Pothead-Sänger Brad im Interview Pothead-Interview: Grunge-Hype hat die Szene in Seattle kaputt gemacht

Mit ihrem neuen Album „Jackpot“ bescheren Pothead ihren Fans selbigen. Im November beehrt das Trio das Werk 2. urbanite sprach vorab mit Sänger Brad über so manche Hypes.

Mit ihrem neuen Album „Jackpot“ bescheren Pothead Liebhabern erdiger Rockmusik selbigen. In den letzten 21 Jahren hat sich die Band eine außerordentlich treue Fangemeinde erspielt, inklusive dem eigenen Festival Potstock. urbanite sprach mit Sänger Brad über so manche Hypes.

© Marc Bernot

Ihr habt ausgerechnet Anfang der 90er Jahre Seattle verlassen und seid nach Berlin gekommen – zur Hochzeit des Grunge. Wie kam das?

Zu der Zeit haben wir eigentlich alle gedacht, die ganze Szene wäre vorbei (lacht). Niemand hat damit gerechnet, dass Grunge so groß wird. Es war für alle wirklich eine Überraschung. Außerdem war es immer auch ein Ziel jeder Band aus Seattle, auch woanders zu spielen. Dass Jeff und ich in Deutschland geblieben sind, war mehr ein Zufall, niemand hatte das geplant. Wir wollten eigentlich nur Urlaub machen.

Habt ihr den Zeitpunkt im Nachhinein bereut?
Nein, definitiv nicht. Das ganze Grunge-Ding war so ein Hype. Es hat die Szene in Seattle ein bisschen kaputt gemacht. Also eigentlich war das Timing ganz gut (lacht).

Mit „kaputt gemacht“ meinst du, dass es zu sehr aufgebauscht wurde?
Oh ja, über Nacht kamen tausende von Bands nach Seattle. Die haben gedacht, sie könnten gleich Erfolg haben wie Pearl Jam oder so. Aber solche Bands und solche Leute machen keine lebendige Musikszene, es waren viele Idioten dabei (lacht).

Ihr habt die Wendezeit in Berlin hautnah miterlebt. Da ist ja viel passiert – politisch und kulturell.
Es war eine sehr aufregende Zeit. Anfang der 90er war eine andere Atmosphäre in der Stadt, sogar ein anderer Geruch. Es lag etwas in der Luft.
Es hat auch eine andere Energie gehabt. Seitdem wurde viel saniert. Es ist schön geworden, aber es ist definitiv anders (lacht). In den 90ern war Berlin ein Traum! Es war ganz offen und hatte viele Underground-Kneipen und -Clubs. Es ist immer noch schön, aber das war eine besonders schöne Zeit. Ab den 2000er Jahren gab es dann einen richtigen Hype.

„Jackpot“ wird von den Kritikern gefeiert – überrascht?

Ja, ein bisschen schon. Ich habe jetzt auch nicht unbedingt damit gerechnet, dass wir eine schlechte Kritik bekommen. Ich denke, die haben gemerkt, dass es einen Tick eine andere Energie hat wegen des neuen Schlagzeugers (Nick spielte zuvor bei Knorkator, Anm.d.Red.). Aber es macht für das nächste Album auch ein bisschen mehr Druck (lacht).

Internet: Fluch oder Segen?

Für uns ein absoluter Segen. Wir hatten mit unserer Plattenfirma sehr schlechte Erfahrungen gemacht: Die haben uns belogen und sogar Geld geklaut – das kannst du dir nicht vorstellen, was da alles passiert ist. Wir hatten Angst, weiter Verträge zu machen. Eigentlich wollten wir nur
gerne Musik machen und Spaß haben. Also haben wir uns eine Homepage gebaut, mit einem eigenen Shop dran. Wir haben eigentlich damit gerechnet, dass das die Zukunft für jede Band sein wird. Wir waren dann ein bisschen überrascht, als wir merkten, dass es nicht so war und dass die Bands mit diesen Scheiß-Plattenfirmen immer weiter gearbeitet haben. Die Plattenfirmen wollen 360-Grad-Verträge machen, bei denen sie einfach alles kriegen: die Konzertgage, die Merch und auch alles vom Plattenverkauf. Und ich denke mir: Meine Güte, wer unterschreibt so einen Vertrag?

Aber warum unterschreiben dann trotzdem viele Bands?
Ich glaube, viele jüngere Bands wollen gerne berühmt sein und denken, dass sie das so machen müssen. Ich finde das traurig, weil ich wirklich denke, dass das Internet eine große Gelegenheit für viele junge Bands bietet. Dort können sie ihre Musik direkt unters Publikum bringen.

Und trotzdem seid ihr nicht wirklich aktiv bei den Social Media Kanälen wie Facebook, Twitter und Co.
Die haben immer so ein paar Maßgaben und Geschäftsbedingungen und Punkte drin – ich vertraue denen nicht so gerne. Und ich habe auch ein Problem mit diesem Massenhype. Das nervt! Es kann schnell peinlich sein (lacht).

Wart ihr schon öfter in Leipzig?
Wir kommen immer gerne nach Leipzig. Das Publikum ist ein bisschen die Richtung wie in Berlin – einen Tick alternativ und es gibt viele Künstler. In letzter Zeit ist es ziemlich populär geworden. Es ist wie mit Berlin, alle Leute heuern an: ‚Das ist eine tolle Stadt mit billiger Miete’ – und dann kommt die Welle (lacht).

Du hast also vom Leipzig-Hype gehört?
Ja natürlich! Wir in Berlin sagen alle: ‚Hey, geht nach Leipzig’ (lacht).

Pothead tritt am 8. November 2013 im Werk 2 auf.

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