Sind wir nicht alle ein bisschen Bauhaus? Rezension: BAUHAUS_SACHSEN im GRASSI Museum für Angewandte Kunst

Unser Blick auf die neue BAUHAUS_SACHSEN-Ausstellung im GRASSI Museum für Angewandte Kunst.

Wenn selbst Steve Jobs sich zu dem Einfluss der Bewegung auf das Apple Design bekannte, muss man schon eingestehen: Bauhaus hat die Welt verändert. Mag sein, dass der eine oder andere bei dem Gedanken an Stahl, Glas und Beton mit den Augen rollt, denn die Philosophie der Bauhäusler scheint in der Überschwemmung durch billige, aber modern-schöne Massenprodukte verloren gegangen. Da lohnt sich zum 100-jährigen doch eine Auffrischung. 

© Alexandra Demming

Die Ausstellung „BAUHAUS_SACHSEN“, seit dem 18. April 2019 im GRASSI Museum für Angewandte Kunst zu sehen, ist vielschichtig. Es ist, als würde man durch Studienräume wandern. Beim Eintritt in die Ausstellung trifft man vorweg auf das Studienprogramm des Bauhaus-Stils. Im Gründungsjahr des Staatlichen Bauhaus 1919 – ein Jahr nach Kriegsende – geht es in Deutschland vor allem um Neuausrichtung und Aufbau. Ein Neuanfang, den Walter Gropius auf eigene Weise begehen und gestalten will. Ein Labor (altsprech: Lehranstalt) für experimentelle und universelle Lösungsansätze auf Probleme des Alltags seiner Zeit. Zugrunde liegt ein völlig neues Konzept. Er will die Moderne in die Haushalte bringen, sie über Alltagsgegenstände und Architektur sichtbar und für den kleinen Mann erschwinglich machen. Umgesetzt werden soll das durch einen ebenso völlig neuen interdisziplinären pädagogischen Ansatz: Fachwissen meets Freigeist.

Moderne heißt Pragmatik. Form follows function ist der Leitspruch. So werden Formen von der damals üblichen ornamentalen Optik befreit, auf das grundlegendste reduziert, analysiert und neu gedacht. Durch den handwerklichen Blick auf das Material und einer freien künstlerischen Gestaltung soll das volle Potenzial ausgeschöpft werden. Denn die Bauhaus-Lösungen sollen in alle Bereiche des Lebens eingreifen. Der Mensch ist dabei immer im Mittelpunkt und Maß aller Dinge.

© Alexandra Demming

An den Wänden finden sich systematische Skizzen, grafische Analysen, bildnerische Suche nach Formsprache und Fotografien aus der Studienzeit. In den Vitrinen Werkstücke und Kataloge. Man spürt den Epos und die andauernde Inspirationskraft. Dies kommt in der Gegenüberstellung mit den Werken zeitgenössischer Künstler zum Tragen, die sich rezeptorisch, kritisch, konzeptionell oder analytisch mit den Konzepten und der Einflussnahme und der Vision des Bauhaus in der Gegenwart auseinandersetzten. Kuratorisch wird man offen durch die Arbeitsthemen Theater, Keramik, Interieur, Typografie, Grafikdesign, Textil und Architektur geleitet und räumlich-atmosphärisch vom Gestern ins Heute geführt, denn die Grenzen sind fließend. Erzählt wird die Geschichte der Bauhäusler mit der Region Sachsen. Durch die geografische Nähe bildeten sich schnell intensive Kooperationen mit der Industrie, den Intellektuellen, dem Verlagswesen und Museen, um neue Ideen nicht nur zu entwickeln, sondern auch umzusetzen.

Die Arbeiten der Bauhäusler sind zum Teil aus der eigenen Sammlung des GRASSI Museums, welches damals einen regen Kontakt zum Bauhaus pflegte. So war das Museum nicht nur Plattform und Förderer, wie durch die Grassimessen und Ausstellungen damaliger Zeit, sondern aktiver Partner. Ausdruck dessen sind die 18 monumentalen Fenster des Bauhausmeisters Josef Alberts im Haupttreppenhausgemäuer des Museums, die im Zweiten Weltkrieg zerstört und detailgenau wieder rekonstruiert wurden. Die Entwürfe Alberts findet man in der aktuellen Ausstellung neben weiteren großen Meistern wie Wassily Kandinsky, Paul Klee oder Làszlò Moholy-Nagy wieder. So liegt es auf der Hand, dass das GRASSI Museum einer der ausgewählten Orte der „Bauhaus100: Grand Tour der Moderne” ist. 

© Alexandra Demming

Sonderausstellung BAUHAUS_SACHSEN noch bis 29.09. im GRASSI Museum für Angewandte Kunst

www.leipzig.de/bauhaus100

DRUMHERUM 

Offenes Bauhaus : Westbad Leipzig

30.06.2019 offene Türen im Westbad, Odermannstraße 15, 10-13 Uhr,

Führung jeweils 10:30 und 11:30 Uhr (um Anmeldung wird gebeten),

www.westbad-leipzig.de

Druckkunst 1919 : Das Bauhaus und seine Vorläufer im grafischen Gewerbe

30.6. – 27.10.2019 Auststellung im Museum für Druckkunst, Nonnenstr. 38, Mo-Fr 10-17 Uhr und So 11-17 Uhr,

öffentliche Führungen je sonntags 12 Uhr

www.druckkunst-museum.de

Tschechische Avantgarde – Zirkus in der Druckerei.

Kabinettsaustellung bis 11.8.2019 im Deutschen Buch- und Schriftmuseum, Deutscher Platz 1, Di-So 11-18 Uhr und Do 10-20 Uhr

www.dnb.de/dbsm

Bauhaus : Modell und Mythos

22.8.2019 Filmabend in der Bibliothek Südvorstadt, Steinstraße 42, 19 Uhr

www.stadtbibliothek.leipzig.de