Hörend sehen HörMal Audiodeskription: Hörerlebnisse und Begegnungen schaffen

Um blinden und sehbehinderten Menschen einen gerechten Zugang zu Großveranstaltungen zu verschaffen, gibt es die HörMal Audiodeskription gUG. Aber hinter HörMal steckt noch einiges mehr.

Die HörMal Audiodeskription gUG ist Träger des Sächsischen Inklusionspreises 2020 und hat es sich zur Aufgabe gemacht, visuelle Eindrücke bei öffentlichen Großveranstaltungen durch geschulte Sprecher:innen für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglicher zu machen. Doch HörMal ist kein bloßer Audioguide …

 

Zusammen möchte das Gründer-Trio Peter Lomb, Tomke Koop und Florian Eib Begegnungen schaffen. Sie besuchen gemeinsam mit blinden und sehbehinderten Menschen Sport- und Kulturveranstaltungen und bieten ihnen eine sogenannte Audiodeskription. Bei einer Audiodeskription bzw. Hörbeschreibung werden visuelle Eindrücke in erklärende Sprache übersetzt. Das Ziel: Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung schaffen. Menschen mit Sehbehinderung sollen sich nach der Veranstaltung genau so über die Geschehnisse austauschen können wie sehende Gäste.

© HörMal Audiodeskription

Barrierefreiheit bedeutet mehr als breite Toilettentüren

 

© Swen Reichhold
Für ihr Engagement mit HörMal Audiodeskription wurde das Gründer-Team im Dezember mit dem 4. Sächsischen Inklusionspreis ausgezeichnet. Für das Team ist das eine Motivation, noch viele weitere Ideen umzusetzen. HörMal ist deutschlandweit aktiv – die meisten Veranstaltungen begleiten sie jedoch in Leipzig. Einer ihrer festen Partner ist der SC DHfK Leipzig, bei dem sie seit 2017 jedes Heimspiel der Handball-Männer für Blinde und Sehbehinderte beschreiben. Damit ist der Leipziger Verein der einzige Handball-Bundesliga-Club, bei dem solche Hörplätze bei jedem Event verankert sind. Es gibt einen bestimmten Anteil an Plätzen, die exklusiv Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen. Dazu zählen neben Rollstuhlfahrer:innen unter anderem eben auch Menschen mit Sehbehinderung. Doch viele Veranstalter:innen müssen sich das erst richtig bewusst machen: Sie denken bei barrierefreien Plätzen vornehmlich an Rollstuhlfahrende, sagt Florian Eib. „Insgesamt herrscht in der Gesellschaft eine Unsicherheit darüber, wie man mit Menschen mit Einschränkung umgehen kann und sollte“, so Eib weiter.

Eine Aufgabe der HörMal Audiodeskription ist es deshalb, Veranstalter:innen darauf aufmerksam zu machen, dass Barrierefreiheit so viel mehr bedeutet als breite Toilettentüren. Sie verweisen beispielsweise auf Richtlinien für Gehörlose, die auf Gebärdendolmetscher:innen angewiesen sind, Leitlinien zu den Plätzen und Hörbeschreibungen für Blinde oder eben darauf, dass barrierefreie Ticketslots ebenso Menschen mit Sehbehinderung zur Verfügung stehen wie Rollstuhlfahrer:innen und schaffen damit ein neues Bewusstsein für Inklusion.

Inklusion – aber bitte richtig

 

Noch immer gebe es Großveranstaltungen in ganz Deutschland, bei denen Sehbehinderte in Bezug auf visuelle Eindrücke systematisch ausgeschlossen werden. So setzt man diese beispielsweise auf Plätze mit ohnehin eingeschränkter Sicht – oft weit entfernt von Spielfeld oder Bühne. Dabei bleibt der Inklusionsgedanke leider weitgehend auf der Strecke und ein ungezwungener Austausch nach der Veranstaltung wird nur allzu oft von Stigmatisierung überschattet. Es sei inakzeptabel, so Eib und Koop, dass potenziell zu erlebende Eindrücke nicht endgültig ankommen. Um dem entgegenzuwirken, besucht das Team von HörMal Audiodeskription gemeinsam mit Betroffenen das Event. Normalerweise können Blinde und Sehbehinderte dazu kostenfrei eine Begleitperson mitbringen. Diese ist jedoch im sozialen Umfeld der betroffenen Personen nicht immer verfügbar, sodass hier der Begleitservice zum Tragen kommt, den HörMal zusätzlich bietet. Unterstützt von ehrenamtlichen Helfer:innen ist Tomke Koop dann in den Publikumsrängen zu Gange und achtet auf ein einwandfreies Erlebnis für alle HörMal-Kund:innen, während Peter Lomb und Florian Eib live vor Ort die Geschehnisse beschreiben. Die Beschreibung empfangen die Gäste über ein mobiles Audioguide-System.

© HörMal Audiodeskription

Zum Begleitservice gehören auch das Ablaufen eines Veranstaltungsortes und die Begleitung in den Gastro-Bereich. Immer wieder betonen die Gründer den Fokus auf inklusive und gemeinsame Erlebnisse. Dabei achten sie besonders auf die Wünsche und Rückmeldungen, die an sie herangetragen werden.

Schon lange engagiert sich das Team im Bereich Inklusion und Barrierefreiheit. Nachdem sich Audiodeskription zur Fußball-WM 2006 in Deutschland etablierte, begannen Florian Eib und Peter Lomb etwa zehn Jahre später die Hörbeschreibung auch auf andere Sportarten zu übertragen. Auf Anregung von DHfK-Präsident Karsten Günther brachten sie Audiodeskription zum Leipziger Handball-Verein. Danach folgten u. a. Engagements bei Volleyball-, Basketball- und Leichtathletik-Veranstaltungen. Für Florian Eib ergänzt sich HörMal prima mit seinem Beruf als Sprecher und Sportjournalist. Den Gegenpol dazu bietet Tomke Koop, die sich als Betriebswirtin für alles rund um die Kommunikation mit Veranstalter:innen, Verbänden und Menschen mit Sehbehinderung zuständig zeigt. Komplettiert wird die Triade durch Peter Lomb, der ebenfalls als Sprecher für Audiodeskription aktiv ist und die Geschäftsführung übernimmt.

Neu im Audio-Angebot: Der Podcast „Sichtbar”

 

Damit Menschen mit Sehbehinderung wissen, welche Veranstaltungen in ihrer Nähe mit Audiodeskription stattfinden, wird monatlich ein Newsletter von HörMal versendet. Auch Facebook wird als vermittelnde Plattform genutzt, um auf Veranstaltungen mit Audiodeskription und Themen rund um Barrierefreiheit und Inklusion aufmerksam zu machen. Aufgrund der Corona-Pandemie finden zwar momentan keine Veranstaltungen statt, das hat das Team von HörMal allerdings nicht davon abgehalten, ihre Ideen weiter zu verfolgen. So entstand im Sommer 2020 „SICHTBAR – Der Podcast“. Es gebe nach Information bislang wenige Podcasts zu den Themen Barrierefreiheit und Inklusion. Hier setzt HörMal mit dem Ziel an, Barrieren in den Köpfen der Menschen abzubauen – nicht zuletzt, weil der Podcast als Audioformat für Menschen mit Behinderung auch ein zunehmend wichtiges Medium darstellt. Doch der Podcast richtet sich nicht ausschließlich an Menschen mit Sehbehinderung. Er soll den Diskurs für alle Menschen eröffnen. Zu Gast sind Betroffene und Personen, die sich im Bereich Inklusion und Barrierefreiheit engagieren. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Folge auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Langfristig soll sich laut Eib und Koop der Podcast auch als visuelles Format auf YouTube etablieren, um durch Untertitelung sowie den Einsatz eines Gebärdendolmetschers auch hörgeschädigte Menschen erreichen zu können.

Ihr wollt mal in den Podcast reinhören? 

Noch mehr Informationen über die Leistungen, Partner:innen und Veranstaltungen der HörMal Audiodeskription findet ihr unter hoermal-audio.org und auf Facebook