Yussuf Poulsen ist vor knapp drei Jahren zu RB Leipzig gekommen mit dem Ziel: „Ich will mit Leipzig in die 1. Bundesliga.“ Im Interview verrät der 21-Jährige, wie er sich in die Startformation zurückkämpfen konnte, ob er bei Bayern München schwach werden würde, dass er kein Ibrahimović-Trikotjäger ist und den Unterschied zwischen den Trainern Ralf Rangnick und Alexander Zorniger.
Steckbrief
Geburtstag: 15.6.1994
Geburtsort: Kopenhagen, Dänemark
Beruf: Spieler bei RB Leipzig
Position: Sturm
Erfolge: Aufstieg in 2. Bundesliga, Nationalmannschaft
Du hast deinen Vertrag vorzeitig verlängert – zu sportlich eher schwierigen Zeiten bei RB. Was waren die Beweggründe?
Weil es mir hier gut geht. Ich habe immer das Ziel gehabt, dass ich mit Leipzig in die 1. Bundesliga will. Dieses Ziel habe ich noch nicht erreicht. Deswegen wollte ich auch hier einen längerfristigen Vertrag unterschreiben. Außerdem fühle ich mich sehr, sehr wohl in Leipzig. Das ist nach Kopenhagen zu meiner zweiten Heimat geworden. Deswegen war es auch nicht schwer für mich, so zu entscheiden.
Woran lag es, dass du in der ersten Saisonhälfte Schwierigkeiten hattest?
Das ist eine Mischung aus vielen Dingen. Ich hatte fast keinen Urlaub und damit auch nur wenig Regeneration gehabt. Über den Sommer war ich erst zur EM-Quali mit der A-Nationalmannschaft unterwegs, danach ging es für mich wieder direkt zur EM-Endrunde mit der U21. Und danach hatte ich nur neun Tage frei. Im Anschluss daran bin ich gleich wieder in die Saisonvorbereitung eingestiegen – allerdings verspätet. Ich konnte also nicht die gesamte Vorbereitung mitmachen.
Und irgendwann geht es dann vom Körper und vom Kopf her ein bisschen schwieriger, glaube ich. Man erkennt das vielleicht nicht immer selbst, weil man das Gefühl hat, dass man eigentlich fit ist, aber manchmal braucht man mehr Pause, als man es selbst denkt.
Gibt es für so eine Phase mentale Strategien?
Ich glaube, das ist von Person zu Person unterschiedlich, wie man mit sowas umgehen soll, will und vor allem auch kann. Klar, man muss alles dafür tun, damit man wieder zurück auf seine alte Spur kommt. Das ist manchmal nicht einfach. Und ich habe da auch ein paar Gläser zu Hause in meiner Wohnung umgeworfen (lacht), weil ich einfach wusste, dass das nicht mein Niveau war. Man ärgert sich über sich selbst und manchmal muss der Frust einfach raus. Aber am Ende geht es darum, Geduld zu haben. Du weißt ja, dass dein Niveau höher ist und dass du das auch schon gezeigt hast. Es dauert einfach seine Zeit, bis man wieder seine alte Form zurück hat. Geduld haben und immer wieder positiv denken! Höhen und Tiefen gehören dazu – nicht nur im Fußball, das ist ja auch im richtigen Leben so.
Man sieht das auch in Spielen: Du ärgerst dich oft über dich selbst. Steht dir das manchmal im Weg?
(überlegt) Ich bin sehr selbstkritisch (lacht). Mir ist schon bewusst, wenn ich schlecht oder gut gespielt habe. Ich glaube, man muss im Fußball aber auch diesen Ehrgeiz haben, dass man immer besser werden will. In manchen Lebensbereichen bin ich schon ein Perfektionist. Und ich bin ein kompetitiver Mensch. Wenn es einen kleinen Fehler gibt, dann ist das für mich manchmal ein bisschen schwer zu akzeptieren. Aber dass mir das im Weg steht – glaube ich nicht, das treibt mich schließlich auch an. Ich entwickle mich ja auch weiter, weil ich immer besser werden will. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, weiß ich, dass ich ihn aus meinem Spiel rausbekommen muss. Es kann sein, dass mir diese Einstellung in manchen Spielen im Weg steht, aber im Großen und Ganzen denke ich, dass es ein Vorteil ist, dass ich so bin.
Du sagtest selbst, ihr habt einen großen Konkurrenzkampf im Team. Du verstehst dich sehr gut mit Davie Selke. Erst wurde er in der Anfangsformation favorisiert und nun du. Wirkt sich das auf euer freundschaftliches Verhältnis aus?
Nein. Er meinte auch zu mir, dass er es beeindruckend fand, wie ich mit meiner damaligen Situation umgegangen bin. Und dass er das auch so machen möchte, wenn er mal in solch einer Phase sein sollte. Wir treffen uns immer noch privat und schauen zusammen Fußball oder gehen mal essen. Wir sehen uns nicht als Konkurrenten. Eher ist es so, dass wir beide zusammen spielen möchten, wenn wir in Topform sind. Und wenn nicht, dann spielt der, der am besten drauf ist. Am Ende entscheidet das aber nur der Trainer.
Dein ehemaliger WG-Kumpel Joshua Kimmich ist beim FC Bayern München. Man sagt ja, wenn Bayern ruft, kommt man …
(lacht) Ich denke, das ist so ein „deutsches“ Ding. Ich glaube, wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich nicht gewechselt, aber das kann man nie mit Sicherheit sagen. Es ist natürlich ein super Schritt für ihn gewesen. Für einen Deutschen ist es immer so gewesen, dass Bayern der größte Club ist, aber für Ausländer ist es nicht so ganz extrem, glaube ich. Klar, Bayern hat natürlich eine herausragende Mannschaft. Ich bin auf jeden Fall noch nicht auf dem Niveau, dass ich bei Bayern spielen könnte.
Was wäre denn so ein Club, bei dem du sagen würdest, es wäre dein Traum, mal für den zu spielen.
(überlegt) Als ich jünger war, habe ich oft Premiere League geschaut. Und der Club Liverpool und dessen Fans haben mich immer sehr beeindruckt. Das wäre vielleicht ein Ziel, irgendwann einmal. Aber das ist momentan überhaupt kein Thema.
Am besten mit dem jetzigen Trainer?
(lacht) Das wäre natürlich auch nicht schlecht.
Hast du ein fußballerisches Vorbild?
Früher schon, aber bei den aktuell aktiven Spielern nicht wirklich. Als ich jünger war, war ich großer Barcelona-Fan, deswegen waren immer die Stürmer, die dort gespielt haben, meine Vorbilder. Als ich sechs, sieben Jahre alt war, mussten wir, wenn wir auf dem Fußballfeld waren, einen Spieler wählen, der wir sein wollten. Ich war dann Patrick Kluivert, Rivaldo, Thierry Henry … Viele haben meistens ein Vorbild unter den Top-10-Spielern der Welt – das habe ich nicht. Vielleicht spiele ich ja – nicht jetzt, aber vielleicht irgendwann – mit oder gegen einen dieser Spieler. Dann wäre es eher schwierig, wenn er mein Vorbild wäre.
Stimmt, und dann wollen alle das eine Trikot haben.
(lacht) Ja, so einer bin ich auch nicht. Ich bin nicht der Typ, der zuerst zu Zlatan Ibrahimović hinrennt und sich das Trikot holt. Ich möchte gerne, dass die anderen mein Trikot haben wollen (lacht).
Du hast bei RB Leipzig unter zwei Trainern trainiert: Erst unter Alexander Zorniger und nun unter Ralf Rangnick. Wie würdest du Ralf Rangnick als Trainer beschreiben? Du kanntest ihn vorher nur als Sportdirektor, der dich hierher geholt hat.
Wenn ich ihn mit einem Wort beschreiben müsste, dann wäre das: Perfektionist. Er will, dass immer alles optimal und perfekt ist – dass alles stimmt. Und das ist natürlich super. So werden wir uns immer wieder weiterentwickeln, weil immer auch auf kleinste Details geachtet wird. Die Bedingungen hier sind top – weil er das auch fordert. Wenn irgendwas nicht ganz passt, dann wird es geändert und optimiert. Das ist super. So ein Trainer ist vielleicht der beste Trainer, den man haben kann.
Gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen Zorniger und Rangnick im Training?
Das Zorniger-Training war vielleicht insgesamt ein bisschen intensiver. Jetzt wird auch noch verstärkter darauf geachtet, wie es den einzelnen Spielern geht und wie man das Training dann individuell anpassen kann. Und das ist vielleicht so ein Stück weit der Unterschied. Aber wie man sieht, sind wir körperlich in einer Top-Verfassung.
Die Trainerfrage für nächste Saison steht schon länger im Raum. Hast du einen Wunschtrainer?
Also ich kenne vielleicht drei deutsche Trainer: Zorniger, Rangnick und Klopp (lacht). Ich muss ehrlich sagen, bevor ich nach Deutschland gewechselt bin, habe ich kaum deutschen Fußball angeschaut, fast nur die Topspiele in der Champions League. Und von deutschen Trainern kenne ich daher nur ganz wenige. Drei sind vielleicht untertrieben, ich kenne schon ein paar mehr – aber nicht viel mehr (lacht). Aber das ist ja auch überhaupt nicht mein Thema. Ralf Rangnick und die Verantwortlichen werden ganz sicher den richtigen Trainer finden.