„Mich hat der Cat-Man von Leipzig fasziniert“ Interview: Michael Patrick Kelly

Voller Hoffnung, Mut und Stärke – so beschreibt der 44-jährige Sänger Michael Patrick Kelly selbst seine Songs auf dem aktuellen Album „B•O•A•T•S“. Bekannt ist er vor allem als Mitglied der Kelly Family und als Moderator der Show „Sing meinen Song“. Wir haben mit ihm über das Comeback auf der Bühne, persönliche Auszeiten und Leipzig in den 90er-Jahren gesprochen.

© Sony Music

Im September startet deine erste Tour nach gut drei Jahren Zwangspause. Wie sehr hat dir dieses Gefühl, auf der Bühne zu stehen, gefehlt?

Livekonzerte zu spielen, ist für mich ein Lebenselixier. Das hat mir echt gefehlt. Seit der letzten Tour 2019 sind viele Songs entstanden, die ich noch nie live vor Publikum spielen konnte. Es ist ein großartiges Gefühl, nun endlich wieder die Reaktionen der Menschen zu erleben, denen die Songs etwas bedeuten. In der Begegnung mit dem Publikum passiert etwas, das kannst du bei keinem Live­streamkonzert über den Bildschirm künstlich erzeugen. Die Leute lassen los, sind einfach mal zwei bis drei Stunden befreit von ihren Alltagssorgen, tanzen, singen, lachen oder weinen gemeinsam. Da entsteht so ein positives Wirgefühl; das ist auch für mich und die Band ein echter Booster an Motivation.

Wie hast du die freie Zeit ohne große Auftritte genutzt?

Oh, da ist einiges passiert. (lacht) Ich habe aus Hunderten Songideen 60 weiterentwickelt und zu fertigen Liedern ausproduziert. Für die Songs, die auf meinem aktuellen Album B•O•A•T•S erschienen sind, habe ich eine halbe Weltreise gemacht, auf der Suche nach Inspirationen. Ich war unter anderem in Grönland, auf den Faröer Inseln, in Kenia, Kalifornien oder in der Toskana, um Menschen zu treffen und meine oder deren Erlebnisse einzufangen. Weil ich ein Album machen wollte, auf dem nur wahre Geschichten vertont werden. Alle Songs basieren auf wahren Begebenheiten – dafür stehen auch die Initialen von B•O•A•T•S: für Based on a true Story. 

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„B•O•A•T•S“ ist dein fünftes Soloalbum. Was bedeutet es für dich?

Ich wollte nicht einfach nur Musik verkaufen, sondern ein Album machen, was ermutigt und Hoffnung zurückgeben kann. Wir werden jeden Tag mit negativen Nachrichten bombardiert, aber es passiert ja auch viel Gutes, worüber keiner berichtet. Daher war es mir wichtig, Songs rauszubringen, deren wahre Geschichten alle gut ausgehen. Wir sind so mit Angst machenden Inhalten gefüttert, dass Happy End irgendwie nach Kitsch klingt. Aber das Positive ist ja real, und das darf auch erkannt und gefeiert werden. Wenn wir Musiker etwas bewirken können, dann gute Gefühle.

Deine erste Single-Veröffentlichung vom Album „Beautiful Madness“ bringt es aktuell auf über 57 Millionen Streams auf Spotify. Der „schöne Wahnsinn“ nimmt also kein Ende. Hast du neben dem ganzen Erfolg noch Zeit für Privatleben?

Ich nehme mir immer wieder Auszeiten, Offline-Days, gehe raus in die Natur, dahin wo es möglichst still ist. Aber klar, man muss aufpassen, dass das, was dich als Privatmensch und als Berufsmensch erfüllt – bei mir ist das in beiden Fällen die Musik – nicht als reines Business verzweckt wird. Erfolg oder Geld sollte nicht der Antrieb sein. Natürlich freue ich mich über hohe Chart Positionen und Goldene Schallplatten, aber echter „Erfolg“ ist für mich etwas anderes. Ich kriegemanchmal Rückmeldungen von Menschen, die mir erzählen, dass sie zu einem meiner Songs geheiratet oder ihre Mutter beerdigt haben. Oder dass ein Song von mir ihnen aus einer heftigen Krise geholfen oder sie während einer Krankheit durchgetragen hat. Das berührt mich dann wirklich.

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Du sagst, deine Songs sollen vor allem Mut machen. Wie klappt das bei dir persönlich? Gibt es Momente, die dir diesen rauben?

Es kommt tatsächlich selten vor, dass ich durch irgendetwas entmutigt bin. Ich kann kurz mal genervt sein, müde oder gestresst, ja. Aber hoffnungslos oder mutlos eigentlich nie. Ich glaube, darin hat mir die Klosterzeit geholfen. Wenn du einmal alles abgegeben hast, woran du hängst, oder was dir das Leben bequem macht, dann bist du definitiv dankbarer für das, was dir gegeben wird.

Apropos Kloster: Nach der ersten Etappe in der Familienband zog es dich ja in der Tat für knapp sechs Jahre in ein Kloster, wo du als Mönch gelebt hast. Was hat dir diese Reise mit auf den Weg gegeben? Wie hat der Aufenthalt dich verändert?

Ich bin kein komplett anderer Mensch geworden, aber ich merke schon, dass sich etwas in mir gefestigt hat, wofür ich früher viel zu unruhig war. Wahrscheinlich haben mich die Jahre im Kloster generell genügsamer und anpassungsfähiger gemacht. Oder anders gesagt: Ich habe heute mehr Dankbarkeit und dadurch auch mehr Widerstandskraft.

Auf deinen Tourneen hast du eine „Peace Bell“ dabei. Für die im September startende Tour wird eine neue Friedensglocke mit Kriegsschrott aus der Ukra­ine gegossen. Wie unterscheidet sich diese von der letzten?

Die erste PeaceBell entstand aus Kriegsschrott aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Das waren vor allem Granathülsen und Patronenhülsen, die ich aus Verdun mitgebracht habe. Für die neue PeaceBell haben Freunde von mir Panzerteile und Waffenreste aus der Ukraine mitgebracht, die wir gerade erst haben einschmelzen und in die neue PeaceBell gießen lassen. Mit dieser 840 Kilo schweren Glocke wird auf allen Konzerten eine Schweigeminute für den Frieden eingeläutet. Das hat eine unbeschreibliche ­Power,­ wenn mitten auf einem Rock-Pop-Konzert Tausende Menschen kurz mal gemeinsam innehalten. Es ist in jeder Stadt anders, aber immer ein bewegender Moment. 

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Mit deiner Tour bist du am 21. September auch in Leipzig zu Gast. Welche Erinnerungen hast du an unsere Stadt? Ist dir hier mal etwas Verrücktes passiert, was du nie vergisst?

Ja, tatsächlich hatte ich hier in Leipzig Anfang der 90er mal eine Begegnung, die ich nie vergessen werde. Als ich noch in der Fußgängerzone gesungen habe, tauchten jeden Tag am späteren Abend unfassbar viele Katzen auf. Da war ein Mann, der die Katzen mit den Resten aus den Restaurants fütterte. Ich bin dann als kleiner Stöpsel dahin gegangen und er hat mir erzählt, dass ihm das Katzenfüttern zu DDR-Zeiten verboten wurde. Danach gab es eine Rattenplage, und dann hat man ihn offiziellgebeten, die Katzen wieder zu füttern. Mich hat der Cat-Man von Leipzig fasziniert. Ich habe generell die Menschen in dieser Stadt immer als sehr echt und ehrlich empfunden. Das schätze ich total; das Geradlinige, Unverstellte. Und von früheren Konzerten weiß ich, wie gut die Leipziger Musik genießen und feiern können. Leipzig ist einfach spürbar eine große Musikstadt. Hier zu spielen, ist ein Privileg, und ich freue mich riesig, mit der B•O•A•T•S-Tour in Leipzig Halt zu machen. 

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