Aki von der Sonnenseite Musik Interview: BOSSE

Über 20 Jahre Solokarriere, acht Studio­alben und zahllose Konzerte sind für BOSSE nach wie vor kein Grund, die Segel zu streichen. Im Gegenteil: Ab September geht es auf „Sunnyside“-Tour. Mit „Der letzte Tanz“ verschaffte er uns im vergangenen Sommer eine Ohrwurm-Hitsingle aus seinem aktuellen Album. Wie er mit „Sunnyside“ nun auch überwintern möchte, welche Rolle dabei das Verhältnis zu seinem Vater spielt und warum die Wurzeln seiner Solokarriere gar nicht mal so weit entfernt von Leipzig liegen, darüber haben wir mit dem Hamburger Singer-Songwriter-Urgestein gesprochen.

© Marco Sensche

Hey, mein Lieber! Wie magst du’s am liebsten: Axel, Aki oder BOSSE?

Gerne Aki.

Alles klar. Ich hoffe, du fühlst dich gut?

Den Umständen entsprechend, aber ich bin eigentlich fit und mir gehts auch richtig gut.

Apropos den Umständen entsprechend: Deine Songs sind ja immer ziemlich konzeptionelle Storys aus deinem Leben. Wie empfindest du das in Zeiten des Rückzugs ins Private durch Corona? Hast du manchmal Angst, dass dir die Geschichten für neue Songs ausgehen könnten?

(Zögert kurz.) Ja … Ich glaube, diese Angst habe ich immer. Die hatte ich auch vorher schon. Aber es gibt so vieles, über das es sich zu singen lohnt. Ich habe mein letztes Album ja vor gar nicht allzu langer Zeit abgegeben. Und dann denke ich ganz oft, ich will mich bloß nicht wiederholen. Ich glaube, es gibt eine Top 5 dieser allerwichtigsten Lebensthemen – sowohl gesellschaftlich als auch privat. Das Leben an sich birgt eine ganze Menge Storys und dann erkenne ich: So große Angst davor habe ich dann doch nicht.

Welche sind diese Top-5-Themen?

Eigentlich reicht schon ‚Glück‘ als große Überschrift: Das innere und das gesellschaftliche Glück. Wenn man Glück sagt, muss man auch Pech sagen. Allgemeine Themen wie die gesellschaftliche Entwicklung, wie sich Bubbles bilden, wie sich all das auseinanderentwickelt und wieder zusammenfindet – das Thema zwei und drei. Dann sicher­lich die Familie, innere Dinge, aber letztendlich auch wieder Glück. Hoffnung natürlich. Das ist die Nummer fünf.

Du hast diese Themen auf mittlerweile acht Alben in verschachtelte Lyrics verpackt. Nach 20 Jahren Solokarriere hast du außerdem mit großen Künstlern und Künstler­innen zusammengearbeitet und zahlreiche Konzerte gespielt. Gibt es noch einen offenen Wunsch, der dich motiviert, musikalisch weiter am Ball zu bleiben?

Ganz ehrlich, das sind, glaube ich, zwei Punkte: Ich habe einfach eine große Leidenschaft für das Schreiben und Tanzen in mir, sodass ich einfach nicht anders kann, als weiterzumachen. Dann habe ich immer den Wunsch, dass alles einfach noch ein paar Jahre so bleibt, weil ich so glücklich mit dem bin, was ich tue.

© Shanti Tan

Du motivierst dich aus deiner Passion heraus also selbst immer wieder aufs Neue?

Genau. Ich würde sofort aufhören, sobald ich das Gefühl hätte, satt und gelangweilt von mir selbst zu sein. Würde ich das nur noch wegen der Kohle machen, würde ich sofort aufhören. Das ist nicht der Grund, warum ich angetreten bin, sondern weil ich es liebe.

Sehr schön, die Hauptsache ist, man tut, was man liebt, und liebt, was man tut. Aber wenn du nun doch plötzlich merken würdest, dass die Luft raus ist: Was wäre deine Alternative?

Ich kann jungen Musikern und Musikerinnen nur raten: Wer richtig viel Geld verdienen möchte, entscheidet sich besser für einen anderen Beruf. (Lacht.) Wenn ich jetzt selbst irgendwann aufhören müsste – gemäß dem Fall, mir reißen alle Stimmbänder durch oder so – würde ich wahrscheinlich Koch werden.

Dein aktuelles Album „Sunnyside“ steht ganz im Zeichen des Sommers. Du hast gleich sieben Musikvideos gemacht und planst auch eine Tour. Aber wie denkst du, können deine Hörer:innen auch im Winter Zugang zu dem Album finden?

Ich weiß gar nicht, ob es jetzt nur ein Sommeralbum ist. Es ist schon zweigeteilt. Es gibt Titel wie „Neben­saison“ – eine absolute Herbstnummer. „Sommer“ ist natürlich auch eine richtige Sommernummer. Die kannst du im Winter direkt skippen. Ach, ich weiß nicht … Es gibt schon viele Themen, die auch tiefer sind. In „Nebensaison“ gehts zum Beispiel um Einsamkeit und „Vater“ ist schon absolut herbst- und wintertauglich. Das sollte der Zugang sein.

Du hast schon deinen Song „Vater“ angesprochen. Darin erzählst du, dass dein Vater dir im Laufe der Zeit den ein oder anderen Fuffi geliehen hat. Hat sich dieses Verhältnis mittlerweile umgekehrt?

Der Song macht meinen Eltern in erster Linie das Kompliment, dass sie gut loslassen konnten. Ich bin mit 16 von zu Hause weg, um Musiker zu werden. Sie haben mich einfach machen lassen, obwohl sie mit Musik überhaupt nichts am Hut haben. Ansonsten überreißt „Vater“ die Zeit mit mir und meinem Alten und da kann ich ihm – wie man auch an der Nummer merkt – eigentlich nur Komplimente machen.

Möchtest du, dass ich das so schreibe, ja? „Du und dein Alter“?

Klar, kannst du machen. Im Zweifel kriegt er ’nen Fuffi.

© Shanti Tan

Wie kam es genau zum jetzigen Zeitpunkt zu dieser Reflexion über eure Beziehung?

Das war jetzt tatsächlich auch ein bisschen lockdown-bedingt. Ich verbringe super gern Zeit mit ihm. Wir wären eigentlich im letzten Jahr nach England gefahren und hätten stumpf Fußball geguckt. Das ist leider ausgefallen. Da kam ich dann zu der Erkenntnis, dass es immer wichtiger wird, dass wir Zeit miteinander verbringen, weil wir so viel gemeinsame Zeit einfach nicht mehr haben. Er ist halt alt geworden. Und da dachte ich: Ich glaube, ich hau’ ihm jetzt mal ’nen Song raus.

Wie hat er die Widmung aufgenommen?

Ich war nicht dabei, als er ihn zum ersten Mal gehört hat, aber ich glaube, er hat sich sehr gefreut.

Und deine Mum kommt dann beim nächsten Album dran?

Ja, die ist ein bisschen jünger. Auf Album Nummer 11 hau’ ich den Mama-Song raus.

© Marco Sensche

Nun bist du ja auch selbst Vater. Gibt es, trotzdem du eure Beziehung zueinander schätzt, auch Dinge in der Erziehung deiner Tochter, die du signifikant anders machst?

Wenn ich ehrlich bin nicht. Ich habe mit meinen Eltern eine gute Kommunikation und ein tiefes Vertrauen. Das habe ich mit meiner Tochter auch. (Überlegt einen Moment.) Mir fällt da gerade wirklich nichts ein … Die haben das ganz toll gemacht. Natürlich gehören Fehler im Leben und im Zusammensein dazu. Aber alles in allem kann ich mich überhaupt nicht beschweren. Weder, was die Beziehung zu meinen Eltern, noch die zu meiner Tochter angeht. Das ist alles schwer in Ordnung.

Glückwunsch zu diesem tollen Resümee über deine Familie! Lass uns noch einmal zu deiner „Sunnyside“-Tour zurückkommen: Die wird dich am 14. September zu uns nach Leipzig ins Haus Auensee führen. Hast du denn auch eine sommerliche Episode aus Leipzig, die vielleicht sogar in einem deiner Songs schon eine Rolle gespielt hat?

Ich bereise Leipzig schon seit Ewigkeiten. Ich habe da viele Freunde und auch mein Trompeter wohnt da. Ansonsten ist es so, dass meine musikalische Geschichte in Leipzig losging; und zwar mit Laut gegenRechts am Völkerschlachtdenkmal. Das muss so 2000/2001 gewesen sein. Das sind meine ersten richtigen Erinnerungen an Open Airs. Damals noch als Vorband von Deine Lakaien und MIA. Das ist schon ewig her. 20 Jahre eben. Eyyy … Ich find’ Leipzig einfach so toll. Ich liebe das Flair der Stadt. Deswegen bin ich gern da. Sowohl das Werk II als auch das Haus Auensee: Ich sitz’ da einfach gern, trinke Kaffee und guck’ mir die bunten Leute an. Wenn ich noch mal aus Hamburg wegmüsste, würde ich sagen, ich komme nach Leipzig.

Zum Abschluss: Gibt es noch etwas, das du mit den urbanite-Leser:innen teilen möchtest?

Wenn ihr ein Stadtmagazin seid, möchte ich mal ein bisschen Werbung machen: Und zwar habe ich einen Lieblingsitaliener in Leipzig, den ich immer noch für einen der besten in ganz Deutschland halte. Und zwar das Natalina. Das ist in der Wiedebachstraße in Connewitz. Wahnsinn!

© Marco Sensche

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