Museum der bildenden Künste Unterschätzte Künstlerinnen im Fokus

Im Zuge des 125-jährigen Jubiläums der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung (kurz STIGA) widmet das Museum der bildenden Künste (MdbK) fünf Künst­lerinnen mit der Ausstellung „Unterschätzt. Künstlerinnen in Leipzig um 1900“ neue Aufmerksamkeit. Bis zum 14. August können die Werke der nahezu vergessenen Frauen begutachtet werden.

© Anna-Lena Mankel

Die Werke von Marianne Fiedler, Ella Hagen, Emilie Mediz-Pelikan, Bertha Schrader und Philippine Wolff-Arndt sollen zu einem Perspektivwechsel auf marginalisierte Gruppen anregen. Unter der Berücksichtigung, dass Frauen damals keinen oder nur schwer Zugang zu einem Kunststudium hatten, ist es beeindruckend, wie die fünf Künstlerinnen mit ihren Techniken den Werken männlicher Mitstreiter in nichts nachstehen. Der Mix aus verschiedenen Zeichentechniken, wie Aquarelle, Lithografie oder Kohlezeichnungen bringt eine abwechslungsreiche Vielfalt in die Ausstellung. Jedes Bild verleitet dazu, näher zu treten und die vielen Details oder das Farbspiel auf sich wirken zu lassen. Die Ausstellung ist ein erster Versuch, die schwere Ausbildungssituation der Künstlerinnen sowie die weibliche Selbstdarstellung und -wahrnehmung um die Jahrhundertwende zu vermitteln. Vor allem Philippine Wolff-Arndt hatte eine bedeutende Rolle bei der Unterstützung von Leipziger Künstlerinnen um 1900. Sie trug dazu bei, dass Frauen an der Königlichen Akademie für Graphik und Buchgewerbe (heute HGB) studieren durften.

Ein Platzhalter für alle Werke, die weiterhin unsichtbar bleiben

Vor allem bei den Aktzeichnungen weist der Kurator der Ausstellung, Marian Reisinger, auf die Besonderheit der Bilder hin, da vor allem Aktzeichnungen bei damaligen Künstlerinnen ungewöhnlich waren. Sie werfen die Frage auf, wie diese Bilder zustande kamen. Folgt man den Bildern angefangen bei Ella Hagen weiter zu Emilie Mediz-Pelikan ist zwischen zwei Bilderrahmen ein Platzhalter an der Wand montiert. Dieser soll alle Werke, die es nicht an die Wände des Ausstellungsraumes geschafft haben, repräsentieren. Der Direktor des MdbK, Stefan Weppelmann, spricht im Zuge der Ausstellung ein „commitment für die nächsten Jahre“ aus, in denen das Museum kunstschaffenden Frauen mehr Sichtbarkeit verschaffen und dem diskriminierenden strukturellen Problem entgegenwirken will.

© Anna-Lena Mankel

Zusammenarbeit mit Studierenden der HGB

Während sich das Museum bei der Ausstellung auf die STIGA fokussiert, richten Künstler:innen der Hochschule für Grafik und Buchkunst mit ihren Rauminstallationen den Blick auf das MdbK. Neben den ausgestellten Gemälden und Zeichnungen beleuchten sie die Rolle der Künstlerin in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Durch ihre Recherchearbeit und die Installationen verschärfen sie den Blick auf die strukturelle Diskriminierung von weiblichen und nicht-binären Künstler:innen. Die Rechercheergebnisse über ehemals gezeigte Werke und vergangene Ausstellungen werden auf dem Boden sichtbar visualisiert und machen unter anderem deutlich, dass der Anteil der ausgestellten Werke von Frauen in der Kunsthalle der STIGA bei zehn Prozent lag. In der aktuellen Dauerausstellung im MdbK sind es lediglich drei Prozent.

Die Studierenden haben diese Recherchearbeit unbezahlt geleistet, doch eben diese Arbeit war ihnen wichtig, um auf der fundierten Grundlage ihre Kritik an das Museum aussprechen zu können. Mit ihrer Rauminstallation haben sie unter anderem die Außenfassade des Museums „freigelegt“ und durch eine Leiter eine Verbindung zwischen dem Ausstellungsraum im Keller und der Stadt selbst geschaffen. Die Leiter soll hierbei den gewollten Aufstieg und die Selbstermächtigung symbolisieren.

© Anna-Lena Mankel

Ein erster Schritt auf den viele weitere folgen müssen

Mit der Ausstellung wird parallel zu aktu­ellen gesellschaftlichen Debatten – beispielsweise um unbezahlte Care-Arbeit von Frauen – deutlich, wie viel Arbeit es weiterhin bedarf, um die Gleichberechtigung von Frauen zu bewirken. Künstlerinnen sind selbst im Jahre 2022 in großen Museen unterrepräsentiertund es gibt große Wissenslücken zu dem Schaffen und den Werken der kunstschaffenden Frauen. Doch mit der aktuellen Ausstellung wurde ein Raum geschaffen, um diesen Missstand zu reflektieren, zu kritisieren und margina­lisierten Gruppen eine Stimme zu geben.

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