„Der Zoo ist eine Art Werbeagentur für die Interessen der Wildtiere“ Zoo Leipzig: Interview mit Zoodirektor Prof. Dr. Jörg Junhold

Der Leipziger Zoo ist heute einer der bekanntesten und beliebtesten Europas und wird auch in diesem Jahr wieder mehrere Millionen Besucher begrüßen. Maßgeblich für diesen Erfolg verantwortlich ist Prof. Dr. Jörg Junhold. Der studierte Tiermediziner leitet seit knapp 22 Jahren als Direktor die Geschicke des Zoos Leipzig.

Es heißt: Aufwachen aus dem Winterschlaf – Auftakt zur Zoo-Saison: Mit seinem Konzept „Zoo der Zukunft“ ist der Zoo Leipzig heute einer der bekanntesten und beliebtesten Europas und wird auch in diesem Jahr wieder mehrere Millionen Besucher begrüßen. Maßgeblich für diesen Erfolg verantwortlich ist Prof. Dr. Jörg Junhold. Der studierte Tiermediziner leitet seit knapp 22 Jahren als Direktor die Geschicke des Zoos Leipzig.

© Zoo Leipzig
Herr Professor Junhold: Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, Zoodirektor zu werden oder anders gefragt: Wie wird man Zoodirektor?

(lacht) Da gibt es verschiedene Wege. Ich bin von Haus aus Veterinärmediziner, habe hier in Leipzig von 1985 bis 1990 studiert. Nach der Promotion habe ich in der Industrie bei einem großen Tierfutterhersteller gearbeitet. Dann war ich sozusagen ein Heimkehrer: 1997 war die Stelle als Zoodirektor ausgeschrieben. Es ist jemand gesucht worden, der Management-Erfahrung hat und der auch das Gefühl für Tiere mitbringt. Das hat bei mir gepasst. Ich kann heute nach über 21 Jahren sagen, dass das beruflich die beste Entscheidung war, die ich treffen konnte.

Zoodirektor klingt ein Stück weit nach Traumberuf, wie kommt man darauf?

Also, hier war es ganz normal. Es war in der Zeitung ausgeschrieben und es hat 55 Bewerber gegeben. Und ich habe mich am Ende durchgesetzt. Es passten viele Dinge zusammen: Ich wollte gerne wieder nach Leipzig. Fünf Jahre lang bin ich gependelt. Meine jetzige Frau lebte noch in Leipzig. Ich war im Norden von Deutschland und ich wollte mich wieder hierher orientieren. Ich habe aber auch eine spannende Aufgabe gesucht, bei der ich mich selbst verwirklichen konnte. Und bei dem Stellenangebot hat beides gepasst. Ich kann heute nach 21 Jahren sagen, dass das beruflich die beste Entscheidung war, die ich treffen konnte, weil ich mich als Zoodirektor so wohl fühle.

Was sind Ihre konkreten Aufgaben im Tagesgeschäft?

Also als Zoodirektor ist man heute eine Mischung aus Manager, Tierexperte, Öffentlichkeitsarbeiter und Politiker, würde ich sagen. Man ist immer im Interesse des Zoos unterwegs mit einem riesigen Netzwerk bis in die Privatwirtschaft hinein. Ich beschäftige mich viel mit Bauen, was meiner Neigung sehr entspricht, weil ich auch gelernter Baufacharbeiter bin und in meiner Jugend eigentlich mal Architekt werden wollte. So kann ich also die Dinge, die mir sehr liegen, miteinander vereinen.

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Sie sind sozusagen Architekt des Konzepts „Zoo der Zukunft“, für das der Zoo Leipzig so bekannt ist. Wie sollte ein Zoo im 21. Jahrhundert aussehen?

Ein Zoo im 21. Jahrhundert ist nicht mehr Selbstzweck, sondern Teil eines großen Artenschutznetzwerkes, welches global arbeitet. Unsere Tiere verstehen wir als Stellvertreter für ihre frei laufenden Artgenossen, die oftmals hoch bedroht sind. Wir wollen auch werben, ich sage manchmal: Der Zoo ist eine Art Werbeagentur für die Interessen der Wildtiere. Indem wir die Tiere und ihre Schönheit zeigen, wollen wir den Menschen erreichen, wo wir ihn erreichen können – über das Gefühl, dass es die Lebewesen wert sind, unsere Erde zu schützen. So verstehen wir uns heute als ein Naturerlebnis– und erfahrungsraum, der für den Schutz der Tiere wirbt.

Sehen Sie darin die gesellschaftliche Rolle eines Zoos heute?

In Deutschland haben sich die letzten 20 Jahre unser Zoo und auch viele andere entwickelt. Ich glaube, dass wir eine unglaubliche gesellschaftliche Funktion erfüllen. Wir bringen Menschen und Tiere zusammen. Die Tiere haben es den Menschen angetan, sie sind sehr beliebt, nicht nur als Haustier. Auch das exotische Tier verführt zum Beispiel dazu, dass man von der Ferne träumt. Das, was ich mitbekomme, ist, dass das Thema Naturschutz heute schon einen höheren Wert hat und dass Menschen auch bereit sind, dafür etwas zu tun. Und das ist ein Anliegen vom „Zoo der Zukunft“. Der Druck auf die Natur ist weiterhin hoch, er ist eher heute noch höher geworden. Und wir tun als Menschen gut daran, dass wir uns das immer mal wieder ins Bewusstsein rufen. Ich glaube auch, dass wir in den kommenden 20 bis 30 Jahren unser eigenes Umweltverhalten noch massiv verändern werden.

In welche Richtung?

Wir werden natürlich bei knapper werdenden Ressourcen nachhaltiger damit umgehen. Ob das Wasser ist, mal von den einfachsten Dingen angefangen, bis zu seltenen Bodenschätzen. Wir müssen auch neue Wege gehen, weg von der Wegwerfgesellschaft hin zu nachnutzbaren Dingen. Wir als Zoo haben uns schon vor fünf Jahren sehr bewusst entschieden, dass wir ein Umwelt-Management-System einführen. Wir schauen uns unsere Stoffkreisläufe genau an, wollen dort immer besser werden und weniger Ressourcen verbrauchen. Wir wollen damit ein Vorbild gegenüber anderen Unternehmen sein. Da haben wir in unserer Region noch viel Nachholbedarf. Es muss jeder seine Hausaufgaben machen.

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Der Zoo Leipzig hat es sich auf die Fahne geschrieben, bedrohte Arten zu zeigen und Nachwuchs auch wieder auszuwildern. War das für Sie von Beginn an ein Anliegen?

Ja, es war immer ein Grundanliegen. Wenn man einen Zoo im 21. Jhd. charakterisieren will, dann sind es vier Kerndinge, die er machen sollte. Er ist natürlich eine Erholungs- und Freizeiteinrichtung. Er betreibt Bildung: Zoos mit ihrem Zuspruch sind eine der größten außerschulischen Umweltbildungseinrichtungen. Wir betreiben Forschung: Die Vernetzung zur Universität ist uns sehr wichtig. Und das Vierte, und die Bedeutung wird immer größer, ist der Artenschutz: Das heißt, wir selbst wählen den Tierbestand schon nach der Notwendigkeit aus, ihn zu schützen. Wir sind aber auch Teil von internationalen Projekten, bei denen wir selbst Träger oder als Partner mit organisiert sind. Mir war es sehr wichtig, dass die Symbiose gelingt, dass wir den Zoobesuchern hier in Leipzig zeigen, dass das Problem nicht bei uns besteht, sondern in freier Wildbahn herrscht.

Auf welche Attraktionen können sich die Zoobesucher in der anstehenden Saison besonders freuen?

Sicherlich kann man sich immer noch auf „Südamerika“ freuen, was wir im letzten Jahr eröffnet haben. Auf das Aquarium muss man dieses Jahr wegen eines Umbaus leider verzichten. Ziel ist, einen neuen Rundgang zu organisieren und wir werden das Aquarium thematisch neu gliedern. Außerdem werden wir eine Halbscheibe haben, wo die Fische quasi über den Menschen schwimmen. Damit werden wir uns neu aufstellen. Freuen kann man sich in diesem Jahr aber auch auf den sogenannten Afrika-Sommer (Sommerferienprogramm des Zoos, Anm. d. Red.): Wir werden 15 Jahre Savanne feiern. Außerdem gibt es wieder unsere Entdeckertage. An bestimmten Wochenenden haben wir uns Themen ausgesucht, über die wir berichten. In diesem Jahr zum Beispiel Raubtiere (6./7. April, Anm. d. Red.), Bienen (27./28. Juli) oder Afrika (31. August/1. September). Und wir werden hoffentlich auch viele Tiergeburten haben. Drücken Sie die Daumen, dass alles gut geht.

Sind Sie an einem normalen Zootag auch manchmal Gast in Ihrem eigenen Zoo?

Klar, eigentlich wünschte ich es mir noch viel häufiger. Ich gehe manchmal gezielt durch den Zoo und manchmal auch als Gast. Ich versuche, mich dann in diese Rolle hineinzuversetzen. Wahrscheinlich gehe ich aber schneller durch den Zoo als der normale Gast, weil ich natürlich alles kenne und auf bestimmte Dinge achte. Aber man kann mich auf jeden Fall im Zoo erleben (lacht).

Wo am ehesten, was ist Ihr Lieblingsort?

Ich habe drei Orte, die meine Lieblingsorte sind. Einer ist an der afrikanischen Lodge bei der Kiwara-Savanne. Dort in die Weite des Rosentals zu blicken und die Tiere zu haben, ist wunderschön. Man hat da wirklich einen traumhaften Blick. Das zweite ist der Weg durch Pongoland, insbesondere in den späten Nachmittagsstunden oder kurz vor Sonnenuntergang, wenn das Licht so schön wird. Und im Gondwana-Land, da gibt es eine Stelle, wo man in die Weite von Gondwana gucken kann. Das ist auch ganz hübsch. 

Abschließende Frage: Ich bin relativ sicher, dass das viele interessieren wird: Haben Sie ein Lieblingstier?

(lacht) Habe ich. Sollte man eigentlich als Zoodirektor nicht haben, weil alle Tiere wichtig sind, aber die Elefanten haben es mir angetan. Es sind die Eigenschaften der Elefanten. Elefanten sind die größten Säugetiere, die wir auf unserem Erdball haben. Sie sind majestätisch, stark und sehr soziale Tiere. Sie haben ein exzellentes Gedächtnis, leben in Familienverbänden und nehmen Rücksicht aufeinander. Das sind alles Eigenschaften, mit denen ich mich sehr gut identifizieren kann.

© Zoo Leipzig