frisch & haltbar Die Alben des Jahres 2024 – Teil 2

Hier kommen die Top 60 der Alben des Jahres 2024 – viel Spaß beim Durchscrollen und Reinhören.

© Pexels

Die Community hat in einer mehrwöchigen Wahl über die Alben des Jahres 2024 entschieden. Infos zum Prozedere der Wahl und die Platzierungen 113-61 könnt ihr euch HIER im ersten Teil gern nochmal durchlesen und die eine oder andere noch viel zu unbekannte, spannende Band entdecken.

60 Marlo Grosshardt – Mut

Junger kantiger deutschsprachiger Singer-Songwriter-Indie-Pop mit Haltung, Gesellschaftskritik und Posaune irgendwo zwischen dem jungen Grönemeyer und Faber. Unbedingt merken!

59 Stefanie Schrank – Schlachtrufe BRD

© Benni Pflug

5 Jahre nach ihrem ersten Soloalbum „Unter der Haut eine überhitzte Fabrik“ hat Stefanie Schrank, die sonst als bildende Künstlerin und Bassistin/ Sängerin bei „Locas in Love“, „Karpatenhund“ und der gute-Musik-für-Kinder-Band „Gorilla Club“ oder bekannt ist, ihre 8-Track-EP veröffentlicht.

Neben dem titelgebenden Song über die Bedeutung des 90er-Jahre-Punksamplers – besonders für Menschen jenseits von Großstädten – beinhaltet die Platte ein Sammelsurium von Liedern, die zwischen 2019 und heute entstanden sind. Mir haben es mir wieder besonders die beiden Coverversionen „Dude, What the Fuck..?“ (Original von den „Kapu Krauts“ ) und “All out of Love“ ( „Air Supply“ ) angetan.

Das Album könnte dir gefallen, wenn: du mit eckigem, dreamy analogen überlegtem Pop was anfangen kannst und dir zum Beispiel Musik von Jens Friebe, „Nichtseattle“ , Bernd Begemann, Christiane Rösinger oder die Erinnerung an die „Stand by your man“ Version von Heike Makatsch noch wohliges Schmunzeln in Gesicht und Bauch jagt.

58 Robert Stadlober & Tucholsky – Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut

Der den meisten wohl als Schauspieler bekannte Robert Stadlober vertont Gedichte von Kurt Tucholsky. Politischer Indie-Folk. Leider wichtiger und aktueller denn je.

57 Michèl von Wussow – Traum B

© Benni Pflug

Poppig geprägtes Indie-Songwriter Album. Energiegeladen und mit einer fast mutzkeesken Range und beeindruckenden Intensität in seiner Stimme singt Michèl von Wussow über Kindheitstrauma, Generationenkonflikte, Vergangenheitsbewältigung (Traum B folgt schließlich auf Traum a) und haut mit “Mitte 20 im Arsch” mal eben einen der besten Texte über die Sorgen einer ganzen Generation raus. Mehr über dieses Album könnt ihr hier bei uns auf urbanite nachlesen.

56 Roy Bianco & Abbrunzati Boys – Kult

Italo-Indie-Schlagerpop aus Bayern mit Gute-Laune-Garantie. Überzeugt euch davon in wenigen Wochen bei der LipPop. Mehr dazu lest ihr hier.

55 International Music – Endless Rüttenscheid

54 Peter Licht – Alles Klar

53 KMPFSPRT – Aus gegebenem Anlass

52 Amyl and the Sniffers – Cartoon Darkness

51 The Mourning Post – Everything Must Stay

© Benni Pflug

Dieses Album ist eines meiner absoluten Favoriten des letzten Jahres und wäre in einer persönlichen Liste wohl mindestens in den Top 10 gelandet. The Mourning Post aus NRW existieren bereits seit knapp 15 Jahren und haben nach ein paar EPs ihr Debütalbum veröffentlicht. Musikalisch spielt sich der größte Teil des Albums im 90er Emo/Punk/Indie-Universum ab, angereichert mit verspielten twinkly Math-Gitarren. Thematisch nimmt die Auseinandersetzung mit der Ambivalenz und dem inneren Kampf zwischen Nostalgie und Zukunft, zwischen Stillstand und Aufbruch viel Raum ein.

Anspieltipps:

-Explorer

-Midi Life Crisis (alte Freundschaften yes/ no?)

-Fire Trucks (Umgang mit dem Tod geliebter Menschen – wer bei diesem Song, der dynamischen Steigerung and den beinah jimmyeatworldesken Wechsel- und Choralgesängen im letzten Drittel nicht mindestens ein Mal Erpelpelle kriegt, hat Emo nie geliebt!)

Ich würde drauf wetten, dass du das Album mögen wirst, wenn du mit Bands wie „Sorority Noise“, „Jimmy Eat World“, „The Hotelier“, „Into it Over it“, „Pale“, „City Light Thief“, aber auch „Incubus“, „Kali Masi“ oder „Vertical Horizon“ was anfangen kannst.

50 Mina Richman – Grown Up

Noch ein überragendes Debütalbum.

Empowernder vielschichtiger Soul-Pop, krasse Bühnenpräsenz, nicht durch Zufall gern mit Musikerinnen wie Amy Winehouse oder „Joas as Police Woman“ verglichen. Something to rely on

49 Leoniden – Sophisticated Sad Songs

48 Desolat – Ückendorfication

© Benni Pflug

„Desolat“  kommen aus Gelsenkirchen-Ückendorf und treiben sich musikalisch im deutschsprachigen Indie-Underground herum. Das Album ist musikalisch sehr umtriebig und lässt sich herrlich schwer schubladig einordnen: herausgekommen ist ein Mix aus Punk, NNDW, Grunge und Garagerock irgendwo zwischen Nirvana, den Fotos, den Pixies und Weezer, wobei sich auch immer wieder diverse andere musikalische Einflüsse der Bandmitglieder Markus, Mogli, Sven, Lilly und Mika heraushören lassen. Als Beispiele für die große Bandbreite und zur Orientierung würde ich hier Namen wie „Wavves“, die Leipziger Band „Velcros“, „Betterov“, „Cloud Nothings“, die ganz frühen „Madsen“ oder die Ruhrpottmetalurgesteine „Sodom und Kreator“ nennen.

Ich persönlich mag diese Vielfalt, die 90er-Anleihen und auch den Rahmen, der besonders durch die Lieder „Verpass nicht den Anschluss I“ und „Verpass nicht den Anschluss II“ um das Album gebildet wird. Die Platte kommt in einer wunderschönen Crystal Clear Vinyl Version mit Lyricssheet und Oldschool-Wendeposter.

47 Porridge Radio – Clouds in the sky They will always be there for me

46 Linkin Park – From Zero

45 Knarre – Hundeleben

© Benni Pflug

Knarre kommen aus Berlin und machen genau die Musik, die man hinter dem Bandnamen vermutet: herrlich rotzigen roughen deutschsprachigen (Emo-) Punk.

Siebeneinhalb Songs über Sinn und Suche. Ein Grower, der mich besonders auf der zweiten Seite überzeugt hat – besonders, weil dort die Genretüren nochmal weit geöffnet werden und der Punkkeller nochmal ne Extraladung Frischluft bekommt.

Hört euch das unbedingt an, wenn ihr u.a. mit „Pascow“, „Duesenjaeger“, „Love A“, „Empty Guns“, „Matula“, „Loveline“, „Frachter“, „Kommando Kant“, „Adam Angst“, „Trixsi“ , „Lygo“, den frühen „Turbostaa“t und dem einen oder anderen „Nirvana-Riff“ gute Erinnerungen und ein angenehmes Ohrenklingeln verbindet.

44 Raketenumschau – Ist es die Euphorie?

43 Iedereen – ledereen

42 Charli XCX – Brat

41 24/ 7 Diva Heaven – Gift

40 Soccer Mommy – Evergreen

39 Shoreline – To figure out

38 Grillmaster Flash – Flaesh Metal

© Benni Pflug

„Grilli“ hat ein deutschsprachiges Metal-Album rausgebracht!

Neben „Bela B“ und „Die-Ärzte“- Kollege „Rodrigo Gonzalez“ sind mit Sascha Madsen und Markus Kavka weitere hochkarätige Gäste an Bord und machen das gesamte Album zu einer kurzweiligen Hommage an Oldschoolmetalbands wie „Judas Priest“, „Iron Maiden“, „Metallica“, „The Sisters Of Mercy“ oder „Journey“.

37 Bernd Begemann und die Befreiung – Milieu

36 Sperling – Menschen Wie Mir verzeiht man die Welt oder hasst sie

© Benni Pflug

Posthardcore meets Emo, gepaart mit Rap-Parts und Celloklängen dazu lyrisch ausgereifte mental-health-bezogene Texte – ein ausgefeilter Mix für alle, die sich von beispielsweise „Kummer“, „FJØRT“, „La Dispute“, „Kind Kaputt“, „Escapado“, „Touché Amoré“ oder (wohl der häufigste Kreuzvergleich – sorry!) „Casper“ abgeholt fühlen. Mehr dazu hier.

35 Akne Kid Joe – 4 von 5

34 Idles – Tangk

33 Blackout Problems – Riot

32 Maximo Park – Stream of life

31 Lampe – Prima

30 Endless Wellness – Was Für Ein Glück

29 Nada Surf – Moon Mirror

28 Im Taxi Rauchen – Snabel

© Benni Pflug

Thore und Maurice machen mit ihrem Songwriterindiepunkduo „Im Taxi Rauchen“ 2019 (neben der schönen drei-???-Referenz im Albumtitel) keinen Hehl daraus, von welchen Bands sie ihre musikalischen Inspirationen holen. Schon in der Typo des Albums, über das schön gestaltete Lyricsheet bis hin zu einigen Quasi-zitaten („Es gibt kein gutes Leben ohne Dystopie) erkennt man „Muff Potter“ wieder, Songtitel wie „LDNSCHFT“, „Lauf for it, lauf“ oder „Nachbarin fällt im Bus“ (damit haste mich als Freund der flachen Dadwortwitze sofort!) lassen nur Menschen, die in den letzten Jahrzehnten nen großen Bogen um die deutschsprachige Indieszene gemacht haben, nicht an „Herrenmagazin“, „Pascow“ und „Tocotronic“ denken. Auch Bands wie „Kettcar“, „Adolar“, „Monsters Of Liedermaching“, „Schrottgrenze“ oder„Montreal“ dürften bei „Im Taxi Rauchen“ mehr als nur ganz peripher stattgefunden haben. Prove me wrong! Dennoch hat jeder Song bei allen Anleihen und Verneigungen von und vor Lieblingsbands eine eigene Note und das Album dürfte sich zum absoluten Grower entwickeln.

27 Madsen – Die Weihnachtsplatte

26 Faber – Addio

25 Chuck Ragan – Love and Lore

24 Hot Water Music – Vows

23 Casper – Live In Bielefeld

22 Touché Amoré – Spiral in a straight line

21 Fontaines D.C. – Romance

20 Paula Hartmann – Kleine Feuer

19 Die Nerven – Wir waren hier

18 Hannes Wittmer – Sag es allen Leuten

The Artist formerly known as „Spaceman Spiff“ mit seinem zweiten Album unter Klarnamen. Noch immer verträumt klare Fingerpickinggitarre kombiniert mit großartig beobachteten Texten.

17 The Cure – Songs Of A Lost World

16 Matze Rossi – Barn Tapes

Ein Album voller Folk-Acoustic-Covers aus verschiedensten Genres (u.a. von den „Donots“, „Bad Religion“,  „Death Cab for Cutie“, „Bruce Springsteen“) – jeder Song mit anderen Gastsänger*innen. Hier bereits ausgiebig besprochen.

© Benni Pflug

15 Smile & Burn – Seid ihr stolz auf mich

© Benni Pflug

Nach 16 Jahren Bandgeschichte und jetzt sieben Alben gehen Smile & Burn mit “Seid ihr stolz auf mich” musikalisch und inhaltlich neue Wege. Die Band singt schonungslos und unkryptisch über Vergangenheitsbewältigung, Depressionen, die Aufarbeitung von transgenerationalen und ganz persönlichen Familientraumata und bewegt sich dabei in deutlich weiter gesteckten Grenzen weg vom relativ repetitiven Moshpitpunk in Richtung luftiger, reduzierter, atmender, breitflächiger Postpunk. Besonders die Kombination von Lyrics und Video im Titeltrack „Stolz“ gehen durch und in Mark und Bein. Mehr dazu hier.

14 Mine – Baum

13 Shitney Beers – Amity Island

© Benni Pflug

Einfach ein von vorn bis hinten richtig gut gemachtes, positiv stimmendes Indiepoprockalbum mit einer Extraportion Sommervibes.

12 Nichtseattle – Haus

© Benni Pflug

Eigentlich ein Frevel, dass dieses Album nicht in den Top 10 gelandet ist. Aber das werden wohl einige auch von anderen Alben denken. Solltet ihr bis jetzt noch nichts von Katharina „Kollmann“ / „Nichtseattle“ gehört haben, dann holt das unbedingt nach. Eine ausführliche Albumbesprechung hab ich hier für euch im Angebot.

11 Milliarden – Lotto

10 Hi! Spencer – Oben

9 Element of Crime – Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin

8 Enno Bunger – Der beste Verlierer

7 Kapelle Petra – Hamm

6 Fortuna Ehrenfeld – Universum

5 Frank Turner – Undefeated

4 Beatsteaks – Please

Ich persönlich brauch wohl noch immer ein paar Extrarunden mit dem neuen Album, um auch nur annähernde Ohrwurmhaftigkeit wie in den “Klassikern” zu erhalten, live hingegen ist die Band auch nach fast 30 Jahren noch ‘ne Wucht wie eh und je!

3 Olli Schulz – Vom Rand der Zeit

Das inzwischen achte Studioalbum von OIli Schulz, das nach einigen eher durchwachsenen Werken wieder positive Erinnerungen an das großartige Beige Album und “Feelings aus der Asche” erinnert. Ein starkes Quasi-Comeback mit gelungener Balance zwischen ernsthaften, nachdenklichen und humorvollen Stücken.

2 Thees Uhlmann – Sincerely, Thees Uhlmann

© Benni Pflug

„Eine Liebe zur Musik, Eine Liebe zu den Tönen“ Was für ne rundum gelungene Best-of-Compilation!

29 Lieder aus 25 Jahren – Wenn man schon von Beginn an dabei war, fühlt sich dieses Dreifachalbum an wie eine akustische Diashow durchs eigene Leben. Geht das nur mir so? Wahnsinn, in wie vielen Situationen doch die Musik ihren ganz eigenen Soundtrack gebildet hat und auch Jahre und Jahrzehnte später Erinnerungen und Bilder triggert.

Besonders erwähnenswert:

-die Auswahl und die Reihenfolge der Songs, die nicht chronologisch erfolgt, sich stattdessen aber (meiner Meinung nach) wahnsinnig gut ergänzt und optimal miteinander harmoniert.

-das Inlay-Doppelblatt Linernotes, welches das Gatefoldcoverfoto in einen überdimensionalen Adventskalender verwandelt und den 74 verewigten Memorabilien je einen kleinen Uhlmannschen Plaudertext hinzufügt.

-dass wirklich nahezu jeder Text mindestens eine Zeile hat, die man mit Edding an die Wände oder als Tattoo auf die Küchentapete oder die Stirn tackern könnte.

„Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Erde, die sich dreht…“

1 Kettcar – Gute Laune ungerecht verteilt

© Andreas Hornoff

Was soll ich sagen… Der erste Platz des Abstimmungsturniers ist auch mein ganz persönliches Album des Jahres. Die Hamburger Band um die beiden Texter Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff hat ein vielschichtiges Album mit Tiefgang geschaffen, das sowohl lyrisch als auch musikalisch eine nochmalige Steigerung zum Vorgängeralbum darstellt. Lieder wie “München”, “Kanye in Bayreuth” oder “Einkaufen in Zeiten des Krieges” dürfte es auch in vielen Jahren noch schaffen, die aktuell um uns kreisenden Themen (Alltagsrassismus, Ambivalenzen in der Werk-und-Autor*innen-trennen-Diskussion, aber auch kleine Beobachtungen im täglichen Leben) und die Lebensrealität der Mittzwanzigerjahre des 21. Jahrhunderts wiederzuerwecken.

Für Feedback oder weitere Musikideen könnt ihr mich gern auf meiner Instagramseite kontaktieren. Unter anderem gibt es dort jeden Freitag den Versuch, ohne die üblichen Musikalgorithmen, dafür aber durch eure persönlichen Vorschläge einen möglichst breit gefächerten Fundus an Neuveröffentlichungen von kleineren und größeren Bands und Künstler:innen vorzustellen und gemeinsam abzustimmen, welche davon in unsere “frisch & haltbar Playlist” wandern dürfen