„Niemand BRAUCHT mehr eine Zeitung!“ WELT, LVZ, LZ – Print versus Online: Die Zeitfrage zum Thema Journalismus

„Niemand BRAUCHT mehr eine Zeitung“, sagt Romanus Otte von DIE WELT, die neue Leipziger Zeitung setzt nur auf Print und die LVZ auf beides.

„Niemand BRAUCHT mehr eine Zeitung!“

 

Diese Aussage hat Romanus Otte, General Manager Digital bei DIE WELT, beim Medientreffpunkt Mitteldeutschland getätigt. Doch keine Sorge. Diesen plakativen Satz ergänzte der Medienmann mit: „Wenn, dann WILL man eine Zeitung.“ Nichtsdestotrotz ist diese Theorie im Diskurs über Print- versus Online-Journalismus eine Einstellung, die im digitalen Zeitalter von Facebook, Twitter, Blogs, Spiegel Online, BILD Plus … ein klares Statement gegen die gedruckte Informationsaufnahme ist – wie eben einer Zeitung. 


Insbesondere im Nachrichtenjournalismus gilt längst das Credo: je schneller, desto besser. Ob die Informationen dann auch tatsächlich besser bzw. zumindest wahr sind, steht auf einem sprichwörtlich anderen Blatt. Man erinnere sich an die geschmacklose Berichterstattung im Fall des Absturzes der Airbusmaschine von Germanwings am 24. März dieses Jahres, bei der Spekulationen und Liveticker die Medienlandschaft dominierten.
Stichworte wie Digitalisierung, Klickzahlen, Reichweite, Echtzeitjournalismus werden unmittelbar als Argumente für das sogenannte Zeitungssterben aufgeführt. Die WELT hat sich daraufhin neu aufgestellt. Während der Versuch scheiterte, die Onlineredaktion in die Printredaktion zu integrieren, liegt der Fokus in der neuen WELT auf dem (bezahlten) Onlinejournalismus und der Wochenzeitung WELT am Sonntag. Mittlerweile müssen sich die wenig verbliebenen Blattmacher den Onlineredakteuren fügen. Otte ist überzeugt, dass der Weg „online to print“ der einzig wahre ist. 

Gehört die Zukunft dem Onlinejournalismus? Braucht niemand mehr eine Zeitung? 

Sollte Otte recht behalten, ist es umso interessanter, dass sich drei Leipziger, die von der taz gleich mal als Idealisten gehandelt werden, einem ambitionierten Projekt verschrieben haben: Eine gedruckte Wochenzeitung für Leipzig.
Die Leipziger Zeitung (LZ), die am 29. Mai 2015 erstmals erschienen ist (die Ausgabe NULL im März bot einen Vorgeschmack) wird es lediglich auf bedrucktem Papier geben und nicht wie beispielsweise die Leipziger Volkszeitung (LVZ) auch online – mal mit, mal ohne Bezahlschranke.

Ungewöhnlich? Für Moritz Arand, einen der drei Geschäftsführer und Gründer der LZ, überhaupt nicht: „Das ist der einzige Weg, der funktioniert.“ Für ihn sei es inkonsequent, wenn der Leser für die Artikel im Print zahlen müsste und derselbe Artikel dann online kostenlos zur Verfügung gestellt werde. „Wenn, dann richtig.“ Das habe etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun. Nur so sei auch weiterhin Qualitätsjournalismus möglich und finanzierbar.
Eine Art Umerziehung des Lesers sei nötig – auch wenn dieser Begriff erst einmal hart klinge. „Daran haben auch nicht die Leser schuld, sondern vor allem die Medien, die über Jahre hinweg dieses Verhalten geschürt haben, indem sie online kostenlos Nachrichten zur Verfügung gestellt haben, und dann irgendwann mitkriegen mussten, dass das mit der Bezahlung vielleicht doch nicht so einfach ist, auch weil der Anzeigenmarkt im Internet eigentlich tot ist.“ 

Warum braucht man eben doch eine Zeitung? Und warum braucht Leipzig eine neue Zeitung?

 

„In einer Stadt mit über einer halben Million Einwohner gibt es gerade einmal eine Tageszeitung, die mehr oder weniger lokal berichtet. Und diese eine Redaktion wurde auch schon sehr ausgedünnt. Das führt dazu, dass die Berichterstattung im lokalen Bereich Mangelware ist. In so einer großen Stadt passieren Dinge, die die Bürger direkt betreffen – das muss auch irgendwo kommuniziert werden“, argumentiert Arand.  
Was den Grabgesang des gedruckten Wortes angeht, meint der LZ-Geschäftsführer, dass es eine Zeitfrage sei, ob Print funktioniert oder eben nicht. Er glaubt, eine Zeitung vermittle auch ein bisschen Ruhe. „Und Ruhe haben wir alle nötig. Allein durch die beruhigende, tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Inhalt wird die gedruckte Zeitung eine Überlebenschance haben“, so Arand.
Auch Matthias Koch, Chefredakteur RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland) der Zentralredaktion der MADSACK Mediengruppe, zu der auch die LVZ gehört, ist ein Verfechter des gedruckten Wortes und der Meinung, dass die Menschen durchaus noch den Genuss einer Zeitung zu schätzen wüssten: das Knistern, der Geruch – kurz: das physische Erlebnis und die dringend benötigte Entschleunigung. Für Otte allerdings seien das lediglich romantische Vorstellungen, die weder in die heutige Zeit passten noch die U-30-Jährigen interessierten.

Damit sind wir wieder bei der Zeitfrage: Ob die Leipziger das Bedürfnis haben, mit einer Wochenzeitung zu entschleunigen, andere Themen sowie neue Ansätze lesen – und vor allem auch dafür bezahlen – wollen, wird man in einem Jahr sehen. Denn solange ist vorerst die Finanzierung der LZ durch Abos sichergestellt.