Der richtige Stoff zur richtigen Zeit Rezension: Schauspiel Leipzig – „Jeder stirbt für sich allein / Die Leipziger Meuten“

Das Schauspiel Leipzig feierte am 18. Januar die Premiere von „Jeder stirbt für sich allein / Die Leipziger Meuten“ – eine Verknüpfung aus Hans Falladas gleichnamigem Roman und dem historischen Phänomen oppositioneller Jungendcliquen der 30er Jahre – den sogenannten Leipziger Meuten.

© Rolf Arnold
Das Schauspiel Leipzig feierte am 18. Januar 2019 die Premiere von „Jeder stirbt für sich allein / Die Leipziger Meuten“  – eine Verknüpfung aus Hans Falladas gleichnamigem Roman und dem historischen Phänomen oppositioneller Jungendcliquen der 30er Jahre – den sogenannten Leipziger Meuten.

Als der eiserne Vorhang nach oben fährt, tauchen wir als Zuschauer ein in eine städtische Kulisse. Auf der Drehbühne steht ein imposantes, mehrgeschossiges Mietshaus. In den Fenstern sind die Bewohner zu sehen, auf der Straße davor tummeln sich junge Leute, die Nazipropaganda von den Hauswänden reißen. Es ist eine beklemmende Stimmung, aggressions-geschwängert auf der einen Seite, ängstlich und unruhig auf der anderen.

„Jeder stirbt für sich allein“ erzählt von dem Ehepaar Quangel, das ihren Sohn an der Front verliert. In ihnen regt sich Widerstand gegen das Naziregime und sie beginnen, trotz drohenden Todes, Postkarten in der Stadt auszulegen, mit denen sie zum Aufstand aufrufen. Die Gestapo ist ihnen auf den Fersen, am Ende werden Otto und Anna Quangel hingerichtet. Falladas Roman basiert im Wesentlichen auf einer realen Begebenheit. Regisseur Armin Petras verkettet diese Geschichte mit den Leipziger Meuten, die durch Auseinandersetzungen mit der Staatsjugend und einheitlicher Kleidung während der NS-Zeit auffallen und sich als Alternative zur Hitlerjugend gründeten.

Das Stück erzählt in einer aufwändigen Produktion von Verrat und Denunziation, von der Angst in einem autoritären Regime, von Verzweiflung, Mut und Widerstand und von Hoffnungslosigkeit.

Diese Grausamkeiten werden durch Humor aufgelockert. Das Publikum lacht über den gewollten Witz, doch eigentlich steckt in jeder Sequenz eine bitter ernste, schreckliche Wahrheit.

© Rolf Arnold

„Verbrecher werden immer Verbrecher bleiben und es sind heute mehr als früher“

Es ist das richtige Thema zur richtigen Zeit. Die Kombination der beiden Stoffe ist überaus gelungen, gibt uns Einblick in den Widerstand verschiedener Generationen und punktet durch den lokalen Bezug. Das Bühnenbild ist beeindruckend, das Aufgebot an zeitgenössischen Theatertricks groß, die schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten hervorragend. Formal überaus gelungen, an inhaltlicher oder eher emotionaler Tiefe fehlt es uns hingegen an manchen Stellen. Stattdessen prasselt eine Bilderflut auf das Publikum ein, etliche Schubladen werden aufgemacht, die die vielschichtigen Gesichter der Menschen während der NS-Zeit veranschaulichen, doch nur wenige werden wieder richtig geschlossen. Menschen werden verraten, verhaftet, gefoltert und ermordet – die Bühne ist am Ende übersät mit Leichen, aber irgendwie lässt uns das als Zuschauer ziemlich kalt. Es ist ein erträglich gemachtes Stück – doch stellt sich die Frage, ob Theater erträglich sein muss.

Insgesamt ist es ist ein bildgewaltiger, unterhaltsamer Abend, der zum Nachdenken anregt. Fragwürdig bleibt die Notwendigkeit vieler albern wirkender Witze, vor allem angesichts der Tatsache, dass sich der Beginn des 2. Weltkriegs nun zum 80. Mal jährt und die Landesparlamente sowie der Bundestag sich wieder mit Ideologien gefüllt haben, die wir für längst überwunden hielten.

Jeder stirbt für sich allein / Die Leipziger Meuten

Schauspiel Leipzig, Große Bühne

Dauer ca. 3:10, eine Pause | Karten ab 14 €

Nächste Termine: 08.02.2019 / 27.02.2019 / 06.03.2019 / 24.03.2019 / 12.04.2019 / 09.05.2019 / 16.06.2019