"Die Stadt ist kein Gegenspieler" Sorry, we‘re closed! Die Sperrstunde in Leipzig sorgt für Gesprächsstoff

Seit Wochen sorgt das Feierverbot zwischen 5 und 6 Uhr in Leipzigs Clubszene für Aufregung und Gesprächsstoff. Proteste, Petition und nun? Kompromisse in Sachen Sperrstunde!

© Anne Gahlbeck
Was ist denn hier los?“, fragte sich Moritz Mutter, Ansprechpartner für Live Booking & DJs in der Moritzbastei und Mitglied der IG LiveKommbinat, als er Anfang Juni durch das Institut für Zukunft (IfZ) von der Einführung einer Sperrzeit erfuhr. Anfangs, gesteht er, habe er schon etwas verärgert auf das Vorgehen der Stadt reagiert: „Schließlich wurde doch überall damit geworben, dass es in Leipzig keine Sperrzeit gebe.“ Doch dann musste er, wie viele Clubbetreiber in Leipzig feststellen, dass das Sächsische Gaststättengesetz generell für „Gaststätten und öffentliche Vergnügungsstätten“ eine Sperrzeit zwischen 5 und 6 Uhr vorsieht. Kurz darauf verfasste er gemeinsam mit der Interessengemeinschaft LiveKommbinat eine Pressemitteilung, in der sie die Aufhebung der Sperrzeit forderten

„Hierbei war uns besonders wichtig, die Fokussierung auf das ‚schlimme’ Ordnungsamt zu revidieren“, betont Mutter, „da es eben nur die ausführende Institution ist, die dem Gesetz unterliegt und nicht von der Sperrstunde profitiert.“ Auch Steffen Kache, Geschäftsführer der Distillery, hebt deutlich hervor: Die Stadt ist alles andere als ein Gegenspieler. Eigentlich gibt es die Sperrzeit in Leipzig schon immer, wir haben sie nur nie eingehalten“.

Auf der einen Seite müsste das Ordnungsamt den Verstoß zwar verfolgen, allerdings hat die Stadt auf der anderen Seite gar nicht das Personal dafür. So lange es also keine schwerwiegenden Probleme gibt, finden auch keine Kontrollen statt.“ Doch mittels eines Beschlusses im Stadtrat soll die Sperrzeit nun für Leipzig endgültig abgeschafft werden. Gemeinden haben offiziell die Möglichkeit, die Regelung durch eine Rechtsverordnung aufzuheben, sofern ein „öffentliches Bedürfnis“ dafür besteht. „Das Optimalste wäre, wenn die Landesregierung Sachsen beschließt, die Sperrzeit aufzuheben. Das ist allerdings ein schweres Vorhaben“, weiß Steffen Kache, da die Problematik und deren Dringlichkeit im Prinzip nur in Großstädten besteht. 

Abschaffung der „Putzstunde“

Angestrebt wird daher ein Gesetz auf städtischer Ebene: Eine Beschlussvorlage, die in der nächsten Sitzung des Stadtrats eingebracht wird. Eine endgültige Entscheidung ist jedoch frühestens im Oktober zu erwarten. Dann wird die Stadtverwaltung dazu aufgefordert, eine Rechtsverordnung zu verfassen, die von der Landesdirektion geprüft werden muss. „Wenn das alles durch ist, wäre der Beschluss sicher. Es kann also gut sein, dass noch ein paar Monate ins Land gehen.“ Dennoch ist Steffen Kache optimistisch: „Die Tendenz geht dahin, dass die Sperrzeit bzw. die sogenannte Putzstunde abgeschafft wird. In Bremen und Hamburg gibt es bereits keine Sperrzeit mehr. In Berlin und Köln wird sie bislang genauso wenig verfolgt wie in Leipzig.“

Zudem einigten sich Kulturamtsleiterin, Ordnungsamt, Vertreter von DEHOGA (Sächsische Hotel- und Gaststättenverband), Leipzig Tourismus und die IG LiveKommbinat bei einem Gespräch gemeinschaftlich auf die Abschaffung der Sperrstunde. Sowohl Moritz Mutter als auch Steffen Kache zeigen sich von dem Gespräch mit der Stadt sehr positiv überrascht: „Grundsätzlich herrscht ein gemeinsamer Konsens unter den verschiedenen Interessengruppen. Es wurde berücksichtigt, dass eine Sperrzeit nicht mehr zeitgemäß ist, da sich das Weggehverhalten in den letzten Jahren stark verändert hat. Auch die Stadt ist bemüht, alles auf gutem Wege zu lösen. In Zukunft versuchen wir daher, enger zusammenzuarbeiten und den Kontakt mit den Behörden besser zu pflegen.“ 

„Wir wollen keinen Stress.“

Aktuell sei wichtig, dass sich die Clubbetreiber mit den Behörden versöhnlich zeigen und dass miteinander gesprochen wird. Mutter und Kache arbeiten derzeit an Lösungsvorschlägen, um Lärmbeschwerden in Zukunft auf kurzem Wege zu lösen: „Wir wollen keinen Stress. Es ist auch in unserem Interesse, dass Anwohner nicht durch Lärm gestört werden. Die Sperrzeit wurde dazu benutzt, Lärmbelästigungen einzudämmen, was aber völlig ungeeignet ist, da es dann bis 5 Uhr ja trotzdem zu laut wäre.“ Stattdessen steht die Einführung einer Hotline oder eines Beschwerdetelefons mit einer Liste von Nachtverantwortlichen im Raum, durch die man sich direkt an den vermeintlichen Lärmverursacher wenden kann. Ein allgemeiner Verantwortlicher als neutrale Vermittlerinstanz zwischen Clubs und Anwohnern. So sollen Probleme besser nachvollzogen und auf Lärmbeschwerden zeitnah reagiert werden.

Steffen Kache betont aber auch, dass die wahren Lärmverursacher oft nicht benannt werden: „Häufig werden die Clubs für illegale Open Airs verantwortlich gemacht.“ Auch solche Irrtümer könnte eine offizielle Servicehotline aus der Welt schaffen. Das Nachtleben ist ein wichtiger Standortfaktor und wesentlich mehr als nur Party

Eine Stadt ohne Nachtleben hat keine Dynamik, finden auch rund 7.400 Unterstützer deutschlandweit, die die Online-Petition zur Aufhebung der Sperrstunde unterzeichneten. Warum? „Weil Kulturakteure wie das IfZ mit ihrem Angebot über Leipzigs Grenzen hinausstrahlen“, „weil Kultur seinen Platz braucht“, „weil eine Sperrstunde Stimmungen bricht und Veranstaltungen zerstört“, argumentieren die Unterzeichner. Sollte die Sperrzeit allerdings in Zukunft bestehen bleiben, so kann Steffen Kache nur hoffen, dass die Stadt weiterhin so locker damit verfährt wie zuvor: „Alles andere ginge gar nicht. Wenn wir um 5 Uhr zumachen müssten, können wir es gleich lassen. Deshalb hoffen wir, dass das Thema Ende des Jahres vom Tisch ist.“

  

Info: Die Onlinepetition findet ihr unter www.openpetition.de/aufhebung-der-sperrstunde-in-leipzig.