E.hrgeizig, L.ebensfroh, A.utonom Interview mit ela.

Wir haben Küsntlerin ela. zum Interview getroffen und mit ihr über ihre Musik, Mobbing und den ESC gesprochen.

Seit sie ohne ein Wort Deutsch zu sprechen mit acht Jahren aus der Ukraine ins Saarland zog, ist viel passiert im Leben von Elżbieta „Ela“ Steinmetz. Die Pop-Künstlerin und Songwriterin ist als charismatische Frontfrau der Band Girlband Elaiza bekannt, mit der sie Deutschland beim European Song Contest 2014 in Kopenhagen vertrat. Letztes Jahr startete sie als ela. mit ihrem Solo-Album „Liebe und Krieg“ durch. Samt ihrer Single „Lila Cadillac“ im Gepäck kommt sie im November 2022 nach Leipzig. Wir haben mit ihr gesprochen.

© Alex Kleis

Lass uns über dich und deine Musik sprechen: Was ist Essenz von ela.? Was macht deine Musik unvergleichlich?

Das ist eine gute Frage. Am Ende müssen das die Menschen da draußen entscheiden. In erster Linie bin ich Sängerin und Songwriterin und lebe für die Musik…

… Und das machst du ja schon, seit du ganz klein bist. Mit acht Jahren bist du mit deiner Familie aus der Ukraine ins Saarland gezogen. Kannst du reflektieren, wie du als Kind zur Musik gefunden hast und wie sich das für dich angefühlt hat?

Ich bin in einem sehr musikalischen Haushalt aufgewachsen. Meine Mama war Opernsängerin und mein leiblicher Papa Gitarrist. Als er dann verstorben ist, sind wir über Polen nach Deutschland gegangen. Meine Mama ist ja Polin. Das war schon ein Kulturschock. Ich konnte kein Deutsch und bei uns war alles so bunt und künstlerisch. Plötzlich kommt man in ein Dorf im Saarland, wo man in die zweite Klasse der Grundschule gesteckt wird. Die Kinder finden einen komisch, weil man seinen eigenen Style fährt, immer gern Musik macht und kreativ ist. Ich habe teilweise echt schlimme Erfahrungen mit Ausgrenzung gemacht und zu meiner Mama gesagt, dass ich da nie wieder hinwill. Der Schulranzen landete im Mülleimer und und und. Das war hart.

© ela.

Als Kind kann man so etwas ja auch nicht einordnen und denkt wahrscheinlich, dass alles seien persönliche Defizite. Man passt nicht rein. Ich stelle mir das super schwierig vor.

Genau. Meine Mama war aber immer sehr stark und hat mir mitgegeben, dass ich darüberstehen soll und dass das ein bisschen Zeit braucht. Meine Grundschullehrerin hat zum Glück gemerkt, dass ich sehr musikaffin bin und mich in einen Chor gesteckt. Da war ich zwar der Paradiesvogel, aber ich konnte ja singen. Durch die Musik hat sich dann quasi für mich eine zweite Chance; eine Integrationsmöglichkeit eröffnet.

Trotz der Ausgrenzung und des Mobbings hattest du offenbar den Drive, schnell Deutsch zu lernen und dich zu integrieren. Woher kam diese innere Motivation, es „jetzt erst recht“ zu schaffen?

Ich wollte einfach nur verstanden werden. Ich wollte mich mitteilen. Ich dachte, wenn ich mich besser verständigen kann, ist es für die Kids auch einfacher, mich zu verstehen. Da sind Welten aufeinandergeprallt. Deshalb war ich super ehrgeizig.

Spielt dieser Ehrgeiz in deinem heutigen Alltag auch noch eine Rolle? Ist von der kleinen „Ela“ noch etwas zu spüren?

Definitiv! Wenn mir jemand zehntausendmal „Nein“ sagt, sag ich immer noch: „Jetzt erst recht!“ Widerstand ist für mich ein Antrieb. Diese Zeit hat mich sehr geprägt.

© Studio Ignatov

Das ist womöglich auch das Rezept deines Erfolgs als Popkünstlerin. Wie hast du es dann geschafft, dich hierzulande im Musikbusiness zu etablieren?

Ich habe irgendwann angefangen, die ersten Songs zu schreiben. Mit 16 habe ich ein Berliner Tonstudio angeschrieben. Das war so witzig: zu meinem Geburtstag habe ich eine Silbermond-Platte bekommen: „Laut gedacht“. Ein großartiges Album. Als Teenie dachte ich: Die hatten doch hundertprozentig jemanden, der sie entdeckt und gepusht hat. Das kann doch nicht sein! Und dann habe ich Valicon Studios entdeckt und habe Demos und Videos „zusammengekleistert“ — eben, wie es damals so ging (lacht). Wir hatten natürlich nicht so viele Möglichkeiten bei uns zu Hause. Dann kam eine E-Mail von Ingo Politz und Frank Kretschmer [Frank Zappa], dass sie mich gern kennenlernen wollen und wann ich denn mit meinen Eltern mal nach Berlin kommen könne. Sie haben etwas in mir gesehen und mir viel Zeit gelassen, mich als Songwriterin zu entwickeln. Immer wenn ich in den Sommerferien Zeit hatte, bin ich nach Berlin gefahren und habe an Musik gearbeitet. Man hat sich irgendwie durchgeboxt, viel ausprobiert, viele Menschen kennengelernt. Wenn man eine polnische Mama hat, gibt’s aber auch klare Regeln: Ich durfte nur nach Berlin, wenn ich trotzdem mein Abitur mache. Klar, habe ich hinbekommen, aber es war echt nicht leicht. Aber die Musik war immer da. Ich habe schon in der Schule gesagt: „Ich werde Sängerin! Komme was wolle!“ Plötzlich lernte ich Yvonne [Grünwald] kennen. Sie war mal kurz im Studio, um Akkordeon einzuspielen. Wir haben uns so krass angefreundet, dass wir gesagt haben: „Hey, lass uns doch ’ne Band gründen.“

Also ist aus den Berliner Sessions eure Band Elaiza hervorgegangen?

Genau. Wir wollten uns auch noch jemandem am Kontrabass dazu holen. Am liebsten eine weitere Frau, weil wir dachten, dass es so ’ne coole weiblich besetzte Akustik-Band noch nicht gab. Yvonne hat auf einer Schnapsverkostung bei einem Kumpel am Kühlschrank das Foto einer Kontrabassistin entdeckt und sich die Nummer geben lassen. Dann rief ich Natalie [Plöger] an. Am Anfang haben wir gemeinsam bei Yvonne im Wohnzimmer geprobt. So fängt man halt an. Unsere erste Konzertgage haben wir für den Schlüsseldienst ausgegeben: Natalie hatte sich ausgeschlossen. Aber den Kontrabass hatte sie zum Glück noch dabei!

Und plötzlich landet man beim European Song Contest. Wie kamt ihr dazu und wie habt ihr die Zeit erlebt?

Der NDR hat damals einen Newcomer-Aufruf gemacht. Wir hatten nichts zu verlieren. Wir hatten schon vor zehn Leuten gespielt — da dachten wir, das kriegen wir auch noch hin. Also haben wir uns beworben. Es gab diesen Wettbewerb, wo die Leute für einen anrufen konnten. Dann hieß es, wenn du das Voting gewinnst, gibt’s eine Wild Card für einen Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena, wo man sich für den ESC qualifizieren konnte. Das war wirklich abgefahren. Wir waren zu dritt — mit zwei Kommilitonen von Natalie zu fünft — und wir hatten unser kleines Indie-Label dabei. Und dann standen wir da. Alle anderen Artists mit Management, Plattenlabel und Pipapo. Als drei Mädels mit den gefühlt größten Instrumenten, die es so gibt wurden wir von den anderen belächelt. Kann ich auch nachvollziehen. Wir hatten nicht mal In-Ears! Und plötzlich stehst du auf der Bühne und gewinnst das. Du repräsentierst Deutschland. In Kopenhagen. Verrückt! Plötzlich bist du bei allen möglichen Fernseh- und Radiosendern mit einen Top-10-Hit. Auf einmal quatschen dich Leute auf der Straße an und sagen: „Bleib wie du bist, verändere dich bloß nicht!“ Aber für uns war eigentlich alles wie immer. Nur alles um uns herum hat sich verändert.

© ela.

Zum Glück ersetzen Major-Label und Co. nicht die wirklich wichtige Essenz einer Künstlerin: Die Ausstrahlung. Eine schöne Bestätigung! Wie war es dann in Kopenhagen?

Wir hatten ständig Presse um uns herum. Das war krass. Und die wollten uns unsere Luftschlangen für unsere Show nicht geben! Kopenhagen war dafür zuständig, wie jede:r Künstler:in seine Bühne gestaltet. Wir haben ein Schachbrett bekommen und dachten nur: „Wir wollen aber kein Schachbrett! Wir wollen unsere Blumen und Luftschlangen!“ Sie haben dann versucht umzustrukturieren, aber es war echt nicht viel Zeit. Letztendlich sind wir mit unserem Song im Mittelfeld gelandet, was für Deutschlandverhältnisse ja nicht schlecht ist. Wir haben wirklich viel mitgenommen von der Zeit: Sind europaweit getourt, haben ein zweites Album veröffentlicht. Leider ist Yvonne dann ausgestiegen, weil sie gern zurück in die Musikschule wollte. Dann haben wir Laura [Zimmermann] kennengelernt. Natürlich ersetzt man eine Schwester nicht mir nichts dir nichts, aber es hat einfach gepasst. Trotzdem haben wir uns dann erstmal zurückgezogen. Wir wollten nicht mehr in diese Plattenfirmenstrukturen, sondern einfach nur Musik machen. Wir sehen uns immer noch regelmäßig und haben Kontakt. Wir haben gesagt, wenn wir wieder veröffentlichen, dann auf Vinyl!

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Gibt es entsprechende Pläne für ein neues Elaiza-Album oder eher ein weiteres Solo-Album?

Ach, ich bin einfach überall dabei (lacht). Es gibt so viel Kreativität und Energie. Wenn es gut läuft, veröffentliche ich bald ein Soloalbum und wenn wir Bock haben, gibt es eine Schallplatte von Elaiza.

Der musikalische Unterschied liegt ja darin, dass Elaiza im Gegensatz zu deinem Soloprojekt ela. einen Folk-Touch hat, richtig?

Ja genau. Elaiza bedeutet wirklich Musik leben, für Musik da sein. Das Genre ist auf Welt-Musik gemünzt. Da sind uns unsere Skills sehr wichtig. Meine Solo-Musik ist dann auf deutsch und ganz klar im Pop-Bereich zu verorten.

Ursprünglich sollte die anstehende Tour im Zeichen deines 2020er Albums „Liebe und Krieg“ stehen. Passend zu einer deiner neuen Singles habt ihr die Tour in „Zusammen-Tour“ umgetauft. Ein Statement in puncto Zusammenhalt?

Ich dachte mir, hey, wenn wir die Tour jetzt verschieben, dann lass sie uns auch umbenennen. Nach dem Motto: Endlich mal wieder zusammen sein! Das Album, auf dem die beiden neuen Singles sein werden, wird allerdings anders heißen. Ich will aber noch nicht zu viel verraten.

www.elasmusik.de | Instagram: @elasmusik

Am 2. November 2022 spielt Ela. im NAUMANNs.

© Studio Ignatov