Kommt auf die dunkle Seite! Buch: „Lost & Dark Places Leipzig“

Im Buch „Lost & Dark Places Leipzig“ beleuchtet der Journalist und Autor Marius Mechler die bekannten und weniger bekannten dunklen Ecken von Leipzig. Nachdem er sein Redaktionsvolontariat bei urbanite in diesem Jahr beendete, arbeitete er voller Tatendrang an seinem ersten Buch.

Buch Lost & Dark Places
© Marius Mechler
Perfekt in Szene gesetzt: Wo würde das Buch besser hinpassen, als direkt an einen Lost Place.

Verloren und düster

Wenn man an „Lost Places“ in Verbindung mit Leipzig denkt, fallen einem wahrscheinlich als Erstes ehemalige Industriegebäude ein, die nach der Wende in den 1990ern schließen mussten und seitdem vor sich hingammeln. Auch im Klappentext des ersten Dark-Tourism-Guides für die Messestadt wird die Ähnlichkeit mancher Verfallsgeschichten erwähnt. Doch schon beim Durchblättern und ersten Überfliegen der Überschriften und Fotos wird klar, dass das noch nicht alles ist, was es an verlorenen und vergessenen Orten zu entdecken gibt.

Sogenannte „Lost Places“ sind seit einigen Jahren ein beliebtes Ausflugsziel für alle, die es ein bisschen schauriger mögen und die klassischen Sehenswürdigkeiten eher meiden. Diese Orte erzählen meistens weniger schöne, aber deswegen nicht weniger wichtige Geschichten. Der bauliche Verfall verweist dabei auf die Vergänglichkeit menschlichen Strebens und bietet immer wieder je nach Jahres- und Tageszeit wechselnde Fotomotive. Wer dabei nicht ganz allein und unvorbereitet auf Entdeckungstour gehen möchte, sollte einen Blick in das Buch von Marius wagen.

Speicherskelett
© Marius Mechler
Zwischen Sträuchern und Bäumen: Das alte Speicherskelett thront in mitten einer wildgewachsenen Wiese

Die Mischung machts

Auf 158 Seiten werden 33 Orte vorgestellt, die verlassen worden sind oder eine düstere Vergangenheit haben. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf klassischen „Lost Places“, sondern bildet auch eher unrühmliche Abschnitte der Stadtgeschichte ab, über die deshalb seltener berichtet wird. So widmet sich das Buch unter anderem dem Leipziger Marktplatz, auf welchem 1824 die letzte öffentliche Hinrichtung stattfand, die sogar von Georg Büchner in seinem Dramenfragment „Woyzeck“ literarisch verarbeitet wurde.

Auch der große Gebäudekomplex der ehemaligen Stasi-Zentrale wird vorgestellt, der heute halb „Lost Place“,halb Museum ist. Starke Unterschiede gibt es auch beim Zustand der Bauwerke. Beim Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz sind die Tage des Verfalls gezählt, bei den Häusern des ehemaligen Rittergutes Mockau schreiten sie wohl unaufhaltsam voran. Die Bandbreite reicht also von bekannten Gebäuden in der Innenstadt über unbekannte Ruinen am Stadtrand bis hin zu spannenden historischen Relikten im Leipziger Umland. Und obwohl die zeitlichen Schwerpunkte auf dem 19. und 20. Jahrhundert und deren industriellen Hinterlassenschaften liegen, tauchen zwischendurch immer wieder Überraschungen in Form eines barocken Bürgerhauses oder stillgelegter Friedhöfe auf.

Bei einigen vorgestellten Objekten, wie beispielsweise den Überresten der Mitteldeutschen Motorenwerke gelegen zwischen Plaußig-Portitz und Taucha, verbinden sich die Bezeichnungen von Lost und Dark Place sogar. Denn dort, wo heute nur noch Mauerreste aus dem Wald ragen, waren einst Zwangsarbeiter:innen in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Gerade an solchen Orten sollte man sich die einleitenden Worte und Verhaltensregeln des Autors zu Herzen nehmen und den nötigen Respekt an den Tag legen. Oft stehen die Plätze, wie beispielsweise der Lindenauer Hafen und die Schleusenruine in Wüsteneutzsch bei Leuna, in historischer Beziehung zueinander und werden auch in aufeinanderfolgenden Kapiteln im Buch angeordnet, sodass sich beim Lesen ein komplexeres zusammenhängendes Bild ergibt.

Volkspolizei und Hof Stasizentrale
© Marius Mechler
Lost & Dark Places: Der alte Hof der Zentrale Staatssicherheit und Volkspolizei liegt mitten im Stadtzentrum.

Kein klassischer Reiseführer

Auch einzeln betrachtet sind die Abschnitte umfangreich gestaltet und können für sich allein stehen. Jedes Kapitel beginnt mit der genauen Adresse sowie GPS-Daten und verschiedenen Anfahrtsmöglichkeiten. Dann folgen die genauen Beschreibungen der Orte. Sie sind ausführlich und gut recherchiert, ohne dabei mit zu vielen historischen Daten überfrachtet zu wirken. Am Schluss jedes Textes gibt es unter der Überschrift „Das besondere Erlebnis“ noch weitere Hinweise und Ausflugsmöglichkeiten in der Umgebung der Lost & Dark Places.

So lässt sich ein Besuch des Alten Friedhofes in Dölitz gleich mit einem Spaziergang durch den nahe gelegenen Erholungspark Lößnig-Dölitz verbinden. Durch seine handliche Größe kann das Buch gut in die Tasche gepackt und zum nächsten „Lost Place“ mitgenommen werden, um dann der Geschichte direkt vor Ort nachzuspüren. Genauso eignet es sich aber auch als Nachschlagewerk oder, um darin zu schmökern und sich für die nächsten Expeditionen inspirieren zu lassen.

Marius Mechler Lost & Dark Places Autor
© Marius Mechler
Der Autor Marius Mechler ist sichtlich stolz auf sein Erstlingswerk.