte ich alle Beteiligten beruhigen, weil ich eben einen anderen Werdegang habe. Ich komme also nicht mit einem anderen System und sage: „Ich kann mich hier nicht messen lassen, weil hier nicht die richtigen Spieler sind!“ Glücklicherweise ist das genau andersherum. Ich werde mit den Spielern, die hier sind, versuchen, die bestmögliche Performance zu erreichen.

Welches Spielsystem wird mit den Leipziger Spielern entstehen?

Die Zeit muss man mir geben, das herauszufinden. Von dem Team, was ich 2013 trainiert habe, sind nur Lukas Binder und Lukas Krzikalla noch da, ansonsten sind da viele neue Gesichter. Allerdings auch Spieler, mit denen ich schon woanders zusammengearbeitet habe – wie Andreas Rojewski, Jens Vortmann, Milos Putera … Ich finde einfach das ganze Projekt und den Werdegang des SC DHfK sehr spannend, weiß allerdings auch, dass der SC DHfK sich seit 2013 immer noch komplett im Flow befindet – und irgendwann mal geht nicht mehr alles so steil bergauf weiter. Man muss dann auch mal ein paar Wochen überstehen, wo es nicht so gut läuft.

Der Start zeugt schon davon: Wir haben nicht nur die Nationalspieler, die wir abzustellen haben, sondern wir haben auch Ausfälle wie Niclas Pieczkowski; und wir haben auch einen Ausfall von zwei Spielern auf einer Position mit Franz Semper und Andreas Rojewski. Da muss die Mannschaft noch enger zusammenrücken, da müssen wir Lösungen finden. Aber jetzt gerade haben wir ja eine wesentlich entspanntere Situation als 2013, wo wir unbedingt die Liga halten mussten.

Wie sind Ihre Eindrücke des Teams nach den ersten Trainingseinheiten?

Ich bin sehr angetan. Die Mannschaft ist sehr ansprechbar. Ich habe meinen Spielern nach dem ersten kurzen Trainingsblock von acht Einheiten attestiert, dass wir darauf achten müssen, dass einzelne Übungen auch in der richtigen Qualität zu absolvieren sind, aber dass das Engagement überragend ist. Alle sind sehr fokussiert und es ist natürlich auch eine neue Situation für die Mannschaft, denn bisher gab es wenig Abstellungen von Nationalspielern und es gibt auch wie beschrieben einige Verletzte. Es ist zum ersten Mal eine Situation, wo die Mannschaft nur mit acht oder neun Spielern im Training ist. Das ist neu und darüber müssen wir auch mit ihr sprechen. Es finden Einzelgespräche statt, wie auch 2013. Da war es aufgrund der Situation allerdings sehr eng getaktet. Jetzt ist alles viel entspannter.

© Rainer Justen

Worauf müssen sich die Spieler im Training neu einstellen? Sie sprachen davon, dass Sie noch an neuen Trainingsmethodiken feilen möchten.

Ich habe z.B. zu Beginn schon einen neuen Athletik-Parcours vorgestellt. Dabei geht es darum, Athletik noch gezielter auf unsere Sportart anzuwenden. Wir arbeiten handballspezifisch, was die Ausdauer angeht. Wir haben ja dauernd mit Stopps und Wendungen, kurzen und langen Sprints, Sprüngen usw. zu tun. Das alles spiegelt sich in dieser Methodik wieder. Aber letztlich geht es hier um Leistungssport. Wir werden hinterher daran gemessen, ob sich das auch in Erfolg ummünzt. Und alles andere zählt für mich nicht.

Was sind kurzfristige und langfristige Ziele, die Sie mit ihrer Arbeit hier angehen?

Eines ist der Jugendbereich: Jetzt nehme ich mir auch mal die Zeit, Jugendtrainings anzuschauen, was 2013 nicht möglich war. Ich schätze den Nachwuchsbereich hier sehr, allerdings müssen wir den auch weiter entwickeln. Wir müssen wettbewerbsfähig gegenüber anderen Internaten oder Schulen sein. Ich finde, unser Nachwuchsbereich ist gut aufgestellt, ist aber auch immer wieder etwas, das man überprüfen muss, um sich weiter zu entwickeln. Ich habe mit den Jugendtrainern ein Büro, da tauschen wir uns auch aus. Wobei ich niemand bin, der erklärt, wie etwas auszusehen hat. Ich komme erst einmal an, verschaffe mir einen Eindruck und mache mich schlau. Aber ich weiß, dass der Verein sich weiterentwickeln will – und dafür bin ich hier.

Ein anderes ist der Bundesliga-Bereich, wo wir auch versuchen, die Mannschaft weiter zu entwickeln. Der Verein möchte sich im Rahmen bis 2020 in Richtung Europa bewegen, allerdings auch mit der Einbindung des wirklich sehr exzellenten Nachwuchsbereiches. Aber wie gesagt, die Konkurrenz ist groß, andere unternehmen im Jugendbereich auch sehr große Anstrengungen. Nicht nur die Hochkaräter der Liga wie Kiel, Flensburg, Berlin, Magdeburg, sondern auch Melsungen, Hannover oder Göppingen.

Wie ist die Zielstellung in der zweiten Saisonhälfte? Was ist am Ende auch im Vergleich zu den anderen Mannschaften aus Ihrer Sicht drin?

Eins ist klar und das haben wir mit der Mannschaft auch so besprochen: Sie muss sich bewusst sein, dass die ausbleibenden Spiele der Saison schon in einer anderen Dimension daherkommen. Man kann es ganz deutlich machen an den Gegnern, die gerade vor uns stehen. Alle sieben müssen noch einmal bespielt werden, fünf davon allerdings auswärts. Das macht schon einen Unterschied. Da braucht man nicht lange für eine Analyse, um zu wissen: Das wird eine große Herausforderung. Hinzu kommt jetzt die personelle Situation, nämlich dass wir wegen der Verletzungen von Rojewski und Semper in den nächs-ten Wochen ohne eigentlichen etatmäßigen Rückraum rechts auskommen müssen.

Sie haben als Handballtrainer und als Referent für Handballsport in vielen verschiedenen Ländern gearbeitet, unter anderem auch in Brasilien. Können Sie uns ein bisschen teilhaben lassen an ihren Erlebnissen? 

Ich bin 2003 vom brasilianischen Handballverband eingeladen worden, um die brasilianischen Torhüter auf die Panamerikanischen Spiele vorzubereiten. Das war schon eine sehr emotionale Erfahrung. Ich glaube, jeden Einzelnen von uns Trainern prägt auch die Auseinandersetzung mit Spielern aus verschiedenen Ländern. Ich hatte mal einen Torhüter, mit dem ich auf Französisch sprechen musste, weil er kein Englisch und kein Deutsch sprach. Das war genauso spannend wie in Brasilien, wo ich versuchen musste, mit Dolmetscher und ein paar portugiesischen Ausdrücken ein Torwarttraining umzusetzen. Das sind alles Erfahrungen. 2008 war ich dann noch an der Universität in Belo Horizonte in Brasilien geladen und habe mehrere Vorträge gehalten. 2012 war ich für die IHF (Internationale Handballföderation, Anm. d. Red.) auf einem Symposion in Doha. Das war anlässlich der Vereins-Weltmeisterschaft (Super Globe, Anm. d. Red.)genauso spannend.

Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit vom Verein, den Fans und dem Umfeld?

Ich stelle hier zunächst hohe Ansprüche an mich selbst. Ich weiß, dass die Leipziger ein fantastisches Publikum haben. Ich habe mich 2013 hier sehr, sehr wohl gefühlt. Daher ist es hier kein Neuland, aber es ist etwas, das sich zwischenzeitlich weiter entwickelt hat. Es wird sehr spannend sein, weil auch die Zuschauerzahlen andere sind. Und da wünsche ich allen, weil gerade die Jahreswende war, ein gesundes und entspanntes 2018.

Nächste Heimspiele:

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