Verwandlungskünstler Theaterrezension: „Die Verwandlung“

Seit Kurzem zeigt das Theater der Jungen Welt (TdJW) „Die Verwandlung“ von Franz Kafka, inszeniert von Ania Michaelis. Wir haben sie uns angesehen.

© Tom Schulze
Seit Kurzem zeigt das Theater der Jungen Welt (TdJW) „Die Verwandlung“ von Franz Kafka, inszeniert von Ania Michaelis. In dieser vollzieht der Handlungsreisende Gregor Samsa eine Metamorphose und verwandelt sich plötzlich in einen Käfer. Wir haben uns das emotionsreiche Stück angesehen.

Seine Verwandlung nicht wahrhaben wollend, versucht Gregor Samsa, den Umstand als schlechten Traum abzutun. Als seine Eltern und seine Schwester, die er durch seinen Beruf ernährt und demnach von ihm abhängig sind, davon erfahren, bricht für sie eine Welt zusammen. Nun müssen sie selbst Verantwortung übernehmen, arbeiten gehen und sich noch dazu um einen Käfer kümmern. Die Abhängigkeitspositionen verschieben sich. 

Die Verwandlung, die deshalb auch innerhalb der Familie stattfindet, wird im Theaterstück gut verdeutlicht. Das anfängliche Bemühen der Schwester, Gregor eine Auswahl an Essen zuzubereiten, weicht einer Ungeduld und Abscheu. Das Stück kritisiert die gesellschaftlichen Forderungen, angepasst zu sein und immer zu funktionieren. Außerdem wird auch der Umgang mit dem Andersartigen beleuchtet, denn in gewisser Weise verliert Gregor Samsa den „Nutzen“ für seine Familie, fällt zur Last und wird deshalb ausgestoßen. Ironischerweise trägt der Gregor-Darsteller ein Cap mit „Hope“-Aufschrift.

Die vier Schauspieler stellen einerseits Gregor mitsamt Familie dar, andererseits verkörpern sie auch die inneren Stimmen des Käfers, die immer mehr verstummen, je mehr er auch innerlich zum Insekt wird. Alle Gegenstände und auch die Darsteller sind mit demselben Muster bezogen, die dem Bühnenbild ein irreales Aussehen verleihen.  

Ausgelassen tanzend oder hilflos brüllend

Teilweise drastische und sehr aggressive Mittel werden eingesetzt, um die verwirrende Situation der Eltern darzustellen. Die Stimmung schwankt zwischen ausgelassen tanzend und hilflos brüllend. Es wird mit den originalen Texten gearbeitet, die im Kontrast zu modernen Tanzeinlagen stehen und teilweise metaphorisch umgesetzt werden. 

© Tom Schulze
Der intensive Kaffeeduft im Raum kommt nicht etwa davon, dass dieser gerade auf der Bühne gebrüht wurde. Stattdessen wird sich im Kaffeepulver gewälzt, das auf dem Boden verschüttet wurde. Etwas befremdlich und erschreckend, aber wirkungsvoll ist auch der Angriff des Vaters auf seinen Sohn. Er bombardiert ihn mit Äpfeln, die auf dem Boden zerplatzen und macht so seinem Frust Luft. Diese Emotionen wurden möglicherweise deshalb so extrem umgesetzt, um die Situation aus Sicht des Käfers darzustellen, für den solche Ausbrüche noch heftiger erscheinen. 

Das Stück wird gut, emotional und mitreißend gespielt, ein Live-Musiker sorgt für eine angenehme Klangkulisse, es wird gesungen und getanzt. Das TdJW nutzt die Mittel des Theaters, um aufzurütteln und zum Nachdenken anzuregen. 

 Weitere Termine:  17. & 18.10.2017, 24., 27. & 28.11.2017, Tickets 12€ / 6€ erm.