Lichter der Erinnerungen Sigrid Sandmann plant zum Lichtfest eine Großprojektion

Zum Lichtfest im Herbst plant Sigrid Sandmann eine große Licht-Wort-Projektion. Im Vorfeld gab die Hamburger Künstlerin Einblicke in ihre Arbeit.

Am 9. Oktober 1989 zogen zehntausende Bürger friedlich um den Leipziger Ring und forderten überfällige Reformen in der damaligen DDR ein. Der Sturz des greisen Erich Honecker ließ nicht mehr lange auf sich warten. Im Herbst jährt sich die Friedliche Revolution zum 25. Mal und wird beim Lichtfest mit hochkarätigen Gästen gefeiert. Zahlreiche Künstler präsentieren ihre Projekte zum Thema. Eine von ihnen: Sigrid Sandmann, die eine Lichtprojektion aus Gedanken und Erinnerungen plant.

© Lucas Böhme
Seit Ende Juli recherchierte die freischaffende Künstlerin aus Hamburg in der Messestadt und suchte den Austausch mit heute 50-60jährigen Zeitzeugen über ihre Erfahrungen in der DDR und danach. Sie selbst gehört zur gleichen Altersgruppe, außerdem haben gerade diese Menschen den Bruch nach dem Ende der DDR und die Veränderungen sehr bewusst miterlebt, begründete die gelernte Siebdruckerin ihre Auswahl. Auch sie selbst als gebürtige Hildesheimerin hatte schon vor 1989 Kontakte zu einer Freundin in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), trampte Anfang der 80er Jahre mit ihrem Mitbewohner nach Budapest und erlebte die schikanöse Einreiseprozedur an der Grenze zur DDR. Vielleicht erklären auch diese Erfahrungen ihr Interesse am Thema DDR und Friedliche Revolution.

Dankbarkeit und Enttäuschung zugleich

Bei ihren Gesprächen traf sie auf sehr interessierte und reflektierte Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen. Kritiker des DDR-Staates fanden sich darunter ebenso wie Systemnähere, die Mehrzahl jedoch ließ sich keinem dieser Pole zuordnen. Es waren normale Menschen mit Arbeit, Familie, Ängsten, Wünschen und Träumen, alle Befragten aber einte eines: Ein enormer Redebedarf, der zeigt, wie sehr das Thema bis in die Gegenwart „brennt.“ Frustrierte Gegenwartsnörgler, die die Vergangenheit in schönsten Farben malten, waren nicht unter Sandmanns Gesprächspartnern – gleichwohl spürte sie bei den Unterhaltungen oft eine Enttäuschung darüber, wie die Biographien nach 1989 verliefen, wie schnell man die DDR abwickelte, ohne einzelne Vorzüge des untergegangenen Landes zu übernehmen.

Aber auch eine Dankbarkeit über den friedlichen Ausgang der Montagsdemos von 1989 bekam Sandmann häufig zu hören – und mitunter innere Lernprozesse: Einer der Zeitzeugen musste im vereinten Deutschland zum ersten Mal die Arbeitslosigkeit erfahren und verabschiedete sich dann schnell von seinem Vorurteil, Betroffene seien doch bloß faul. Bei vielen stellte sie zudem fest, dass die imaginäre Grenze zwischen Ost und West noch eine unterschwellige Rolle spielt, aber zunehmend an Bedeutung verliert. Gerade solch inneren Bewegungen nachzuspüren – dieses Ziel hat sich Sigrid Sandmann mit ihrem Projekt gesetzt. Viele Stunden gesammeltes Interviewmaterial warten nun in ihrem Hamburger Atelier auf die Auswertung. Am Ende werden einzelne Worte herausgefiltert, die zum Lichtfest auf die Fassade des InterCityHotels projiziert werden sollen. So entsteht ein für Jeden sichtbarer Raum an Geschichten und Erinnerungen, der zum Nachdenken anregt. Wie ihr Projekt ankommt, wird wohl erst der 9. Oktober 2014 zeigen. Aber der allgemeine Zuspruch und die Aufmerksamkeit für ihre Idee stimmen Sigrid Sandmann optimistisch. Auch sie selbst verlässt Leipzig am 1. August innerlich bereichert, gern wäre sie noch länger geblieben, bekennt sie. Doch spätestens zum Lichtfest wird sie wieder hier sein.

Infos

Zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution wird sich das Lichtfest am 9. Oktober 2014 von 19-23 Uhr erstmals über den gesamten Innenstadtring erstrecken. Entlang des 3,6 Kilometer langen Weges der 89er Demonstranten bieten insgesamt 16 einzelne Stationen ein buntes Spektrum aus Videos, Lichtspielen, Musik, Tanz und Performance. Angesagt haben sich als prominente Gäste der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck sowie die Staatsoberhäupter Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei. Beim anschließenden Themenwochenende werden sich zahlreiche Kultureinrichtungen mit dem Herbst 1989 befassen. Viele weitere Informationen zu Hintergründen, Programm und Ablauf findet ihr auf der offiziellen Seite und bei facebook. Zur offiziellen Seite von Sigrid Sandmann geht es hier.