Dass Stefan Ilsanker der Liebling der Salzburger Fans war, ist nach einem Treffen mit dem Mittelfeldspieler, der eigentlich Torwart werden sollte, mehr als verständlich. Der sympathische österreichische Nationalspieler ist einer von fünf Spielern, die vom Bruderverein nach Leipzig wechselten, um das Ziel 1. Bundesliga zu erreichen. Im Interview spricht der 26-Jährige über die Stärken und noch vorhandenen Schwächen von RB Leipzig, er erklärt den Plan, wie RBL im nächsten Jahr im deutschen Oberhaus mitmischt, dass die Salzburger Fans nicht sauer auf die Leipziger sein sollten und dass es für ihn erst unvorstellbar war, diese Art Fußball zu spielen.
Mit 15 Jahren bist du vom Keeper wieder als Mittelfeldspieler zurück aufs Feld. Wie geht das denn? Wärst du lieber im Tor geblieben?
Bevor ich Tormann war, habe ich auch schon auf dem Feld gespielt. Als ich 15 war, habe ich mir das Schlüsselbein bei einem Snowboard-Unfall gebrochen. Ich konnte dann drei Wochen nicht trainieren, weil ich mich ja nicht hinschmeißen konnte. Also habe ich auf dem Feld mittrainiert. Nach den drei Wochen hat der Trainer zu mir gesagt: „Ins Tor gehst du mir nicht mehr. Du spielst jetzt draußen mit.“ Und so wurde ich wieder zum Feldspieler.
Bist du mit der Entscheidung zufrieden?
Mein Dad behauptet immer noch, dass ich mehr Talent als Tormann hätte (lacht). Ich bin aber eigentlich ganz zufrieden, wie es gelaufen ist (lacht). Ich fühle mich wohl.
Dein Vater ist ehemaliger Profitorwart. Wärst du gerne in die Fußstapfen getreten oder bist du ganz froh, dass man euch nun nicht mehr direkt vergleichen kann?
Er war, seit ich denken kann, immer mein Idol. Ich wollte immer so sein wie er, und dass mich die Leute so wahrnehmen – so extrem positiv. Mir hat schon immer sehr imponiert, wie der Verein Austria Salzburg damals in der Stadt wahrgenommen wurde, wie viel Spaß die alle miteinander gehabt und wie viel Freude die überhaupt in der Stadt verbreitet haben. Deswegen war mir immer klar gewesen, dass ich auch mal Profifußballer werden möchte.
Den direkten Vergleich mit ihm gibt’s aber nicht?
Ich spiele halt eine andere Position. Aber ich denke, er ist sehr stolz auf mich, wie ich das Ganze mache. Er hat mir einmal gesagt, er hat es nie ins Nationalteam geschafft und dass er sich das für mich wünscht. Das habe ich ja jetzt schon erreicht. Darauf bin ich auch sehr stolz.
Für dich ist die Familie sehr wichtig. Wie ist es für dich, nun so weit weg von ihr zu sein in einer neuen Stadt, so komplett alleine?
Es geht mir schon was ab, wenn ich mit meiner Familie und meinen ganz engen Freunden nur schreiben oder telefonieren kann und ich sie nicht mehr jeden Tag sehe. Gerade meinen Dad habe ich ja jeden Tag beim Training gesehen, weil er als Torwarttrainer bei Red Bull Salzburg arbeitet. Immer wenn ich was bereden wollte, war er da. Das war extrem schön. Das ist jetzt schon eine Umstellung. Aber wir telefonieren sehr viel miteinander. Meine Mom hat mich schon hier in Leipzig besucht und zwei Spiele gesehen. Wir haben auf jeden Fall immer noch eine sehr enge Verbindung.
Den einen oder anderen Mannschaftskollegen kennst du aus Salzburg. Macht es das Einleben in Leipzig einfacher?
Ja klar. Viele kenne ich, weil sie in Salzburg gespielt haben, oder zumindest in Österreich. Und alle anderen, die ich noch nicht kannte, haben mich total positiv aufgenommen. Ich freue mich richtig, in dieser Mannschaft zu sein.
Hattest du schon die Möglichkeit, Leipzig ein bisschen kennenzulernen?
Ja. Ich bin extrem interessiert und versuche, immer wieder neue Plätze zu erkunden. Es gibt schon extrem viel Cooles hier zu sehen. Die Geschichte ist auch spannend. Ich will noch viel lernen und hier sehen.
Kannst du mir ein paar Plätze nennen, die dir besonders gut gefallen?
Ich finde die Parks extrem cool, wie der Clara-Zetkin-Park, auf der anderen Seite der Elster den Palmengarten, den Johannapark. Das gefällt mir sehr gut hier. Im Zoo war ich auch schon – davor hatte ich schon lange keinen mehr besucht (lacht). Das hat mir auch richtig gut gefallen. Überhaupt, die ganzen Viertel, die Karli, wenn man mal abends was Trinken will, die Stadt selber mit den vielen Cafés – das gefällt mir hier alles wirklich sehr gut.
Du hast nun auch schon ein paar Heimspiele in der Red Bull Arena absolviert. Was sagst du zu den Fans?
Geil. Das habe ich auch vorher schon gewusst. Ich habe mir ja schon Spiele von RB Leipzig angeschaut. Aber dann noch mal selber auf dem Platz stehen und merken, wie der 12. Mann pusht, und auch wenn es nicht so gut läuft, stehen sie voll hinter dir. Das ist was ganz Besonderes – vor allem in diesem Ausmaß. Das kriegst du in Österreich ganz selten hin.
Ich habe gehört, dass die Salzburger deinen Wechsel nach Leipzig am schlimmsten empfanden, weil RB Leipzig damit den Publikumsliebling weggenommen hat. Hast du da irgendwas mitbekommen?
Die Leipziger haben mich ja nicht weggenommen. Es war meine Entscheidung, dass ich mich nach acht Jahren in den höchsten österreichischen Ligen verändern und auch mal im Ausland spielen und mir einen Traum erfüllen will. Ich bin aus freien Stücken gegangen. Ich hatte eine super Zeit in Salzburg. Und alle, mit denen ich geredet habe, haben das auch verstanden. Als Fan ist man natürlich enttäuscht, wenn ein Spieler weggeht, mit dem man sich vielleicht identifiziert. Ich komme ja auch aus Salzburg. Aber ich denke, das war aus der Emotion heraus, was das Publikum damals im Spiel gerufen hat (Scheiß RB Leipzig, Anmerk. d. Red.) – das ist jetzt wieder vergessen.
Bei vielen anderen Spielern, die nach Leipzig gewechselt sind, sind die Kommentare bei Facebook durchaus aggressiver. Viele haben dich für den Wechsel auch beglückwünscht.
Das liegt sicherlich daran, dass ich immer die Nähe zu den Fans gesucht habe und dass ich immer stolz bin, dass ich das Trikot, was ich gerade anhabe, trage und damit die Fans auf dem Platz repräsentieren darf. Ich glaube, dann fällt es auch noch mal ein Stück leichter, einen Wechsel zu verstehen. Ich gehe auf die Leute zu und versuche, meine Gedanken und Beweggründe zu vermitteln. Dann gibt es vielleicht immer noch zwei, drei, die es nicht verstehen. Aber ich denke, der Großteil kann nachvollziehen, warum ich das mache.
Ihr seid definitiv DER Aufstiegsfavorit. Wie viel Druck löst das in einem Spieler aus?
Druck von außen gibt es für mich überhaupt nicht. Ich will aufsteigen. Und in der Mannschaft ist das bei jedem so. Was andere schreiben und was andere von uns halten, ist mir ziemlich egal. Ich habe mir selber ein Ziel gesteckt und ich will das erreichen. Und dafür werde ich alles tun.
Liest du Artikel und guckst du dir Sendungen über RB Leipzig an oder meidest du eher die Medien?
Ganz ehrlich: Das interessiert mich alles relativ wenig.
Du kannst das komplett abstellen? Du bist sicherlich Gegenwind aus Salzburg gewohnt.
Gegenwind ist ja auch nicht schlecht. Konkurrenz ist gut. Andere Fans dürfen ruhig eine andere Meinung haben, aber wenn es zu weit geht, dann bin ich auch einer, der den Mund aufmacht und sowas anspricht.
Ziel diese Saison ist klar definiert: ein Aufstiegsplatz!?
Ja. Aber nur mit Reden erreichen wir das natürlich nicht, dafür müssen wir jeden Tag hart arbeiten, uns weiterentwickeln und unsere vorhandene Qualität immer wieder als Mannschaft abrufen.
Wie ist euer Plan? Wie wollt ihr das spielerisch anstellen?
Mit unserer speziellen Art und Weise, wie wir Fußball spielen, den man so nicht so oft sieht: extrem offensiv, extrem aktiv im Spiel, auch gegen den Ball. Wir wollen die aktive Mannschaft sein, auch wenn der Gegner den Ball hat, dann schnell umschalten, viele Torchancen kreieren und am Ende auch viele Tore schießen und einfach attraktiv für die Fans spielen. Das wollen wir umsetzen.
Was sind die Stärken von RB Leipzig – spielerisch und mental?
Wir sind auf jeder Position doppelt sehr gut besetzt. Das ist eine absolute Stärke! Wenn einer mal nicht in Form oder verletzt ist, dann haben wir immer einen zweiten Spieler, der mindestens genauso gut ist. Deswegen können wir gut variieren. Wir sind eine sehr homogene, eine sehr junge Truppe – wir haben so einen Spaß in der Kabine – das sieht man dann auch auf dem Platz. Aber vor allem ist jeder extrem motiviert: Was die Jungs im Training laufen, was wir an Kilometer fressen, das ist schon sehr beeindruckend.
Was sind jetzt nach den ersten Spielen noch für Schwächen da?
Wenn wir unsere Tugenden nicht einbringen, wenn wir nicht aggressiv sind, wenn wir zu weit vom Ball weg sind, wenn wir nicht die Meter machen, die wir machen müssen, sprich schließen oder rausrücken, wenn wir unsere Kompaktheit verlieren – dann sind wir eine Mannschaft wie jede andere und auch schlagbar.
Du hast Ralf Rangnick bisher nur als Sportdirektor gekannt. Jetzt ist er dein Sportdirektor und Trainer. Hat sich für dich, was die Person Ralf Rangnick angeht, etwas verändert?
Ich muss sagen, ich war von Anfang an sehr beeindruckt von Ralf Rangnick. Auch von der Philosophie und der Idee, einen Fußball zu spielen, den eigentlich noch kaum einer gespielt hast. Das war am Anfang für uns alle schwer nachzuvollziehen und umzusetzen. Und wir haben in Salzburg ehrlich gesagt anfangs auch alle nicht so richtig verstanden, dass es überhaupt möglich ist, so Fußball zu spielen (lacht). Aber als das dann nach und nach gegriffen hat, habe ich einfach gewusst, dass wir ein Mastermind haben und dass, wenn wir seine Vorstellungen so umsetzen wie er das will, wir sehr, sehr erfolgreich sein können.
Hat es lange gedauert, diese Art Fußball zu verinnerlichen?
Ja. Zuallererst hatten wir einige Spielerwechsel. Dann konnten wir es teilweise schon sehr gut auf dem Platz umsetzen, aber hatten keine Konstanz. Ich denke, so richtig funktioniert hat es nach etwa einem Dreivierteljahr und perfektioniert haben wir es vielleicht nach anderthalb Jahren.
Denkst du, bei neuen Spielern wie Atinc Nukan und Davie Selke wird das schneller vonstattengehen?
Ja, auf jeden Fall. Sie kommen ja in eine Mannschaft, in der der Großteil das System versteht und verinnerlicht hat. Sie sehen auch bei den anderen, wie die auf bestimmte Situationen reagieren oder besser gesagt agieren. Von daher, geht das sicherlich viel schneller.
Kannst du dir vorstellen, je wieder einen anderen Fußball zu spielen, z.B. wenn du irgendwann nicht mehr Spieler unter Ralf Rangnick bist?
Das war unter anderem ein Grund, warum ich unbedingt nach Leipzig wollte und nicht irgendwo anders hin. Ich empfinde diesen Fußball als einfach extrem geil. Ich möchte im Spiel immer aktiv sein und mich nicht nur hinten reinstellen – Catenaccio – 90 Minuten verteidigen und dann vielleicht irgendeinen Standard reinhauen. Das finde ich nicht mehr zeitgemäß. Das will ich als Spieler dem Zuschauer auch nicht mehr zumuten (lacht).