Protest mit Zahnspange und Smartphone Rezension: Theater der Jungen Welt – „Teenage Widerstand“

Eine Jugendclubinszenierung über das Phänomen jugendlicher Protestbewegungen am Theater der Jungen Welt Leipzig.

Unter dem Motto „Schulstreik für das Klima” begann die 16-jährige Greta Thunberg im August 2018 vor dem schwedischen Reichstag für die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens zu kämpfen. Schüler aus aller Welt schließen sich seither jeden Freitag dem Kampf um die Rettung unserer Erde unter dem Hashtag „fridaysforfuture“ an. Beim Anblick dessen, was sich da außerhalb der Klassenräume auf den Straßen abspielt, kommen unweigerlich Erinnerungen an vergangene Zeiten auf – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Der Digitalisierung.

© Tom Schulze

Die Digitalisierung befeuert Widerstand: soziale Medien vereinfachen die Reichweite, Organisation und Sichtbarkeit von Protestaufforderungen und ermutigen junge Menschen, ihre ganz eigenen Wege zu finden, sich politisch auszudrücken. Das wird auch auf der Bühne des TdJW deutlich, auf der wir zu Beginn des Stücks „Teenage Widerstand“ zunächst einmal mit den negativen Folgen dieser Entwicklung konfrontiert werden: die unbändige Nachrichten-Flut, die ungefiltert auf den Alltag der Jugendlichen einbricht. In ihrer Blase aus Schule, Hobbys und Familie konsumieren die Schüler wie selbstverständlich und unbeeindruckt das Meer an Informationen, das via Smartphone oder Fernsehen auf sie einströmt – von Protest keine Spur. Ganz im Gegenteil: Im Gleichschritt bewegen sich die 15 Heranwachsenden in die Vergangenheit, in eine von Gleichschaltung, Überwachung und Ausgrenzung dominierte Zeit, in welcher diejenigen aus der Reihe fallen, die anders sind, anders aussehen, anders denken.

So switchen wir von der Gegenwart in das Zeitalter der Leipziger Meuten und werfen einen Blick in die Geschichte des Widerstands, in der sich die jungen Schauspieler selbstbestimmt, kraftvoll und laut dem Nichtssagen musikalisch und tänzerisch zur Wehr setzen. Sie klären auf, hinterfragen und präsentieren selbstkomponierte Songs über Ablehnung, Wutbürger, Gedichte über das Freisein und teilen auf diese Weise ihren ganz persönlichen Teenage Widerstand. Hier darf also der Nachwuchs das Wort ergreifen beziehungsweise über das Bühnenmikrofon mitteilen, wo und an welcher Stelle Ablehnung beginnt. Und da sich fast alle Texte aus Aussagen der Jugendlichen selbst zusammensetzen, sind es vor allem die alltägliche Themen – Zukunftsängste, Subkulturen, freie Liebe, Umweltprobleme und Markendenken –, welche die Teenies gegenwärtig beschäftigen. 

© Tom Schulze

Allerhand Widerstand

„Dies sind unsere Träume, die wir sagen. Dies ist unsere Zukunft, die wir einfordern.“ – Im Vordergrund der Inszenierung steht unüberhörbar die Stimme der Jugendlichen, weshalb ein Großteil der Inhalte leider gesellschaftlich unreflektiert bleibt. Andererseits umgeht die Produktion mit dieser Perspektive das Dilemma, dass Erwachsene von einem Phänomen erzählen, das von einer viel jüngeren Generation ausgeht. Das Ergebnis ist ein direktes und authentisches Bühnenstück, das nicht nur die unterschiedlichen Aspekte von Widerstand beleuchtet, sondern auch das Leben ihrer Protagonisten: Teenager, die inspiriert sind von Idolen wie Greta Thunberg und nicht in der Vergangenheit stehen bleiben wollen. Es ist es also mehr das ,Wie’ als das ,Was’, mit dem es den 13- bis 18-Jährigen gelingt, aus ihrer Komfortzone auszubrechen. Soll heißen: Es ist vor allem die Entschlossenheit, welche die Schüler antreibt; die Hartnäckigkeit, die sowohl in der schauspielerischen Leistung als auch in der Konsequenz der Aussagen liegt; der ungebremste Wille mit kleinen Dingen Großes zu bewirken und zu guter Letzt die Zuversicht der jungen Generation, die auch unsere – etwas vertrockneten – rebellischen Jugendaugen wiederbelebt. Am Ende der einstündigen Protesteinheit an der Widerstandsschule blicken wir auf ein stolzes Ensemble und ein intensives, lustiges und nachdenkliches Stück, das uns mit einem würzigen Happen Entschlossenheit in die Freiheit entlässt.

Teenage Widerstand [ab 14 plus] | Großer Saal TdJW 

Nächste Termine: 7.4.2019: 18 Uhr, 8.4.2019: 10 Uhr, 21.5.2019: 19:30 Uhr

Dauer: 1 h 15 min | Karten ab 13 €