Ein subjektiver Blick auf die Geschichten des Lebens Buchrezension: nö

„Du lebst ewig in der Liebe, die du verschenkst.“ Mit diesem erfrischenden Yogi Tea-Zitat startet Marsha Richarz locker in ihr Buch „nö“. Darauf folgen unterhaltsame und lehrreiche Textsammlungen, die ihre Perspektive des Menschseins zeigen. In fünf größeren Kapiteln beschreibt sie den Leser:innen ihre kritische Sichtweise und Erfahrungen zu den Themen Schul­alltag, Körper, Feminismus und Menschsein.

© Anna-Lena Mankel

Beobachterin

Im ersten Kapitel „Beobachterin sein“ reihen sich zynische Beobachtungen von diversen Alltagssituationen aneinander. Unter anderem beschreibt sie die verschiedenen Personengruppen im Fitnessstudio und erinnert dabei mit ihrem Zynismus an Sophie Passmann. Die einzelnen Texte eignen sich perfekt für zwischendurch, da sie nicht aufeinander aufbauen und für sich stehen. Im ersten Kapitel wirkt die Textsammlung noch strukturlos und komplett zufällig, doch in den folgenden Kapiteln wird der rote Faden deutlich.

Feministin

Marsha schafft es, nahbar und niedrigschwellig auf Problematiken aufmerksam zu machen. So erzählt sie in „Feministin sein“ unter anderem von einer Auseinandersetzung mit einer Freundin über sogenannte Frauen-Zeitschriften. Diese erklären Frauen, wie lange der perfekte Sex dauert, und zeigen Studien, die verraten, dass Mann anhand der Figur einer Frau erkennt, wie gut der Sex mit ihr ist. Mit Aussagen wie „das ist doch superpraktisch für Männer. Die können sich eine Frau angucken und wissen sofort, was zu erwarten ist. Zum Beispiel hier, von einer Universität, das ist also echt richtig wissenschaftlich: (…)“ macht sie deutlich, dass noch viel Aufklärungsarbeit notwendig ist.

Lehrerin

Die Tücken des Referendariats werden in „Midrefcrisis“ mit intimen Einblicken in ihre Arbeit und den Umgang mit Inklusionsschulen vertieft. Aus ihrem Berufsalltag berichtet sie von dem 17-jährigen Mädchen aus ihrer Klasse, die statt Justin Bieber lieber Roland Kaiser anhimmelt. Mit ihren charmanten und spitzen Beobachtungen bringt sie die Leser:innen immer wieder zum Schmunzeln. So auch bei ihrer Feststellung, wie geistige Behinderung und die Vorliebe zu mancher Musik zusammenhängen. „Manchmal stutze selbst ich bei solchen Sätzen und überlege, warum so viele Jugendliche und auch erwachsene Menschen mit zugewiesener geistiger Behinderung Fans von Schlager oder Freiwild sind.“ Neben humorvollen Erzählungen verwebt sie immer wieder scharfe Kritik zu den jeweiligen Hauptthemen. So zum Beispiel auch am Bildungssystem. Marsha hält dabei durchweg die Balance zwischen humorvollen, sarkastischen und kritischen Texten.

Mensch

In einem der letzten Kapitel trumpft Marsha mit starken lyrischen Zeilen. Erinnerungen an einen perfekten Sommer vermitteln diese einzigartige Magie und versetzen die Leser:innen in den eigenen perfekten Sommer zurück.

„Da ist noch Glitzer im Gesicht.
Ein Hauch von Sommer in den Haaren,
rosaroter Sonnenaufgang in den Augen
und trübe Seewassertropfen auf der nackten Haut.
Ein Kribbeln, ein Rauschen, ein Funke.“

Hier wird erneut klar, was in Marsha als Autorin alles steckt. Zum Ende lernt man auch ihre innere alte Frau, Irmtaut, mit der sie das Kapitel „Alt sein“ einleitet, kennen. Falls man ebenfalls eine ältere Frau in sich schlummern hat, die sich immer wieder mal zur Oberfläche kämpft, wird man sich gut mit diesem Kapitel identifizieren können.

Marsha gelingt es, dass im ganzen Buch immer deutlich ist, wie sie sich positioniert und wer sie sein will: Feministin, Mensch, Beobachterin und Lehrerin. Und so ist zu jeder Zeit klar, dass immer von ihrer Position, Meinung und Sichtweise die Rede ist. Durch den gelungenen Mix zwischen unterhaltsamen Beobachtungen und kritisch lehrreichen Aussagen können wir das Buch für alle empfehlen, die auch gerne neugierig beobachten.

Fazit: Humorvolle und kritische Statements zu den verschiedenen Aspekten des Menschseins gesammelt in einem Buch.


Texte von Marsha Richarz
Brimborium Verlag
180 Seiten | 15 Euro