Eine Stadt hielt den Atem an

Das Hochwasser hat in Magdeburg seine Spuren hinterlassen: nicht nur materiell, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft war so groß, wie nie. Hilfsorganisationen haben gleichermaßen mit angepackt, wie die zahlreichen Privatpersonen.

Das Hochwasser hat die Stadt und die umliegenden Gebiete hart getroffen. 7,46 m war der Höchstpegel der Elbe am 09.06.2013 – und damit 26 cm höher als prognostiziert wurde. Zahlreiche Stadtteile und ganze Dörfer mussten evakuiert werden und insgesamt wurden ca. 2,5 Mio. Sandsäcke verbaut. Man kann nur erahnen, wie viel schlimmer die Schäden gewesen wären, wenn nicht so viele Menschen Tag und Nacht gekämpft, geschwitzt und geschuftet hätten.

Fakt ist: Das Hochwasser hat in Magdeburg seine Spuren hinterlassen, nicht nur materiell, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft war so groß, wie nie. Hilfsorganisationen haben gleichermaßen mit angepackt, wie die zahlreichen Privatpersonen. 

Das DRK war mit vielen ehrenamtlichen Helfern vor Ort. Die Hauptaufgaben waren dabei, der Betreuungs- und Verpflegungsdienst, die Versorgung von Verletzten, die Helferregistrierung und die Auskunft an Angehörige von Evakuierten. Mandy Oelke, die Leiterin im Bereich Soziale Arbeit, und Mario Bernsdorf, Teamleiter des Katastrophenschutz’, haben mit urbanite über ihre Erfahrungen gesprochen:

„Fazit ist für uns, dass die Zusammenarbeit der Hilfsorganisationen untereinander wieder super geklappt hat. Unsere Kräfte haben auch bei der Evakuierung unterstützt und es gab viele emotionale Momente. Wir konnten zum Beispiel ein Paar noch während der Evakuierung an einen privaten Helfer vermitteln, der eine Unterkunft angeboten hatte. Wir haben auch in die Ställe der evakuierten Menschen geschaut und Tiere mit dem Boot mitgenommen. Manche haben bei der Evakuierung auch völlig verzweifelt gerufen ‚Meine Katze ist noch im Haus‘. Da merkt man, wie die Menschen an ihren Tieren hängen.

Man steht am Wasser und alle gehören irgendwie zusammen. Es ist bewegend, wenn man weiß, wie die überfluteten Orte vorher ausgesehen haben. Die Menschen kämpften und schwitzten zusammen und jeder packte mit an. Zum Beispiel hat sich in Rogätz der Bürgermeister in die Menschenkette eingereiht und Sandsäcke geschleppt. Es wird immer erst wirklich real, wenn man da ist. Das Fernsehen kann das gar nicht einfangen. 

Bewegend war für uns auch, wenn Helfer kamen und schon Stunden geschuftet hatten. Wir konnten ihnen dann ein warmes Essen anbieten und so unterstützen. Zum Beispiel in der Kiesgrube in Farsleben haben wir von 19 bis 7 Uhr Essen verteilt. Viele Menschen von außerhalb brachten Lebensmittel zu uns. Da kam sogar jemand aus Hannover.“

Das DLRG, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, war ebenfalls aktiv in der Hochwasserhilfe beteiligt. Die Kräfte in Magdeburg sorgten dabei vor allem für die Deichsicherung und auch die Evakuierung, Verpflegung und Unterbringung der Evakuierten und Helfer. Frank Niklowitz, technischer Leiter, hat die Katastrophe folgendermaßen empfunden:

„Es war ein reiner Nervenkrieg für alle Beteiligten. Keiner wusste, wie hoch das Wasser letztendlich steigen wird. Ich weiß noch, dass ich von Salbke nach Schönebeck gefahren bin und das Wasser stand bis zur Straße. Es war echt erschreckend, dass man weit und breit kein Land mehr gesehen hat, sondern nur noch Wasser.

Wir haben auch immer überlegt, wie wir die Helfer unterstützen können. Lange vorher wurden die Turnhallen ausgewählt und mit Feldbetten vollgestellt. Wir wollten ja für die Helfer und für die Evakuierten Unterkünfte bereit stellen. Die westdeutschen Kräfte vom DLRG waren im positiven Sinne schockiert. Mit so vielen freiwilligen Helfern hatte keiner gerechnet.“

Die MWG hat eine Versorgungsstelle für die bessere Koordination der Lebensmittel eingerichtet. Hier arbeiteten viele Menschen, um die Helfer zu versorgen und ihnen so die Arbeit etwas zu erleichtern. Auch die 26-jährige Kristin Tautorat, Pädagogin in Magdeburg, hat mitgeholfen:

„ Um auch unseren Teil zur Hilfe beizutragen – raus aus dem Gefühl der starren Hilflosigkeit – wurden wir auf die Versorgungsstelle der MWG aufmerksam und fuhren mit einer Lebensmittelspende dort hin. Wir wurden vor Ort sehr herzlich empfangen – Tatendrang und Euphorie lag in der Luft. So schmierten und verpackten wir sechs Stunden im Akkord ohne auch nur eine Minute die Motivation zu verlieren. Wir wurden bestens mit Kaffee und Nervennahrung umsorgt und zudem wurde uns auch kontinuierlich eine Ablöse angeboten, damit wir nicht über unsere körperlichen Grenzen gehen.

Die zahlreichen Auslieferungen der fertigen Lunchpakete trieben uns an, weiter zu machen. Zudem kamen immer wieder Leute, die neue Lebensmittel brachten. Das Engagement war enorm!
 Und sogar unsere zielgerichtet, via Facebook 
und Telefon gestarteten Aufrufe nach aktuell fehlenden Dingen, trugen binnen kürzester Zeit Früchte – die Leute brachten uns, was wir brauchten.

Am Ende gingen wir mit einem sehr guten Gefühl. Die MWG hat da in kurzer Zeit eine großartige Sache auf die Beine gestellt und wir sind so froh, dass wir mitwirken konnten!“

Verschiedene Stationen kümmerten sich um die Befüllung der Sandsäcke. Auch im Kieswerk in Barleben arbeiteten viele hundert Menschen Tag und Nacht, um die Versorgung mit Sandsäcken und so den Bau der Sicherungsdämme gewährleisten zu können. urbanite war am Samstag, 08.06.2013, in Barleben und hat auch den Spaten in die Hand genommen. 

„Als wir ankamen, überraschte uns zuerst, wie viele Menschen gekommen waren, um zu helfen. Das Kieswerk wimmelte von Helfern, die an verschiedenen Stationen die körperlich schwere Arbeit verrichteten. Es gab einen Versorgungspavillon mit jeder Menge Getränken, Obst, Snacks und geschmierten Broten. Das meiste Davon wurde von Privatpersonen organisiert. Die Situation war etwas chaotisch. Leider gab es nirgendwo eine Person, die den Hut aufhatte und die Arbeiten koordiniert hat. Zudem war eine Anmeldung als Helfer nur direkt in Magdeburg möglich. Das schmälerte den Tatendrang in keinster Weise. Es wurden Menschenketten gebildet, um die schweren Sandsäcke möglichst schnell auf die LKW transportieren zu können. Die Organisation untereinander funktionierte wirklich gut.“

Das Hochwasser hat uns wieder gezeigt, wie wichtig es ist, für einander da zu sein und aufeinander zu achten. Es ist schön, zu wissen, dass Solidarität und Hilfsbereitschaft für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit sind. Hoffen wir nun, dass alle Opfer der Hochwasserkatastrophe schnell die Schäden beseitigen und nach vorn schauen können. Was bleibt, ist das Gefühl – man ist nicht allein!

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