Ein Blick hinter die Kulissen Spendensammelstelle des BBW Leipzig

In der Plagwitzer Philippus-Gemeinde öffnet eine neue Spendensammelstelle für Flüchtlinge und Bedürftige. urbanite schaute vorab hinter die Kulissen.

Ein früher Septembermorgen am Karl-Heine-Kanal. Zaghaft tasten sich die Sonnenstrahlen an der Hausfassade entlang. Hinter den Mauern der Plagwitzer Philippus-Gemeinde laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren: Hier eröffnet in wenigen Tagen eine neue Spendensammelstelle für Flüchtlinge und andere Bedürftige.  

© Lucas Böhme
Laptops surren leise im Hintergrund, an denen freiwillige Helfer emsig Daten eintippen. Hammerschläge und Bohrgeräusche hallen durch das weite Gebäude, Menschen laufen hin und her, in der Ecke eines Raumes stapeln sich zusammengefaltete Kartons. Immer wieder klingelt das Telefon. Volker Klein, Projektleiter beim zur Diakonie gehörigen Berufsbildungswerk (BBW) Leipzig, behält jedoch stets die Übersicht. „Ja, es ist gerade ziemlich viel los hier“, lacht er. Der Gebäudekomplex der Philippus-Gemeinde samt Kirche und Pfarrhaus stand zehn Jahre leer, ehe ihn das BBW 2012 übernahm. Hier werden seit Mitte September Sachspenden aus der Bevölkerung angenommen. Die sollen dann an Bedürftige verteilt werden: „Alle Einrichtungen, die etwas brauchen, können hier anrufen. Ob das an Kinder, Obdachlose oder Flüchtlinge geht – dort, wo die Not am größten ist, packen wir bedarfsgerecht zusammen“, erklärt Maike Hillenbach, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des BBW Leipzig. Um eine persönliche Bereicherung zu unterbinden, werden die Spenden nur über die Schnittstelle öffentlicher Institutionen ausgehändigt und nicht direkt an Privatpersonen. 

Alles – außer Röhrenfernseher

© Lucas Böhme
Das erste Lager in Eutritzsch war wegen der großen Spendenbereitschaft personell und räumlich rasch an Grenzen gestoßen, so dass sich das BBW Ende August zur Zwischennutzung der Philippus-Gebäude entschloss. Ab kommendem März sollen sich diese bis Anfang 2017 in ein „integratives Hotel“ verwandeln, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten. Bis zum Baubeginn aber werden sich nun erst einmal die Regale füllen. Hillenbach hat daran keinen Zweifel: „Die Leute geben so viel ab, das ist überwältigend.“ Somit liegt die Herausforderung in der optimalen Koordination. Kleidung aller Art steht auf der Bedarfsliste ganz oben, aber auch Hygieneartikel, Bücher, Karten -und Brettspiele nimmt das BBW dankend an. Für größere Gegenstände ist dagegen die Heilsarmee zuständig. Nur mit Röhrenfernsehern hat man ein Problem: „Die werden schon lange nicht mehr angenommen, auch wenn sie funktionieren. Die müssen auf dem Müll entsorgt werden“, so Hillenbach. Wer angesichts der aktuellen Lage gezielt für Flüchtlinge spenden will, sollte momentan vor allem nach Männerkleidung bis zur Größe M Ausschau halten, da mehr Männer als Frauen nach Deutschland kommen. Doch auch das kann sich wieder ändern – weswegen Hillenbach empfiehlt, sich vor einer Spende auf einschlägigen Internetseiten über die aktuelle Nachfrage zu informieren. 

Große Solidarität

An Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung mangelt es keinesfalls – was sich nicht nur in der enormen Zahl Spendenwilliger zeigt, sondern auch in der riesigen Resonanz für eine ehrenamtliche Hilfe. Zum ersten Kennenlerntreff war die Philippus-Kirche brechend voll und draußen warteten noch mehr Interessenten. Ob Rentnerehepaar, Geschäftsmann, Familie oder Student – Menschen aus jeder Altersklasse und sozialen Schichtung wollen etwas unternehmen, nicht tatenlos zuschauen. Über die Gründe kann auch Hillenbach nur spekulieren, aber: „Ich vermute schon, dass die Not aufrüttelt, das, was man im Fernsehen sieht oder wenn man einmal an der Ernst-Grube-Halle vorbeigelaufen ist. Da muss schon ein inneres Bedürfnis zum Helfen da sein. Wobei wir das hier ohnehin schon seit drei Jahren so erleben. Hier passiert ganz viel mit den Nachbarn. Das heißt, Leute, die hier an die Tür klopfen und mitmachen, helfen, selbst was machen wollen. Insofern ist das eigentlich eine Fortführung unserer Erfahrung.“

Kein Platz für Stammtischsprüche

© Lucas Böhme
Drohungen von Asylgegnern gab es hier bisher nicht. Doch was entgegnet man im Fall der Fälle auf Stammtischparolen, Fremden werde geholfen und für deutsche Rentner sei kein Geld da? Hillenbach überlegt, antwortet dann aber entschieden: „Für mich sind es zwei Themen. Ob Bedürftige in Deutschland genügend Hilfe vom Staat erhalten, kann man diskutieren. Ich würde es aber nicht mit der Frage des Asylrechts vermischen, weil beide Sachen nichts miteinander zu tun haben. Asylrecht ist ein Grundrecht und ein Menschenrecht, auf das wir uns in Europa verständigt haben.“ Außerdem verweist sie auf die immer hohe Bereitschaft zum Spenden, über die medial nur viel weniger berichtet wird: „Da sind die Menschen dankbar, nehmen sich Winterjacken, Kleidung für die Kinder, Geschirr und alles mögliche mit. Das darf man nicht vergessen.“

 

Viele Steine machen das Haus 

Was wäre ein Erfolg für dieses Projekt? „Erfolg wäre erst mal, wenn Hilfe jetzt schnell dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Den zweiten Erfolg sehe ich aber auch als Erfolg von Gemeinwesen hier in der Stadt, dass es eine Welle des Zusammenrückens gibt, ein Bewusstsein des Miteinanders. Hier kommt ganz viel zusammen, die Nachbarschaft, hier entsteht einfach Gemeinwesen in der Stadt, das ist das Schöne.“ Während die Vorbereitungen unverdrossen weitergehen, fällt der Blick auf ein Zitat an der Wand von Antoine de Saint-Exupéry: „Der Stein hat keine Hoffnung, etwas anderes zu sein als ein Stein. Aber durch Zusammenwirken fügt sich einer zum anderen und wird zum Tempel.“ Ein Motto, das gerade hier und jetzt irgendwie zutreffen könnte.

Informationen zu aktuellem Spendenbedarf und ehrenamtlicher Mitarbeit: 

Philippus Leipzig, Aurelienstraße 54, 04177 Leipzig

Tel.: (0341) 42 06 69-0

E-Mail: info@philippus-leipzig.de 

www.philippus-leipzig.de 

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