Überwachung aus der Ecke Leipzigs Geschichte: Museum „Runde Ecke“

Auf den ersten Blick würde wahrscheinlich niemand darauf kommen, dass sich in dem eher unauffälligen Gebäude am Dittrichring die ehemalige Bezirksverwaltung der Staatssicherheit der DDR befand. Heute erinnert ein Museum an dieses Stück Zeitgeschichte.

© Cindy Hiller

Historisches Terrain

Das Areal, auf dem sich der Gebäudekomplex der Stasi-Zentrale heute noch befindet, ist deutlich ge­schichtsträchtiger als es den Anschein hat. Denn im 10. Jahrhundert entstand dort die erste Burg im Stadtgebiet von Leipzig. Nach 1230 folgte dann die Errichtung eines Barfüßerklosters. Die Klosterkirche wurde immer wieder umgebaut und erhielt ab 1876 den Namen Matthäikirche. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und kurze Zeit später abgetragen. Heute erinnert ein kleines unscheinbares Denkmal an sie. Als das im Jahr 1950 neugegründete Ministerium für Staatssicherheit der DDR Büroräume in Leipzig suchte, zog es in ein Gebäude am Rande des Stadtrings ein, genannt die „Runde Ecke“. Das Haus wurde ursprünglich in den Jahren 1911 bis 1913 für die Alte Leipziger Feuerversicherung errichtet. Da der Überwachungsapparat mit den Jahren immer mehr wuchs, wurde der Platz in den Räumen knapp. So entstand im Jahr 1984 der Neubau auf dem Gelände des ehemaligen Matthäikirchhofes bis zur Großen Fleischergasse.

© Marius Mechler

Besetzung gegen die Überwachung

© Cindy Hiller

Die Montagsdemonstrationen, die im Verlauf des Jahres 1989 regelmäßig in Leipzig stattfanden und die Stadt damit zum Zentrum der Friedlichen Revolution in der DDR machten, führten entlang des Stadtrings. Auch die „Runde Ecke“ war einer der Kreuzungspunkte und als Sitz der Stasi besonders verhasst bei den Demonstrierenden. Am 4. Dezember 1989 wurde die Stasi-Zentrale im Anschluss an die Montagsdemonstration von Akti­vist:innen besetzt. Sie legten die Arbeit der Behörde weitestgehend lahm und sorgten dafür, dass die Aktenvernichtung ein Ende fand. Die Zerstörung von Beweisen der Überwachung hatte seit dem Herbst desselben Jahres in großem Stil im Innenhof der Be­zirksverwaltung stattgefunden. Dort stand in einer der Garagen die Aktenvernichtungsmaschine Aktema IV, die das Material nicht nur zerkleinerte, sondern auch mit Wasser vermengte. Daraus entstand dann ein Brocken aus Papiermatsch, die sogenannte „Kollermasse“. Die so vernichteten Akten sind auf ewig verloren.

Es wird ein Museum draus

© Cindy Hiller

Schon in der Nacht der Besetzung gründete sich das Bürgerkomitee Leipzig. Bereits im Jahr 1990 setzte das Komitee eine der Demonstrationsforderungen „Krumme Ecke – Schreckenshaus! Wann wird ein Museum draus?“ um und öffnete die Räume der ehemaligen Bezirksverwaltung einem breiten Publikum, um deren Arbeitsweise zu präsentieren und zu erläutern. Dabei wurde besonders auf die Authentizität des Ortes Wert gelegt. So wurden unter anderem die Türen, die Fußböden, die Gardinen und die Heizkörper so belassen, wie sie in der Behörde vorgefunden wurden. Auch der spezielle Geruch der Räume ist nach über dreißig Jahren noch erlebbar und verstärkt die Eindrücke beim Besuch. Die Sammlung der Gedenkstätte Museum in der Runden Ecke umfasst ca. 40.000 Objekte, von denen viele in der Ausstellung „STASI – Macht und Banalität“ zu sehen sind. Die Gedenkstätte zeigt auch die Nachbildung von Räumen der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt (UHA) des Ministeriums für Staatssicherheit in der heutigen Straße des 17. Juni. Es handelt sich um eine Gefängniszelle und einen Raum zur fotografischen und aktenkundlichen Erfassung von Gefangenen. Die UHA war so geheim, dass selbst die Inhaftierten meistens nicht wussten, wo genau sie sich befanden. Zur Gedenkstätte gehören außerdem der Stasi-Bunker in Machern sowie die Zentrale Hinrichtungsstätte in der Leipziger Südvorstadt. Letztere ist zurzeit leider nicht für einen Besuch zugänglich. Das Bürgerkomitee bietet außerdem jeden Samstag um 14 Uhr den Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“ und am Samstag und Donnerstag um 16 Uhr den Rundgang „Stasi intern“ an. Dieser führt auch über das Gelände am Matthäikirchhof. Das sich dort befindende Gebäude steht leer. Über weitere Nutzungskonzepte wird derzeit beraten. Außerdem erklärt eine Freiluftausstellung vor Ort die Geschichte des ganzen Terrains.

Ein Blick in die Akten

© Cindy Hiller

Den Großteil der Runden Ecke nimmt allerdings nicht das Museum ein, sondern die Außenstelle Leipzigs des Stasi-Unterlagen-Archivs. Alle Betroffenen können hier prüfen lassen, ob Aufzeichnungen über sie existieren und sie vor Ort einsehen. Das Archiv bewahrt alle Unterlagen der Bezirksverwaltung sowie der dazugehörigen dreizehn Kreisdienststellen. Zum Archivgut gehören unter anderem Akten, Fotos, Tonbänder und eine Personenkartei, die über 300.000 Namen enthält. Besonders knifflig sind die 2.305 Säcke mit Papierschnipseln, die nicht vor der Zerstörung im Jahr 1989 gerettet werden konnten. Sie werden Stück für Stück in mühevoller Puzzlearbeit wieder zusammengesetzt. Auch das Archiv bietet verschiedene Ausstellungen an.

Mehr Infos findet ihr unter www.runde-ecke-leipzig.de und www.stasi-unterlagen-archiv.de/archiv/standorte/leipzig

Dittrichring 24 | Mo bis So 10 – 18 Uhr