"Eine Herausforderung gegen den Hass anzukämpfen" Großes Interview mit RB Leipzig-Spieler Rani Khedira

Rani Khedira ist seit dieser Saison ein Roter Bulle. Der 20-Jährige verrät uns Im Interview, wie es der Leipziger Zweitligist schaffen wird, irgendwann mehr Freunde als Gegner zu haben sowie die Gemeinsamkeit von RB Leipzig und dem Weltfußballer Cristiano Ronaldo.

Rani Khedira, seines Zeichens Mittelfeldspieler, ehemaliger Spieler des Bundesligisten VfB Stuttgart und seit dieser Saison ein Roter Bulle. Der 20-Jährige ist der einzige Neuzugang, der in den ersten Saisonpartien in der Startformation stand. Im Interview verrät uns Rani, wie er mit dem wohlklingenden Nachnamen Khedira umgeht, wie es der Leipziger Zweitligist schaffen wird, irgendwann mehr Freunde als Gegner zu haben und was die Gemeinsamkeit von RB Leipzig und Weltfußballer Cristiano Ronaldo ist.


© GEPApictures / RB Leipzig
Was hat dich überzeugt, zu RB Leipzig zu kommen?
Einfach das Vertrauen, was von Anfang an in mich gesteckt worden ist – vom ersten Tag an, an dem die Gespräche liefen. Das war einfach ein sehr positiver Eindruck – egal mit wem ich gesprochen habe. Die haben mich alle überzeugt. Für mich und für meine Zukunft war das ein großer Schritt nach Leipzig zu kommen, deswegen habe ich das ohne zu zögern gemacht. 

Hast du dich in Leipzig schon eingelebt?
Ich bin jetzt 20 Jahre und zum ersten Mal aus dem gemachten Nest raus. Allein als Mensch ist es eine gute Erfahrung einfach mal wegzukommen. Und das alles hier in dieser Stadt, bei diesem Verein zu erleben, ist einfach nur sensationell. Ich bin sehr positiv überrascht von Leipzig. Das hätte ich mir so nicht vorgestellt. Egal, wo du hingehst, du wirst von jedem aufgenommen und herzlich willkommen geheißen – das habe ich an den Orten, wo ich bisher war, selten erlebt. 

Was ist der größte Unterschied zwischen RB Leipzig und deinem alten Verein VfB Stuttgart?
Was den Verein angeht, haben alle dasselbe Ziel und denselben Plan vor Augen. Jeder geht eine Route. Keiner redet über den anderen, sondern es wird miteinander geredet. Das ist das Großartige an dem Verein. Du kommst her und fühlst dich sofort wohl. Du bist keine 5 min bei der Mannschaft und du quatscht einfach mit jedem. Es ist einfach eine große Gemeinschaft – vom Trainer angefangen über die Spieler bis zum Zeugwart. Es sind komplett alle ein großes Team. Das ist im Fußball schon eine Seltenheit, und deswegen steht RB auch einfach für Erfolg. 

Konntest du Unterschiede bei den Trainingsmethoden ausmachen? 
Ja, natürlich (lacht). Hier musste ich in den ersten Trainingseinheiten schon erst ordentlich pumpen. Es ist hier eine sehr, sehr hohe Intensität. Und man trainiert auch den Kopf mit. Man macht nicht einfach nur eine Übung, sondern kriegt mit, was hinter der Übung steckt. Das ist schon der größte Unterschied zu anderen Vereinen. 

Du bist nun bei einem Verein, der sehr polarisiert. Was denkst du denn über die deutschlandweite Kritik? 
Ich denke, das musst du als Fußballer auch ein Stück weit ausschalten können. Wenn du auswärts spielst und die Fans pfeifen dich aus – dann ist es halt so. Dann beweise ich denen lieber das Gegenteil, nämlich dass wir nicht für Geld oder sonst was stehen, sondern für schönen, attraktiven Profifußball. 

Doch wie geht ein junger Spieler wie du damit um, dem plötzlich soviel Hass entgegengebracht wird?
Ich denke, es ist auch eine Herausforderung gegen den Hass anzukämpfen. Dass man sich sagt: ‚OK, wir sind jetzt der gehasste Verein, aber wir wollen das auch irgendwie verändern’. Wir haben zwar einen großen Sponsor hinter uns, aber in erster Linie stehen wir für offensiven, attraktiven Fußball. Das wird Fußball-Deutschland auch irgendwann sehen. Das ist eine schöne Aufgabe und ein interessantes Projekt dagegen anzukämpfen. Wir lassen uns nicht beeinflussen, ob Fußball-Deutschland uns im Moment hasst. Außerdem bin ich mir sicher, dass wir das in Zukunft gerade biegen können. Wenn wir weiterhin guten Fußball spielen, haben wir irgendwann mehr Freunde als Gegner.

Als RBL-Spieler ist man darauf auch vorbereitet, oder?

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Ja, auf jeden Fall. RB steht einfach für Erfolg und es macht Spaß, die Mannschaft spielen zu sehen – die wollen immer nach vorne und attraktiven Fußball zeigen. 

Du hast einen für Fußballinteressierte sehr wohlklingenden Nachnamen. Ist das nervig, dass du immer auf deinen Bruder Sami Khedira angesprochen wirst?
(lacht) Nein, ich bin stolz und froh darüber, dass ich so einen großen Bruder in der Familie habe. Es bringt wie alles Vor- aber auch Nachteile. Ich kann mir Tipps und Ratschläge von ihm holen. Natürlich sind Vergleiche da und auch die Ansprüche an mich. Aber ich versuche das auszublenden und sage: ‚Ich bin Rani, der kleine Bruder von Sami und ich versuche das Bestmögliche aus meiner Situation zu machen’. Ich versuche einfach nur, mein Spiel durchzuziehen. Vielleicht ist es auch deshalb gut, dass ich hier in Leipzig bin. Hier wird über Rani gesprochen und nicht über ‚den Kleinen’. Und die Leute freuen sich auch auf mich. In Stuttgart war ich schon immer eher der kleine Bruder von Sami. Und hier ist das mal komplett anders. Hier wurde alles auf Null gestellt. Und jetzt bin ich hier, um mich selbst zu beweisen. 

Spürst du manchmal Druck, mit dem berühmten Bruder mithalten zu können?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe schon ein als kleines Kind gewusst, dass es alles so kommen wird. Und ich habe mich darauf eingestellt. Ich bin so stolz darauf, wie er seinen Weg geht und mit welcher Art und Weise. Welche Leidenschaft dahinter steckt. Von daher kann ich mir was abgucken. Es ist kein Druck, sondern einfach nur Stolz und Zufriedenheit.
Außerdem: Denselben Druck hätte ich mir auch bei meinem anderen Bruder machen können. Der hat ein 1,0-Abitur und ein 1,0-Studium – da kann ich nicht mithalten (lacht). Ich versuche einfach immer das Maximum aus mir herauszuholen und nicht zu schauen, was meine Brüder erreicht haben oder andere Idole. Man sollte auf sich selbst schauen – damit fährt man am besten. 

Wer ist für dich der derzeit kompletteste Fußballer? 

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Es gibt viele, viele großartige Spieler, aber mit der kompletteste ist wahrscheinlich Cristiano Ronaldo. Egal, was er 90 Minuten mit dem Ball macht, es hat alles Hand und Fuß. Seine Torquote ist unglaublich. Er kann einfach alles. Er ist ein perfekter Spieler. 

Auch charakterlich? Er ist ja ein sehr extrovertierter Spieler.
Ja, aber das ist er nur nach außen hin. So wie ich es von meinem Bruder gehört habe, ist er ein ganz normaler, bodenständiger Junge. Er hat alles dem Fußball untergeordnet und tut das jetzt immer noch, obwohl er alles erreicht hat. Er ist sehr hilfsbereit. Das zeichnet auch jemanden aus, nur sieht das leider niemand. Er hilft vielen armen Kindern in der 3. Welt, doch das wird von der Öffentlichkeit nie wahrgenommen. Es wird nur gesehen, dass er sein Trikot auszieht und seine Muskeln zeigt. 

Nach dem 4. Tor …
(lacht) Ja, aber er kann sich das ja auch erlauben. Wenn man so aussieht, kann man das auch machen. Aber so viel, wie er spendet und hilft – das sind große Gesten und es ist nicht selbstverständlich.
Ihn kann man auch ein bisschen mit RB Leipzig vergleichen. Ihm und uns wird so viel Hass entgegengebracht, und er schafft es trotzdem immer wieder, mit seiner Leistung alle Kritiker stumm zu stellen. 

Wie lange braucht RB Leipzig für die 1. Liga?
Dass schauen wir einfach mal. Man kann nicht sagen, ob es ein oder vier Jahre braucht. Wir geben uns alle Zeit. Wir versuchen einfach tagtäglich das Beste aus uns herauszuholen. Und von Spiel zu Spiel zu schauen. Und das ist wirklich so. Das ist nicht einfach nur so gesagt oder von jemandem vorgegeben. So denkt jeder im Verein. 

Aber du bist schon mit dem Ziel hergekommen, irgendwann erste Liga zu spielen?!
Ich habe im letzten Jahr in der 1. Bundesliga neun Spiele gemacht. Das ist einfach nochmal was anderes als die 2. Liga. Es ist noch einen Tick schöner, noch einen Tick besser. Und ich denke, wir alle streben nach dem Besten. Das ist das Ziel, warum ich auch hier bin und irgendwann werden wir das sicherlich auch erreichen. Das merkt man auch in der Truppe. Wir sind alle sehr hungrig (lacht).