Grotesk, doch keineswegs absurd Theaterbesuch: „König Ubu / Ubus Prozess“ im Schauspiel Leipzig

Hausregisseurin Claudia Bauer kombiniert in ihrer jüngsten Inszenierung Alfred Jarrys „König Ubu“, von 1896 und Simon Stephens Stück „Ubus Prozess“ aus dem Jahr 2012.

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Hausregisseurin Claudia Bauer kombiniert in ihrer jüngsten Inszenierung Alfred Jarrys „König Ubu“, von 1896 und Simon Stephens Stück „Ubus Prozess“ aus dem Jahr 2012. Wir waren dabei, als das Schauspiel Leipzig am 27. Januar die Premiere von „König Ubu / Ubus Prozess“ feierte. 

© Rolf Arnold

Als wir unsere Plätze einnehmen, ist bereits etwas im Gange. Ein gewaltiger, transparenter Kubus auf Stelzen steht auf der Bühne, darin liegt der nackte Ubu. Es ist seine Gefängniszelle. Eine Handkamera filmt das Innere des Würfels, das Video wird auf die Außenwände projiziert und gleichzeitig wird eine Anklageschrift verlesen, immer und immer wieder. Sie richtet sich gegen Herrn Ubu und lautet: Verbrechen gegen die Menschlichkeit!

Noch ist der Zuschauerraum beleuchtet, das Geschehen ist eine Vorausdeutung. Dann wird es dunkel und eine Schar schriller überkandidelter Personen betritt aufgescheucht die Bühne. Sie bewegen sich zackig und abgehackt, ihre Sprache ist überzogen, mal fiepsig, mal aggressiv, dann auf einmal singen sie etwas über polnische Suppe …

Es ist eine bizarre Szenerie, deren innewohnende Ernsthaftigkeit anfangs noch von der comicartigen Skurrilität verschleiert, doch nach und nach sichtbar wird.

© Rolf Arnold
Die folgenden zwei Stunden erzählen uns die Geschichte Ubus (Roman Kanonik), ein etwas trotteliger Mann mittelmäßigen Standes und niederer Würde, der von seiner machtbesessenen Frau (Julia Preuß) dazu gebracht wird, den polnischen König und dessen Familie zu ermorden, um den Thron an sich zu reißen. Gierig und berauscht von seiner Macht lässt er Adlige, Richter, Beamte und Journalisten umbringen und bereichert sich am Besitz der Getöteten. Doch das Volk beginnt unter der Führung des rechtmäßigen Thronfolgers gegen den tyrannischen Despoten zu revoltieren. Gleichzeitig zieht der russische Zar gegen ihn und seine Schreckensherrschaft in den Krieg. Letztlich muss sich Ubu für seine Taten vor dem internationalen Gerichtshof verantworten.

  

Die Geschichte der Menschheit ist keine Geschichte der Vernunft

© Rolf Arnold
Besonders zu loben sind vor allem die schauspielerischen Leistungen des Ensembles, das die unnatürlich wirkenden Stimmen und Bewegungen zur Perfektion geführt hat.

Regisseurin Claudia Bauer gelingt die Kombination der beiden Stücke und erschafft durch das maskenhafte und comicartige Spiel eine bizarre Ernsthaftigkeit, die uns mal zum Lachen bringt, uns dann wiederum betroffen zurück lässt, weil die Bezüge zu unserer heutigen Zeit so klar sind. Das Stück lebt von dieser überzogenen Entfremdung, die mitunter albern wirkt, doch es ist ein geniales Stilmittel, um ein ertragbares Abbild unserer sich zunehmend radikalisierenden und nach rechts driftenden Welt zu schaffen. Denn die Geschichte der Menschheit ist keine Geschichte der Vernunft, lehrt uns der vor Gericht stehende Ubu. Und so grotesk dieses Wechselspiel zwischen Machthunger und Naivität, Kalkül und angeblicher Unzurechnungsfähigkeit auf uns auch wirken mag: Es ist womöglich genau dadurch ein erschreckend scharfes Bild dessen, was in unserer Welt vor sich geht.

Kommende Aufführungen: 25.3.2018 um 16 Uhr, 6.4., 21.4., 13.5.2018 um 19:30 Uhr

www.schauspiel-leipzig.de/spielplan/a-z/koenig-ubu-ubus-prozess