Gemeinsam träumen Yoko Ono – PEACE is POWER

Die Werkschau in Leipzig ist eine Ausstellung, auf die man sich einlassen muss, um sie zu verstehen.

Lange bevor das weiße Transparent, auf dem in großen schwarzen Buchstaben „PEACE is POWER“ steht, an der Fassade des Museums der bildenden Künste angebracht wurde, um (hoffentlich) den Weltfrieden einzuleiten, stand für Yoko Ono als auch für Freund und Kurator Jon Hendricks fest: Die Werkschau in Leipzig soll keine reine Retroperspektive auf ihre unzähligen Installationen, Filme, Fluxus-Arbeiten, Performances und Zeichnungen sein. Es ist eine Ausstellung, auf die man sich einlassen muss, um sie zu verstehen.   

© Anne Gahlbeck

„Yoko Ono wollte ihre Kunst mit der Geschichte dieser Stadt verbinden“, erläutert Museumsdirektor Alfred Weidiger auf der feierlichen Ausstellungseröffnung Anfang April. Und das Alleinstellungsmerkmal dieser Stadt ist nicht – wie man vermuten könnte – kulinarischer Natur. Neben der Lerche und dem Warenhandel auf einem der ältesten Messeplätze sind den Menschen auch die gesellschaftlich-politischen Bestrebungen in Erinnerung geblieben – zum Beispiel die von 1865, als sich in Leipzig der erste deutsche Frauenverein gründete, dessen Engagement den Grundstein für das deutsche Frauenrecht legte. Da war relativ schnell klar, dass die Ausstellung auch ein Ort sein soll, an dem starke Frauen gezeigt werden, die ganz nach Yoko-Ono-Art dialogisch in Erscheinung treten. „Frauen jeden Alters, aus allen Ländern der Welt: Ihr seid eingeladen, ein Testament des Leids einzusenden, das euch angetan wurde, weil ihr eine Frau seid.“ – ARISING ist eine Videoinstallation, die keinen Einreichungsschluss kennt. Sie ist eine Verurteilung der Gewalt gegen Frauen und umfasst viele Statements, darunter jene, die Besucher bei der Ausstellung hinterließen. Dem Aufruf für die Leipziger Ausstellung folgten bislang etwa 80 Frauen. Wie kein anderes Projekt verdeutlicht es den Partizipationsgedanken hinter den insgesamt 60 gezeigten Arbeiten der japanisch-amerikanischen Künstlerin. „Es ist kein Bildermuseum, sondern eine Ausstellung, auf die man sich einlassen muss, um zu verstehen“, erläutert Weidinger. Wie und auf welche Art dieser Austausch erfolgt, hängt vom Kunstwerk ab. Nicht immer ist es eine Anweisung, die zur Mitwirkung am schöpferischen Akt einlädt.

© Anne Gahlbeck

Bei BLUE ROOM EVENT, dass sich aus einer Serie von Sätzen zusammensetzt, die von Yoko Ono direkt auf die Wände, den Boden und sogar an die Decke geschrieben wurden, lädt uns die Künstlerin dazu ein, einen neuen Blick auf unsere Umgebung zu werfen und die Fantasie hinter die materielle Oberfläche der Dinge schweifen zu lassen. Etwas leichtere Kost ist die BOX OF SMILE, ein Kästchen, in dem sich ein Spiegel befindet, der das Lächeln der Person zurückwirft, die den Deckel öffnet. 

Und dass sich auch der Aufstieg in die dritte Etage des Museums lohnt, erlebt ihr, wenn ihr in die große lichtdurchflutete Terrasse eintretet, in der 100 Holzsärge lagern, aus denen Zitronenbäume herauswachsen, während der Raum von Vogelgesang (einer Metapher für Leben und Auferstehung) erfüllt ist. Onos Handlungsanweisung zu EX IT macht klar, dass es schlichte Särge sind, wie jene, die auf Schlachtfeldern verwendet werden. Das Kräfteverhältnis zwischen Krieg und Frieden und der ewige Kreislauf von Leben und Tod sind ein zentrales Thema im Leben und Schaffen der Künstlerin, wobei ihre Haltung eindeutig ist – PEACE is POWER. Mit der Ausstellung zeigt die 86-Jährige übrigens ihre bislang umfangreichste Werkschau in Deutschland. Noch bis zum 7. Juli 2019 versprüht ihr Glaube an die Kraft des menschlichen Geistes Zuversicht in den Räumen des Museums der bildenden Künste. Und wer mag, hinterlässt am WISH TREE einen (Friedens-)Wunsch: Die Papiere werden im Imagine Peace Tower aufbewahrt – einem dem Frieden gewidmeten Denkmal des Lichts, das Yoko Ono zur Erinnerung an John Lennon in Island errichtet hat. Denn nur Träume, die wir gemeinsam träumen, können wahr werden.

© Anne Gahlbeck

Yoko Ono – PEACE is POWER 

noch bis 07.07.2019, MdbK Leipzig | Eintritt: 10 € (erm. 7 €)

Web: mdbk.de/ausstellungen/yoko-ono/