Auf Reise durch 40 Jahre verpasste Poptrends Album des Monats: ABBA „Voyage“

Auf Reise durch 40 Jahre verpasste Poptrends:„Voyage“ Von ABBA.

Jeder Popliebhaber dürfte dem erlösenden Release-Tag des neuen ABBA-Albums sehnsüchtig entgegengefiebert haben. Eigentlich sollten es ursprünglich nur die beiden Vorab-Singles „I Still Have Faith in You“ und „Don’t Shut Me Down“ werden, die ABBA mit dem Launch der Album-Website für eine Woche später ankündigten. Alles war eine große Überraschung. Eigentlich kein Wunder. Denn wenn ABBA nach 40 Jahren Pause ein neues Album veröffentlichen, verbreitet sich diese große Neuigkeit auch ohne langen Promovorlauf wie ein Lauffeuer.

© Industrial Light & Magic

Durch Zeit …

Das schwedische Quartett um Agnetha Fältskog, Anni-Frid Lyngstad, Björn Ulvaeus und Benny Andersson holt mit „Voyage“ alle Jahrzehnte Popmusiktrends nach, die es seit dem letzten Album „The Visitors“ (1981) übersprungen hat. So klingen viele Passagen nach einem Andrew Lloyd Webber-Musical der 90er-Jahre. „I Still Have Faith in You“ klingt wie eine Hommage an Andrew Lloyd Webbers Musical „Evita“. Funfact: Zwischen „The Visitors“ und „Voyage“ liegt gleich mal die gesamte Musikkarriere einer Madonna(!), und selbst die „Evita“-Darstellerin (1996) ist mittlerweile ein absolutes Urgestein der Popmusik. Während „When You Danced With Me“ eine Ode an Bennys Liebe zum Folk sein dürfte, huldigt „Ode To Freedom“ 90er/00er New-Age-Hymnen à la Enya. Natürlich kommen auch bandinterne Referenzen nicht zu kurz: „Keep an Eye on Dan“ kommt in ähnlich suspektem Discogewand daher wie „Money, Money, Money“ und „Gimme, Gimme, Gimme (A Man After Midnight)“. „Bumblebee“ erzeugt im Intro „Fernando“-Vibes und reflektiert ebenso wie „Little Things“ über den Genuss von einfachen Dingen. Bei „Just A Notion“ bedient man sich sogar originaler Vocal-Aufnahmen von 1978.

© ABBA/Universal

… und Raum

Alben und Songs werden durch die Streaming-Kultur tendenziell kürzer und auf wesentliche Highlights reduziert. Somit ist auch „Voyage“ mit 37 Minuten ein recht kurzer Ritt. Für das tiefgreifende Erlebnis im physischen Format setzen ABBA nach wie vor auf CD-Singles und ein Album-Box-Set, das optisch sehr spacig daherkommt. Auch wenn das zum Rahmen des holografischen Live-Spektakels um „Voyage“ passt, das nächsten Mai seine Premiere in London feiern soll, und Space-Images im Zeitgeist der Popkultur sind, drängt sich an dieser Stelle die Frage nach dem Bezug zum eher intimen, geerdeten, allenfalls hymnischen Songmaterial auf. Weil sich das einfach nicht so recht erschließen will, macht es „Voyage“ am Ende weniger rund, als es uns glauben machen will. Trotzdem: Ein solides Album mit altbewährtem Handwerk in neuem Gewand. Anni-Frid, Agnetha, Benny und Björn im Disco-Fieber: Aber eher im chilligen Separee, statt auf Dance-Floor-Ekstase.

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© Baillie Walsh