Hallo Alex! Deine große Deutschland-Tour steht vor der Tür, es ist viel los. Wie geht es dir?
Es ist schön wieder zurück im Leben zu sein, nachdem wir die Tour 27 Monate verschoben haben. Ich war quasi zwei Jahre zuhause in einem Einzelzimmer eingeschlossen, das verändert einen natürlich schon. Jetzt wieder auf der Bühne zu stehen fühlt sich an wie eine Verletzung von der man sich erholt, weil man vorher so lange nichts machen durfte. Aber ich gucke ja immer nach vorne und freue mich jetzt total, dass wir so viele Tickets verkauft haben und dass die Menschen kommen wollen. Und das wird einfach eine großartige Zeit.
Die letzten zwei Jahre waren für uns alle eine krasse Veränderung. Trotzdem frage ich mich, wie das für jemanden war, der sonst Live-Auftritte macht, auf der Bühne steht. Was hast du die letzten zwei Jahre so gemacht?
Also Musik entsteht ja durch soziale Interaktion, indem man mit Menschen zusammen ist, komponiert, indem man eine Band oder ein Orchester ist. Wenn das nicht möglich ist, dann raubt einem das den Lebensinhalt. Und das zieht dir schon den Boden unter den Füßen weg. Und wenn man dann auch noch weiß, man kann sich nicht mal mit Freunden treffen um das wieder auszugleichen, dann ist das schon eine seelische Belastung. Viele von meinen Musikerfreunden haben natürlich auch noch die finanzielle Belastung, das ist dann auch ganz schrecklich. Aber wir wollen nicht rumweinen, das ist jetzt vorbei und ich gucke nach vorne und freue mich, wieder auf die Bühne zu können.
Du präsentierst auf der Tour erstmalig Live Hits vom neuen Album „Classical 80s Dance“. Gibt es irgendwas, wo du dich besonders freust das Live zu präsentieren?
Ja, ich freue mich besonders auf ein spezielles Medley aus mehreren Songs, dass wir zusammengestellt haben. Ich weiß nicht wann wir das spielen, ich spiele ja immer auch auf Zuruf. Also ich frage dann das Publikum und interagiere mit denen. Aber an dem Medley habe ich lange gesessen, es geht auch fast acht Minuten. Da bin ich sehr gespannt, wie das Publikum reagiert.
Du machst ja wirklich schon lange Musik. Wie hat das bei dir angefangen, dass du gemerkt hast, dass Musik deine Leidenschaft ist?
Durch Ablehnung. Ich habe Kaufmann gelernt und mir wurde nah gelegt, dass ich den Laden doch verlassen soll, weil ich nicht gut war. Meine Talente lagen eben woanders. Und dann habe ich mich als DJ durchgeboxt und irgendwann habe ich gemerkt, dass da Songs fehlen die ich gerne spielen würde und dann habe ich mich gefragt ob ich das nicht selber machen kann. Wie das Leben manchmal so ist, man kann nicht immer einen großen Plan haben. Dann habe ich so fünf bis sechs Jahre Musik gemacht und hatte dann einen ganz großen Hit.
Du hattest schon super viele Bühnenauftritte. Wie hat dein Verhältnis zu Auftritten seit Beginn deiner Karriere verändert? Gehst du inzwischen gelassen an die Sache oder bist du noch aufgeregt?
Man ist immer aufgeregt und wird auch eigentlich eher aufgeregter durch die viele Erfahrung, weil du auf einmal weißt wie viel schiefgehen kann. An die Sachen hat man vorher gar nicht gedacht. Und jeder Abend ist anders und man muss sich immer wieder konzentrieren um alles zu geben und die Menschen zu unterhalten. Das ist jedes Mal eine Herausforderung und der Stress wird nicht weniger. Wenn du als Künstler anfängst und du spielst vor zehn Leuten dann weißt du, die zehn Leute müssen dich feiern damit die nächsten zehn kommen und aus den zwanzig werden dann vierzig und so weiter. Egal wie groß oder klein die Fans sind, man muss sich immer total bemühen.
Die 1990er waren eine Zeit, die du musikalisch sehr geprägt hast. Dein neues Album nimmt sich aber nun den 1980ern an. Welche Verbindung hast du zur Musik dieser Zeit?
Die 90er sind natürlich meine Schaffensphase, deswegen kann ich da auch drei Alben füllen, weil da viele Songs von mir sind. Die 80er waren eher so meine Bildungs- und Fanphase. Da konnte ich nicht aktiv mitarbeiten, sondern habe eher so eine Fanperspektive gehabt. Ich war großer Fan von Heaven 17, den Thompson Twins, Bonnie Tyler und das wollte ich mir auch als Wunsch erfüllen: Dass ich mein Fan-Verhalten nochmal umdrehe und an den Songs rumschraube, die mich so geprägt haben.
Wo wir gerade bei Jahrzehnten sind, welche Dekade findest du musikalisch besonders interessant?
Es kommt drauf an. Ich bin jemand der im hier und jetzt lebt. Mein Sohn ist 18 Jahre alt, der prägt mich schon sehr mit der Musik die er so hört und auch wie er hört. Das finde ich super spannend, also die aktuelle Dekade ist generell super faszinierend. Weil sich so viel umwälzt, weil Streaming und Musik selber machen zugänglich geworden sind. Es kann eigentlich jeder Musik machen und deswegen finde ich das jetzt am spannendsten.
Kannst du da ein paar Beispiele nennen, was dich da so fasziniert?
Also mein Sohn ist ein Wechselhörer, also es gibt da die Phasen da hört der nur amerikanische RnB/HipHop-Musik und dann hört er auf einmal Deutschrap oder auch mal Kraftklub und das finde ich angenehm. Die Musik die er hört und wie er sie hört ist sehr jugendlich. Wenn wir das laut im Auto hören und dann auch noch zwei, drei Freunde von ihm dabei sind, dann verstehe ich die Musik und merke dann auch wie gut teilweise einige Sachen sind. Ich glaube früher war alles besser ist immer die Angst vor der Gegenwart und das kann ich eben gar nicht nachvollziehen. Das spannendste ist immer im hier und jetzt. Natürlich kann man sich über seine Erfolge freuen, aber solche Erfolge sind eben auch vergänglich und deswegen finde ich es immer ganz gut und spannend, wenn man so mitkriegt was los ist und sich darüber eben auch freuen kann.
Können wir uns dann jetzt eigentlich als nächstes auf die 1970er freuen?
Nein, das wird nicht vorkommen. Das war jetzt ein Ausflug und was ich bei meinem fünften Album mache, da bin ich mir jetzt noch gar nicht sicher. Ich habe da so ein paar wilde Ideen, aber wie man mich kennt bin ich ja auch getrieben davon, immer was Neues zu machen und dahin zu gehen wo es wehtut und wo noch keiner war, deswegen weiß ich das selber noch gar nicht so genau.
Du hast mal gesagt, dass du Songs entstauben willst, die schon oft durchgekaut wurden. Was ist da der Ansatz, wie gehst du da ran? Nach welchen Kriterien wählst du die Songs aus, die nochmal eine Chance bekommen?
Einerseits ist es so, dass ein Orchester bestimmte Tonlagen besonders gut spielen kann. Und ich finde ein Orchester ist eigentlich auch so für traurigere Sachen gemacht – ich würde jetzt nicht Cotton Eye Joe nehmen, weil das zu fröhlich und zu hysterisch ist. Und dann muss ich mit dem Song irgendwas verbinden, irgendwas damit zu tun haben oder es muss mich beeinflusst haben. Oder ich habe den einfach gefeiert und es ist sofort eine Idee da – das ist eigentlich das Kriterium! Also ich bin da ganz subjektiv, da frage ich niemand, sondern mache das einfach.
2009 warst du für Deutschland beim Eurovision Songcontest (ESC). Es war ja auch gerade wieder ESC, verfolgst du das noch? Wie guckt man darauf, wenn man selber mal Teil des ESC war?
Also das ist immer noch die großartigste Musikveranstaltung der Welt, das wird sie auch immer bleiben. Wir rennen immer so diesem Sieg hinterher, ich glaube aber um so ein Ding zu gewinnen braucht man mindestens fünf Chancen, man muss sich da langsam herantasten. Das ist nicht so leicht. Ich finde Stefan Raab hat das großartig gemacht, aber er war eben auch fünfmal da. Also zeigt das schon man muss ein paar Anläufe haben um das eben zu verstehen, zu lernen und sich da ein bisschen rein zu steigern. Es ist eben schwierig, wenn man jedes Jahr wechselt. Einerseits finde ich immer gut, dass wir dabei sind, vielleicht sollten wir ein bisschen gnädiger sein, wenn am Schluss nicht eine einzeilige Zahl vorne steht. Da muss man dann auch gnädig sein und sagen: Das ist Musik, das ist Unterhaltung und man wertet das nicht nur nachdem welches Ergebnis man am Schluss hat.
Du hast in deinem Leben wirklich mit vielen Größen zusammengearbeitet, gibt es dennoch jemanden, mit dem du noch wirklich gerne mal zusammenarbeiten würden?
Wenn ich ehrlich bin, finde ich das hat so sein für und wider mit berühmten Menschen zusammenzuarbeiten. Auf der einen Seite ist es spannend und man lernt tolle Leute kennen, aber andererseits haben die auch viele Grenzen. Sie haben ein Brand, eine Marke zu beschützen und ein Risiko einzugehen sind sie häufig nicht so bereit. Weil die dann häufig mit dem was sie erreicht haben auch zufrieden sind, aber ich will ja immer noch ein bisschen mehr. Und da sind dann oft Differenzen und da weiß ich jetzt gar nicht mehr, ob ich noch Lust zu habe. Ich kann jemanden ja nicht überzeugen was zu riskieren, wenn er Angst hat, das was er hat zu verlieren. Deswegen ist es eigentlich am schönsten, wenn man junge Künstler hat, die sind voller Träume, die sind offen, die probieren Ding und sind viel positiv-naiver und das bringt am Ende den Spaß.
Ein Blick in die Zukunft: Wo könnte die Reise musikalisch in den nächsten zwei Jahren so hingehen?
Ich glaube in der Rockmusik wird es als nächstes sehr viel Hip-Hopiger und der normale Schlagzeuger wird durch ein elektronisches Instrument ersetzt. Das ist auch die Musik, die spannend sein wird. Wenn man Heavy Metal oder Rock mit Hip Hop mischt und dann eben was Neues kriegt.
Und ganz konkret: Worauf freust du dich gerade besonders?
Die Tour überragt alles! Da freue ich mich total drauf und ansonsten würde ich mich freuen, wenn der HSV gegen Hertha gewinnt (lacht).
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