„Wir attackieren uns hart, danach helfen wir uns auf und alles ist okay“ SC DHfK Leipzig: Philipp Weber im Interview

Im Gespräch erzählt uns Philipp Weber, wie er die Handball-EM erlebt hat und was er von Handball-Schiedsrichtern hält.

Für Philipp Weber vom SC DHfK Handball war die Handball-EM das zweite große internationale Turnier seiner Karriere. Als Rückraumspieler der Deutschen Nationalmannschaft steigerte sich der 27-Jährige von Spiel zu Spiel und gilt in der Nachschau als einer der Lichtblicke des Teams. Im Gespräch erzählt uns Philipp Weber, wie er das Turnier erlebt hat, was er von Handball-Schiedsrichtern hält und warum er und RB-Stürmer Timo Werner gewissermaßen ein besonderes Verhältnis zueinander haben.

© Rainer Justen

Philipp, gerade noch warst du bei der EM unterwegs, sofort im Anschluss ging es dann wieder in der Bundesliga für den SC DHfK weiter. Du hast auch dort gleich wieder voll mitgespielt. Wie geht es dir momentan?

Gut so weit, so langsam fühle ich mich auch körperlich wieder richtig gut. Die ersten Tage nach der EM waren schon hart, muss ich sagen. Da war auch die Lust auf den Sport nicht so gegeben. Aber das ist glaube ich auch normal, dass man den Schalter nicht sofort umlegen und wieder voll einsteigen kann.

Hättest du dir ein bisschen mehr Zeit zwischen der EM und der Bundesliga gewünscht?

Absolut. Drei Tage sind extrem wenig. Wir müssen als Sportler akzeptieren, dass es nur so wenig Zeit zum Regenerieren gibt. Aber es ist natürlich nicht in unserem Sinne, von A nach B zu fahren, 8 Spiele in 16 Tagen zu bestreiten und gleich eine Woche später wieder ein Bundesliga-Spiel zu machen. Das ist aus meiner Sicht unverantwortlich. Wir müssen uns fügen und das hinnehmen. Aber ich wünsche mir schon, dass man ein bisschen mehr auf den Sportler achtet und uns auch schützt.

Es ging ja bei dieser EM auch nicht nur um eine An- und Abreise, sondern gleich um mehrere, weil der Wettbewerb in drei Ländern stattfand.

Wir waren, glaube ich, mit Spanien die einzige Mannschaft, die wirklich in jedem Land gespielt hat. Das heißt, wir hatten auf jeden Fall zwei Flüge mehr als jedes andere Team. Und wenn man sieht, dass man für ein Spiel um Platz 5 noch mal 3.000 Kilometer durch Europa fliegt, um 60 Minuten Handball zu spielen, finde ich das sehr fraglich. „Fliegen“ hört sich zwar immer relativ entspannt an, aber es ist mehr dahinter. Du bist drei Stunden im Flieger und auch vor und nach dem Flug kannst du eine Zeit lang nicht regenerieren.

Das Kroatien-Spiel in der Hauptrunde war wahrscheinlich der Knackpunkt im Turnier. War euch das nach der knappen Niederlage bewusst?

Jetzt im Nachhinein ist es schon bewusst. Im Turnier hast du kaum Zeit, darüber nachzudenken, weil du ja kurz danach wieder spielst. Da versuchst du, so eine Niederlage schnellstmöglich aus dem Kopf zu bekommen. Aber ja, die Niederlage gegen Kroatien war extrem bitter. Das Spiel zeigt auch die Nähe der Spitze im Handball. Jeder kleine Fehler wird sofort bestraft. Man muss wirklich über 60 Minuten voll da sein und nicht nur über 50 oder 55 Minuten. Denn dafür sind die Kroaten einfach zu gut und nutzen das aus. Es war definitiv ein Knackpunkt für unseren Turnierverlauf. Wenn wir das Spiel gewonnen hätten, dann wären wir sicherlich ins Halbfinale gekommen. Am Ende ist es auch bitter, dass wir mit zwei Niederlagen gegen die beiden Finalisten (Spanien und Kroatien, Anm. d. Red.) Fünfter geworden sind. Wenn man sieht, dass Slowenien mit vier Niederlagen Vierter wird.

Deine Leistung wurde im Turnier immer besser. Würdest du dich persönlich als „Gewinner“ des Turniers bezeichnen?

Ja, wenn man sich die Nachberichterstattung angehört hat, kann ich sicherlich schon sagen, dass ich mit Jogi Bitter und Timo Kastening einer der Gewinner des Turniers war. Es freut mich natürlich extrem, dass ich der Mannschaft helfen konnte. Ich fahre nicht zu einer EM und sage, ich möchte jetzt hier der neue „Local Hero“ werden – ich möchte mit der Mannschaft Erfolg haben. Und wenn ich der Mannschaft mit meinen Leistungen helfen kann, dann ist das für mich ein schönes Gefühl. Für mich war auf der Position Rückraum Mitte vor allem wichtig, dass ich die Spielsteuerung hinbekomme. Ich musste mich vor dem Spiel also darauf vorbereiten, was wir spielen wollen und wie. Was ist für den Gegner passend? Das sind Dinge, auf die ich mich konzentriert habe. Dabei musste ich durchgehen, wie man spielt, wenn ein Spiel gut läuft, und auch wie man spielt, wenn es nicht so gut läuft. Du musst dir im Klaren darüber sein, wie du deine Leute einsetzen kannst. Darauf habe ich mich viel mehr konzentriert als auf mich selbst, weil ich wusste, dass es besser ist, wenn alle gut im Spiel sind. Dann sind wir als Mannschaft gefährlich und danach kann ich auch meine Stärken im „Eins gegen Eins“ besser einsetzen. Und auch das habe ich mir gesagt: Wenn ich ins „Eins gegen Eins“ gehe, dann zu 1.000 Prozent – und entweder es funktioniert oder nicht.

Nun wurde nach der EM für viele Betrachter überraschend der Bundestrainer Christian Prokop entlassen. Deshalb überraschend, weil es kurz nach der EM noch die Aussage gab, dass er auf jeden Fall bis zum Qualifikations-Turnier für die Olympischen Spiele Trainer bleiben soll. War die Entscheidung für dich nachvollziehbar?

Für mich war das auch extrem überraschend. Als wir als Mannschaft von Uwe (Schwenker, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes, Anm. d. Red.) die Nachricht bekommen haben, war das schon ein Schock. Ich habe persönlich nicht damit gerechnet, weil wir ja eigentlich auch mit unserem Auftreten bei der EM, denke ich, unterstrichen haben, dass wir mit Christian weiterarbeiten wollen. Was aber im Hintergrund genau ablief, das wissen wir als Mannschaft auch nicht, weil wir in die Entscheidung nicht einbezogen waren. Ich habe mich auch mit einigen Kollegen darüber unterhalten und wir sprechen da alle die gleiche Sprache: Es war für uns nicht zu erwarten. Wir als Mannschaft hatten ein gutes Verhältnis zu Christian. Aber wir müssen das nun akzeptieren und jetzt mit Alfred (Gislason, neuer Bundestrainer, Anm. d. Red.) möglichst schnell einen guten Weg finden, damit wir unser Ziel – die Qualifikation für die Olympischen Spiele – erreichen.

Kennst du Alfred Gislason eigentlich persönlich?

Ich kenne ihn nur als Beobachter. Wie er als Trainer ist, habe ich selbst noch nicht erlebt. Er ist natürlich jemand, der einem Spieler schon mit seiner Präsenz viel geben kann. Er hat viel durchgemacht, ist über Jahre in dem Beruf, war lange bei Teams wie Magdeburg oder Kiel und kann uns deshalb in der Nationalmannschaft auch helfen. Ich bin gespannt, wie das sein wird und ob ich dabei sein darf. Ich muss abwarten, worauf Alfred Wert legt. Aber ich hoffe natürlich, dass ich in seinen Überlegungen auch eine Rolle spiele.

© Rainer Justen

Ich würde gerne noch mal etwas vom Sportlichen weggehen: Was sind denn so deine Orte in Leipzig? Wo kann man dich treffen und wo kannst du entspannen?

Ich bin jeden Tag in der Dankbar auf der Jahnallee. Ich kenne die Jungs, die dort arbeiten, richtig gut und bin da einfach gerne. Es ist ein Café, wo sich auch mein Freundeskreis immer wieder einfindet. Manchmal geh ich auch alleine hin und treffe eigentlich immer Leute, die ich kenne. Es gibt super Essen und es ist einfach ein geiler Laden – aufgebaut in einer alten Fleischerei. Das hat Charme und deshalb bin ich sehr gerne dort.

Wie sieht für dich ein perfekter Tag in Leipzig aus?

Der perfekte Tag beginnt früh morgens mit Ausschlafen, in die Dankbar fahren, frühstücken oder Mittag Essen, Kaffee trinken. Dann geht es meistens zum Training. Und insgesamt versuche ich einfach, möglichst viel Zeit mit Freunden zu verbringen oder auch mit Leuten, die ich nicht so oft sehe – als Sportler haben wir ja wenig Zeit. Meine Freunde müssen auch nichts mit Handball zu tun haben. Abends gehe ich dann vielleicht auch noch mal ins Kino oder ganz entspannt Abendessen.

Wie oft wirst du eigentlich mit Timo Werner verwechselt?

(Lacht) Schon des Öfteren. Ganz oft kommt auch die Frage, ob ich sein Bruder bin. Und ich werde auch öfter nach einem Foto gefragt, weil die Leute denken, dass ich Timo bin. Ich stelle das dann aber schon klar und sage, dass ich nicht derjenige bin, für den sie mich halten. Timo und ich scherzen eigentlich mehr darüber. Wir haben halt eine gewisse Ähnlichkeit. Aber spätestens, wenn man die Körpergröße von uns beiden sieht, müsste man merken, dass der eine der Handballer ist und der andere der Fußballer. Auf jeden Fall ein lustiger Aspekt, da schmunzeln wir gerne drüber. Mittlerweile kommen aber auch viele zu mir, weil sie wissen, wer ich bin. Und das ist natürlich ein schönes Gefühl.

Du bist sicher auch einer der bekanntesten Leipziger Handballer. Wie sieht es eigentlich mit einer Vertragsverlängerung aus? Seid ihr in Gesprächen?

Also momentan nicht. Ich denke, dass ich mir nach den Olympischen Spielen die ersten Gedanken darüber machen werde. Noch habe ich ja eineinhalb Jahre Zeit und da kann viel passieren. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass ich mich hier wohlfühle und dass ich nicht nur im Sport viele Freunde gefunden, sondern mir auch drumherum ein Netzwerk aufgebaut habe. Ich bin gerne hier.

Du hattest auch mal angedeutet, international spielen zu wollen.

Da müsste man sich sicherlich zu gegebener Zeit noch Gedanken machen, was man persönlich als nächsten Schritt machen möchte. Aber erst mal erfülle ich auf jeden Fall meinen Vertrag und von daher gibt es für mich jetzt keinen Grund über andere Angebote nachzudenken.

Bist du eigentlich Fußballfan?

Ja.

Dann hast du es ja mitbekommen, dass jetzt wieder häufiger über Schiedsrichter-Entscheidungen diskutiert wird, weil die Schiedsrichter in der Fußball-Bundesliga dazu angehalten sind, stärker bei Unsportlichkeiten durchzugreifen. Warum sind solche Dinge, wie abfällige Gesten oder Rudelbildungen, ein Problem beim Fußball, aber nicht beim Handball?

Bei uns Handballern wird es eben knallhart bestraft und es ist beim Handball vielleicht auch ein bisschen eindeutiger, Sachen zu sehen, weil das Feld relativ klein ist. Beim Fußball kann auch mal etwas im Rücken eines Schiedsrichters passieren. Klar verstehe ich auch die Diskussion, die jetzt aufkommt. Es wurde oft nicht geahndet. Jetzt auf einmal wird es gemacht. Du musst dich als Spieler auch erst mal umstellen. Und ich finde auch, dass man nicht versuchen sollte, die Emotionen künstlich durch Bestrafungen rauszunehmen. Man muss einfach ein gewisses Fingerspitzengefühl als Schiedsrichter haben, um das gut einzuordnen. Aber wenn sich der Schiedsrichter eben angegriffen fühlt und das nicht als Vorbild für andere Leute sieht und deshalb verwarnt, dann müssen das die Spieler einfach akzeptieren. Und ja, die Theatralik im Fußball ist eine ganz andere als beim Handball.

Warum ist das so?

Das kann ich schwer sagen. Vielleicht wurden wir Handballer anders erzogen. Ich finde das Schöne an unserem Sport ist, dass man sich während des Spiels „auf die Fresse haut“ und nach dem Spiel ist alles wieder gut. Oder man foult jemanden, akzeptiert eine Strafe und alles ist gut. Das ist vielleicht beim Fußball nicht so oft der Fall. Da wird sich gerne mal theatralisch fallen gelassen, um dem Schiedsrichter zu zeigen, dass irgendwas gewesen sein muss. Aber eigentlich war gar nichts. So etwas gibt es beim Handball nicht. Wir attackieren uns hart, danach helfen wir uns auf und alles ist okay. Dass man dabei nicht immer mit den Strafen der Schiedsrichter zufrieden ist, das ist sicherlich normal. Ich finde es einfach ein schöneres Beisammensein, wenn alle respektvoll miteinander umgehen. Der Ton macht die Musik. Und wenn ich merke, dass der Schiedsrichter mir Respekt gegenüber zeigt, dann mache ich das bei ihm genauso. Das hat sich bei uns in der Liga wirklich gut eingegroovt, weil die Schiedsrichter jeden einzelnen Spieler schon gut kennen. Insgesamt ist Fairness beim Handball einfach ein ganz großer Faktor. Und Schiedsrichter machen auch mal Fehler, das ist menschlich.

© Rainer Justen
 

Kommende Heimspiel des SC DHfK in der QUARTERBACK Immoblien ARENA:

8. März 2020, 16 Uhr: SC DHfK Leipzig – Die Eulen Ludwigshafen

26. März 2020, 19 Uhr: SC DHfK Leipzig – SG Flensburg-Handewitt